US Supreme Court Urteil zu CO2 Emissionen: Die demokratischen Entscheidungswege stärken9. Juli 2022Am 30. Juni 2022 hat der Supreme Court der USA in einer Entscheidung verkündet, dass CO2 Emissionsgrenzwerte von Kohlekraftwerken nicht von Bundesbehörden, die der Exekutive unterstehen, festgelegt werden dürfen, sondern von der Legislative, nämlich dem US Kongress bzw. dem Senat.Diese Entscheidung hat in den Kreisen der Klimaschützer und im linken politischen Spektrum auf beiden Seiten des Atlantiks einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Folgendes sollte man zur Vorgeschichte dieser Entscheidung wissen: In Europa werden die CO2 Emissionen aus Industrieanlagen, also auch die Kraftwerksemissionen, seit 2005 durch die Europäische Emissionshandelsrichtlinie EU – ETS, die vom EU Parlament im Oktober 2003 verabschiedet und mit dem Treibhausemissionshandelsgesetz (TEHG) und der Zuteilungsverordnung (ZuV) in deutsches Recht umgesetzt wurde. Durch diese Gesetzgebung werden die zulässigen CO2 Emissionen von Industrieanlagen kontinuierlich entlang einer Zeitachse immer weiter reduziert. Diese Gesetzgebung ist von den gewählten Volksvertretern des EU Parlaments, der EU Kommission und den Mitgliedsstaaten verabschiedet worden. In den USA versuchte Präsident Obama im Jahre 2009 ebenfalls einen Emissionshandel für Industrieanlagen einzuführen, scheiterte aber mit diesem Vorhaben im US Kongress. Es ließ sich dafür also keine politische Mehrheit finden. In der Folgezeit versuchte Obama die CO2 Emissionen von Industrieanlagen an den gesetzgebenden Organen vorbei über das amerikanische Umweltbundesamt EPA (Environmental Protection Agency) zu regulieren, das der Exekutive untersteht und nicht dem Kongress. 2015 legte die EPA dann CO2 Emissionsgrenzwerte vor, die von Kraftwerken technisch nicht einzuhalten waren; Obama wollte auf diese Weise das Aus für Kohlekraftwerke und stattdessen den Ausbau erneuerbarer Energien erzwingen. Gegen diese Grenzwerte haben 24 der 50 Bundesstaaten geklagt, weil sie ihre Rechte und Interessen gefährdet sahen. Ende 2015 fand in Paris die 21. UN Klimakonferenz statt, die mit der Verabschiedung der Pariser Klimavereinbarung endete. Auf Drängen Obamas wurden in dieser Vereinbarung keine rechtlich bindenden Minderungsverpflichtungen festgelegt, denn Obamas Kalkül war, dass rechtlich bindende Verträge durch den US Senat ratifiziert werden müssen, was seinerzeit schwierig bis unmöglich erschien, da der Senat von einer republikanischen Mehrheit beherrscht wurde, die einem derartigen Vertrag keinesfalls zustimmen würde. Deswegen setzte Obama darauf, die rechtlich nicht bindenden Pariser Minderungsvereinbarungen an der Legislative vorbei über die Exekutive und die EPA umzusetzen. Obama hatte die Rechnung allerdings ohne den Wirt gemacht, denn 2016 wurde entgegen allen Erwartungen der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump zum Präsidenten gewählt, und nicht die demokratische Kandidatin Hilary Clinton. Trump kündigte die Teilnahme an der Pariser Klimavereinbarung auf und unternahm auch keine weiteren Schritte, um über die EPA die CO2 Emissionen zu reduzieren. Man erkennt die Problematik, politische Entscheidungen an der Legislative vorbei umzusetzen: Der nächste Präsident kann die Entscheidungen seines Vorgängers mit einem Federstrich rückgängig machen, was auch Trumps Entscheidung widerfuhr, aus dem Pariser Klimaabkommen auszusteigen: Sein Nachfolger Joe Biden ist sofort nach seiner Amtsübernahme dem Abkommen wieder beigetreten. Biden versuchte, umfassende klimapolitische Maßnahmen in sein “Build back better” Gesetzgebungspaket einzubauen, Kritiker sagen: zu verstecken, damit es niemandem auffällt. Aber auch dieses Gesetzgebungsvorhaben scheiterte im Senat. Jetzt kommt der Supreme Court der USA und verfügt, dass CO2 Emissionsgrenzwerte nicht über die Exekutive und über Bundesbehörden festgelegt werden dürfen, sondern nur durch die Legislative. Biden verfügt im Kongress über eine sehr knappe Mehrheit und im Senat herrscht ein Patt mit 50 : 50 Stimmen vor, das aber mit der Stimme des Vizepräsidenten ausgehebelt werden könnte. Allerdings reichte nur eine Gegenstimme eines demokratischen Senators, um auch diese hauchdünne Mehrheit auszuhebeln, wie es bereits mit dem “Build back better” Plan geschehen ist. Die Aussichten sind also derzeit nicht besonders gut, über die Legislative CO2 Minderungsmaßnahmen zu beschließen. Überdies stehen im November 2022 Zwischenwahlen für Kongress und Senat an und der gegenwärtigen Stimmungslage nach zu urteilen sieht es nicht danach aus, als würden die Demokraten allzu viele Sitze dazugewinnen; eher ist das Gegenteil der Fall. Die Wut der Klima – Apokalyptiker über das Supreme Court Urteil entzündet sich also daran, dass CO2 Minderungsmaßnahmen in den USA auf dem regulären gesetzgeberischen Weg beschlossen werden sollen, so wie in Europa auch, und nicht auf dem Verordnungswege. Dies offenbart ein recht seltsames Demokratieverständnis. Ein extremes Beispiel aus der deutschen Medienlandschaft bietet der Beitrag von Christian Stöcker im “Spiegel”. Stöcker ist Professor für Kognitionspsychologie an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg. Stöckers Beitrag, in dem er quasi vor Wut und mit Schaum vorm Mund wild um sich schlägt, überschreitet die Grenzen zur Polemik und muss als reine Volksverhetzung oder –verdummung bezeichnet werden. Ist Stöcker in Wirklichkeit Professor für Volksverhetzung und Propaganda? Wenn dieser Beitrag wenigstens noch die Finesse und hinterhältige Ironie des Chef – Propagandisten des DDR Fernsehens, Karl – Eduard von Schnitzler, hätte (dessen Sendung “Der schwarze Kanal” im DDR Fernsehen immer Montag Abend nach dem alten Film um 21:30 lief), könnte man darüber noch schmunzeln. So ist das einfach nur peinlich und man fragt sich, wie ein Professor an einer deutschen Universität ungescholten derartige Hetz - Propaganda verbreiten kann. Allerdings sind derartige Auffassungen typisch für das links – ökoradikale intellektuelle Milieu. Zitat Stöcker: • Das Supreme-Court-Urteil gegen effektiven Klimaschutz in den USA ist ein Symptom für ein viel größeres Problem: die unglaubliche, globale Macht der Branchen, die uns in den Untergang führen. • In den USA wurde deutlich, worauf die sogenannten Konservativen dort, die in Wahrheit primär willfährige Handlanger der US-Öl-, Gas- und Kohleindustrie sind, seit vielen Jahren hinarbeiten: auf die Möglichkeit nämlich, ihre planeten- und damit zivilisationszerstörenden Geschäftsmodelle vor möglichst jeder Einschränkung zu beschützen. • Weitere Entscheidungen zum Thema Klimapolitik stehen vor US-Gerichten an. Es wird so weitergehen, das ist völlig klar. Die Öl- und Kohlebarone der USA, die mit Spenden, Strategien und unzähligen Detailaktivitäten seit Jahren auf diesen Zustand hingearbeitet haben, haben vorerst gesiegt. • Jedes Mal, wenn jemand über die schlimmen »Woken« jammert, spielt er dieses Propagandaspiel im Dienste von Öl, Kohle und Geld mit. Symptomatisch: Auch da ziehen Wladimir Putin und die Republikaner an einem Strang. • Wirklich profitieren werden von alledem aber eben vor allem die Öl- und Kohlebranche. Und andere Superreiche, denen Donald Trump bekanntlich ein gewaltiges Steuergeschenk gemacht hat • Man darf bei alledem nicht vergessen, dass die Fossilbranchen nachweislich seit Jahrzehnten wissen , dass die von ihren Produkten und Praktiken verursachten Treibhausgase den Planeten immer weiter aufheizen, was schon jetzt ständig Katastrophen auslöst. Und dass sie seit Jahrzehnten zunächst sehr erfolgreich dabei waren, diese Tatsache zweifelhaft oder gar falsch erscheinen zu lassen, mit »Thinktanks«, »Stiftungen«, »Studien«, gekauften Wissenschaftlern, Kampagnen, Korruption Zitat Ende Stöckers Tenor also: Das Supreme Court Urteil ist von rechtsradikalen Republikanern und der Kohle- und Ölindustrie gekauft, damit sie ihre “planeten- und damit zivilisationszerstörenden Geschäftsmodelle vor möglichst jeder Einschränkung” geschützt weiterführen können. Zudem wüßte die fossile Energieindustrie “nachweislich” schon seit Jahrzehnten, dass die CO2 Emissionen ihrer Produkte die Erde aufheizen, was jetzt schon ständig Katastrophen auslöst. Stöcker hat anscheinend den Inhalt des Supreme Court Urteils nicht begriffen: Nämlich dass klimapolitische Maßnahmen zur Emissionsbegrenzung von der Legislative beschlossen werden müssen und nicht den Launen der Exekutive ausgesetzt werden sollen. Sein Rant geht komplett an der Sache vorbei. Seine Konspirationstheorie, die fossile Energiewirtschaft hätte Geld, Macht und Einfluss aufgewendet, um die Besetzung der freien Richterposten am Supreme Court zu bestimmen, lässt völlig außer acht, dass auf der Gegenseite links gerichtete Milliardäre wie Tom Steyer, Michael Bloomberg, Bill Gates oder George Soros wesentlich höhere Beträge aufwenden, mehr Macht und mehr Einfluss ausüben, um linksgerichtete und öko – radikale politische Ziele zu erreichen, als die Energiewirtschaft. Präsident Bidens offizielle Klimapolitik, die im wesentlichen auf die Kastrierung der fossilen Energiewirtschaft hinausläuft, ist ein überzeugender Beweis dafür. Am allerwenigstens verfügt die Kohleindustrie, die in den vergangenen 10 Jahren am Rande des Zusammenbruchs stand, weder über Finanzkraft, noch über Macht und Einfluß, um politisch etwas zu bewirken. Da Gas in den USA wegen des Frackings wesentlich billiger wurde als Kohle, hat das Gas die Kohle aus der Stromerzeugung verdrängt, weswegen der Einfluss der Kohleindustrie, aber auch die CO2 Emissionen, gesunken sind. Gas emittiert pro Energieeinheit nur etwa halb soviel CO2 wie Kohle. Wer Macht ausübt, auch in den USA, ist die Industrie der erneuerbaren Energien, die, wie in Deutschland, die volle politische und mediale Unterstützung genießt und mit Subventionen fett gemästet wird. Mit der These, die Energiewirtschaft wüßte bereits seit den 1970er Jahren, dass die CO2 Emissionen ihrer Produkte das Klima erwärmen, und dass man bereits damals Emissionsminderungsmassnahmen hätte ergreifen müssen, haben wir uns auf diesen Seiten bereits hier und hier schon befasst. Kurz gesagt: Die Erwärmung durch CO2 hatte seinerzeit den Status einer Hypothese oder Theorie, die angesichts des globalen Abkühlungstrends seit den 1940er Jahren nicht völlig glaubwürdig wirkte. Diskutiert wurde in der Wissenschaft vielmehr - motiviert durch den seinerzeit beobachteten globalen Abkühlungstrend - die These einer globalen Abkühlung. Was Stöcker und die Autoren, auf die er sich bezieht, behaupten, spiegelt nicht die seinerzeitige wissenschaftliche Debatte wider. Seine “Denke” ist aber typisch für die links – ökoradikalen Auffassungen, von denen die politische und gesellschaftliche Führungsebene (von den Medien ganz zu schweigen), unabhängig von der Parteizugehörigkeit, durchdrungen ist und auf deren Grundlage klimapolitische Entscheidungen getroffen werden. Nicht die Realität zählt, sondern die eigenen ideologischen Überzeugungen, die auf jeden Fall verteidigt werden müssen. Diese ideologischen Überzeugungen definieren die Klima- und Energiepolitik. Das wird solange gut gehen, bis die Realität die Ideologie einholt und die Wirtschaft dieses Landes gegen die Wand gefahren wurde. In den USA wird das Urteil des Supreme Court wohl dazu führen, dass die Vor- und Nachteile einer rigorosen Klimapolitik in einem Gesetzgebungsverfahren offen ausdiskutiert werden und dann im Rahmen der demokratischen Institutionen entschieden wird, welche Maßnahmen man ergreift. Denn das Urteil des Supreme Courts bedeutet nicht, wie es die öko – radikalen Kommentatoren insinuieren, dass der Supreme Court den Klimaschutz behindert, oder gar verhindert, sondern lediglich, dass Entscheidungen darüber im Rahmen der demokratisch gewählten gesetzgeberischen Institutionen gefällt werden sollen – so wie es in Europa auch geschehen ist. |
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