Von Formelkompromiss zu Formelkompromiss: Eine Nachlese zur diesjährigen UN Weltklimakonferenz



11. Dezember 2013


Die diesjährige UN Weltklimakonferenz ist zwar bereits vor zwei Wochen (in diesem Jahr in Warschau) zu Ende gegangen, wurde in den Medien ausführlich kommentiert , so dass es eher müßig erscheinen mag, das Ergebnis der Konferenz jetzt noch zu analysieren und zu kommentieren. Aber sei´s drum.

Warschau war ein Zwischenschritt auf dem Weg zur UN Klimakonferenz in Paris 2015, auf der ein verbindliches Nachfolgeabkommen des Ende 2012 ausgelaufenen Kyoto Protokolls verabschiedet werden soll.
Ursprünglich war geplant, ein solches Abkommen bis spätestens 2009 auszuhandeln. Dies ist jedoch gescheitert, weswegen man sich auf 2015 als neuen Termin für die Verabschiedung eines Nachfolgeabkommen geeinigt hat.

Auf verschiedenen Zwischenschritten in Cancun , Durban und Katar hat man sich inkremental nach vorne bewegt und einige Beschlüsse darüber gefasst, was in dem Nachfolgeabkommen enthalten sein soll.

Einer der wichtigsten Beschlüsse wurde in Cancun mit der Einrichtung eines Green Climate Fund (GCF) gefasst, in dem die Industriestaaten sich dazu verpflichten, in den Entwicklungsländern Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel zu finanzieren. Hierfür sollte bis 2013 ein Betrag von 30 Mrd. US Dollar pro Jahr verfügbar gemacht werden, der bis 2020 auf 100 Mrd. US Dollar steigen soll. Die bislang tatsächlich zur Verfügung gestellten Summen fallen allerdings erheblich geringer aus.

In Warschau ging man noch einen Schritt weiter: Die Entwicklungsländer verlangen nicht nur Mittel zur Anpassung an den Klimawandel im Rahmen des GCF, sondern darüber hinaus Kompensation für Klimaschäden („Loss and Damage“).

Die Argumentation hierbei ist: Die Industrieländer sind für den bisherigen CO2 Anstieg in der Atmosphäre und den dadurch ausgelösten Klimawandel verantwortlich und deswegen auch für dadurch verursachte Schäden, wie Überschwemmungen, Dürren, tropische Wirbelstürme. Psychologischen Rückenwind erhielten diese Forderungen durch den Taifun Hayan , der wenige Tage vor Beginn der Konferenz die Philippinen verwüstet und mehrere tausend Tote gefordert hat .

So sehr man das Leid der Betroffenen und das Verlangen nach Kompensation für die Schäden verstehen kann, so muss man die Akzeptanz einer derartigen Forderung durch die Industriestaaten allenfalls als politisch motiviert verstehen, den Ärmsten der Armen zu helfen.

Denn rein sachlich ist ein Zusammenhang zwischen der Emission von Treibhausgasen durch die Industriestaaten und Extremwetterschäden in den Ländern der Dritten Welt überhaupt nicht darstellbar; allenfalls könnte eine Zunahme derartiger Extreme und Schäden in den vergangenen Jahrzehnten Grundlage für derartige Forderungen sein. Denn Wetterextreme in den Ländern der Dritten Welt (und nicht nur dort) hat es zu allen Zeiten gegeben, schon lange bevor der Mensch Treibhausgase in die Atmosphäre gepustet hat.

Diesen Sachverhalt haben allerdings weder UN Generalsekretär Ban Ki Moon, noch Teile der Medien erkannt ebenso wenig wie die Bildungssysteme und machen stattdessen Stimmung in dem Sinne, dass sie Wetterextreme fälschlicherweise als durch den Menschen verursacht darstellen. Dies hat mit dazu beigetragen, dass in Warschau eine Stimmung geschaffen wurde, die den Forderungen der Entwicklungsländer den Boden geebnet hat.

Damit hat man sich jedoch auf ein gefährliches Glatteis begeben, denn wenn nach jedem Extremwetterereignis in den Entwicklungsländern Forderungen gegen die Industrieländer geltend gemacht werden, verlässt man damit die Grundlage jeglichen rationalen Handelns und jeglichen Rechts. Helfen ja, Forderungen erfüllen, nein.

Man stelle sich vor, wie die Verantwortlichkeit für Wetterextreme aufgeteilt werden müsste: Man müsste die historischen Emissionen jedes Landes errechnen (relativ einfach, es gibt einigermaßen zuverlässige Kataster), in Kohlenkreislaufmodellen den Anteil dieser Emissionen ermitteln, der zu einem beliebigen Zeitpunkt noch in der Atmosphäre verweilt (eher schwierig, da Kohlenstoffkreislaufmodelle kaum belastbar getestet sind und große Unsicherheitsbandbreiten aufweisen) und dann die Schäden auf die jeweiligen Emissionen dieser Länder aufteilen.
Würde man das so machen, dann käme sehr wahrscheinlich heraus, dass die frühen Emissionen der Industrieländer relativ einen geringeren Beitrag zur heutigen atmosphärischen CO2 Konzentration leisten, als die Emissionen der letzen Jahrzehnte, in denen auch die weit entwickelten Entwicklungsländer, wie China oder zuletzt auch Indien einen höheren Beitrag zu den gegenwärtigen atmosphärischen Konzentrationen leisten, als in der Vergangenheit.

Vereinfacht ausgedrückt: Der größte Teil des CO2, das die Industrieländer 1950, 1960 oder 1970 emittiert haben, befindet sich gar nicht mehr in der Atmosphäre, sondern im Ozean und in der Biosphäre.

Der Grund liegt darin, dass CO2 nach und nach in einigen Jahrzehnten aus der Atmosphäre entfernt und vom Ozean bzw. der terrestrischen Biosphäre aufgenommen wird. Die Geschwindigkeit dieser Aufnahme ist Gegenstand der Forschung, gegenwärtig genannte Zahlen sind allenfalls Schätzungen, aber keine harten, belastbaren Zahlen.

Mit anderen Worten: Es wird absehbar kaum möglich sein, eine eindeutige Zuordnung des gegenwärtigen CO2 Gehalts in der Atmosphäre auf den historischen Ablauf der Emissionen einzelner Länder durchzuführen.

Das wichtigste Problem ist natürlich: Da Wetterextreme (Stürme, Dürren, Überschwemmungen) auch nach Darstellung des IPCC überhaupt nicht zugenommen haben und man überdies nicht weiß, ob sie künftig zunehmen werden, lässt sich ein Zusammenhang zwischen den CO2 Emissionen einzelner Länder und diesen Extremen schon von vornherein nicht darlegen, sodass die gesamte Übung aberwitzig ist.

Was die Delegierten in Warschau dennoch nicht davon abgehalten hat, den Forderungen der Entwicklungsländer nachzugeben, was ein weiteres mal beweist, dass Klimapolitik Klimapolitik ist und wenig mit einer sachlichen Grundlage zu tun hat.

Der größte Teil der Arbeit steht den UN Klimakonferenzen indes noch bevor: Nämlich bis 2015 – auf nur noch zwei Konferenzen – eine rechtlich verbindliche Vereinbarung über CO2 Emissionsbegrenzungen bzw. –minderungen zu schaffen. Gegenwärtig sind dazu nur die EU sowie u. U. die USA und einige kleinere Staaten bereit. Die USA hatten sich bereits vor einigen Jahren zu einer Emissionsminderung von 17% bis 2020 gegenüber 2005 bereit erklärt und die EU zu einer Minderung von 30% gegenüber 1990. Eine Reihe von Ländern, wie Russland, Kanada und Japan, die bei Kyoto 1 noch dabei waren, hat demgegenüber angekündigt, bei einem Kyoto Nachfolgevertrag keine Verpflichtungen mehr zu übernehmen.

Egal, wer 1997 welche Verpflichtungen unter Kyoto 1 eingegangen ist, die weltweiten CO2 Emissionen sind seither dramatisch angestiegen, wobei der Emissionszuwachs aus den Nicht – Kyoto Ländern stammt, insbesondere aus der VR China und aus Indien, aber auch Indonesien und Brasilien.

Allein der Emissionszuwachs dieser Länder seit 1997, dem Jahr als Kyoto beschlossen wurde, beträgt etwa die Hälfte der Emissionen der Länder, die sich unter Kyoto zu einer Minderung um ca. 5% verpflichtet haben.
Obwohl die Emissionen der Kyoto Länder tatsächlich geringfügig gesunken sind, haben die weltweiten Emissionen seit Kyoto ca. 50% zugenommen. Die Emissionen der Industrieländer unter Kyoto liegen bei etwa 3,7 Mrd t Kohlenstoff, die weltweiten Emissionen bei knapp 10 Mrd. t, d.h. knapp 2/3 der Emissionen stammen aus den Nicht – Kyoto Ländern.

Zudem ist die Anstiegsrate der Emissionen aus den Nicht – Kyoto Ländern ungebrochen; d. h. das Klimaproblem – wenn es denn eins ist - kann nicht mehr von den Industrieländern allein gelöst werden, sondern nur noch gemeinsam mit den Entwicklungs- und Schwellenländern.

Wenn allein die Emissionen der oben genannten Schwellen und Entwicklungsländer in den nächsten 10 Jahren weiter so steigen, wie seit dem Beschluß des Kyoto Protokolls, wird der Emissionszuwachs (die Mehremission) zwischen 2013 und 2023 fast genauso hoch sein, wie die heutigen Emissionen der Kyoto Länder. Rechnet man die übrigen Nicht - Kyoto Länder hinzu, wird das noch vor 2020 der Fall sein. Dies zur Verdeutlichung des eigentlichen Problems. Das bedeutet aber auch, dass die weltweiten Emissionen auch dann steigen werden, wenn die Industriestaaten ihre Emissionen um 100% reduzieren würden.

Das Klimaproblem soll nicht wegen der heutigen oder der vergangenen Emissionen eintreten, sondern wegen der erheblich höheren Emissionen in der Zukunft, mit denen fast alle Energieszenarien rechnen.
Offenbar ist diese Erkenntnis noch nicht allzu weit vorgedrungen, weder bei den Medien noch bei den Umweltlobby – Organisationen.

Vor diesem Hintergrund erscheinen Grabenkriege und das armselige Gefeilsche um Worthülsen zwischen den verschiedenen Fraktionen auf den Weltklimagipfeln fast schon lächerlich. Vielleicht wird es 2015 in Paris irgendeine Vereinbarung geben.
Auch wenn sie so viele Parteien umfasst, wie Kyoto, auch wenn die Industrieländer sich auf eine Minderung von 5, 10, oder 20% verständigen sollten, die Realität seit Kyoto spricht eine sehr deutliche Sprache: Egal, was auf diesen Konferenzen beschlossen wird, die weltweiten CO2 Emissionen werden weiter ansteigen.

Und das ist dann ein Problem, für das diesmal nicht die Industrieländer verantwortlich sind.