Klimaextremismus



30. September 2010


Der Klimaextremismus in Deutschland bringt anscheinend täglich neue Sumpfblüten hervor. In einem wenig beachteten Teil ihres Energiekonzeptes, das vorwiegend wegen der kontroversen Laufzeitverlängerung von AKWs Schlagzeilen gemacht hat, plant die Bundesregierung, die CO2 Emissionen aus dem Gebäudebestand bis 2050 auf Null zu senken. Der gesamte Gebäudebestand ist laut Energiekonzept für ca. ein Drittel der CO2 Emissionen in Deutschland verantwortlich, womit nicht nur private Wohngebäude sondern auch Gewerbeimmobilien und die der öffentlichen Hände gemeint sind; Privathaushalte sind nur für etwa 14% der CO2 Emissionen verantwortlich.

Was bedeutet das? Das bedeutet, die aus der Heizung von Gebäuden herrührenden CO2 Emissionen komplett zu vermeiden, wozu heute existierende Häuser zu Kosten von bis zu EUR 1000 pro m2 saniert werden müssten. Also für ein Einfamilienhaus von ca. 150 m2 bis zu 150000 EUR, was in einigen Regionen Deutschlands, besonders im Norden und Osten, den Wert des Hauses bei weitem übersteigen würde.

Aber auch ansonsten wären die Kosten im Gebäudesanierungsbereich auf jeden Fall exorbitant hoch und würden den Gewinn durch eingesparte Brennstoffkosten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit deutlich übersteigen. Derartige Maßnahmen muss man also als unwirtschaftlich bewerten.

Interessant ist, weswegen die Bundesregierung jetzt einen erneuten Vorstoß in dieser Richtung startet. Denn bereits im Jahre 2007 hat sie versucht, im Rahmen des integrierten Klima und Energiepaketes (IKEP) von Meseberg den Gebäudebestand mit harschen Sanierungsmassnahmen zu überziehen, war aber schlussendlich mit den extremsten Vorschlägen am entschlossenen Widerstand der Immobilienwirtschaft gescheitert.
Ausschlaggebend waren dabei wohl auch Hinweise dieser Verbände, dass eine Reihe der vorgeschlagenen Maßnahmen verfassungswidrig seien und in die Eigentumsrechte der Immobilieneigentümer eingreifen, bzw. deren Eigentum entwerten würden.
Dass die jetzt vorgeschlagene Gebäudesanierungspolitik nicht nur abstrakte Hauseigentümer sondern jeden Bürger – insbesondere auch Mieter - treffen würde hat sogar "Bild" erkannt

Hintergrund dieses Vorstoßes ist die Erkenntnis, dass laut Energiekonzept ca. 1/3 der CO2 Emissionen Deutschlands aus Altbauten stammen, in erster Linie durch Heizung. Wenn man die Emissionen aus der Heizung vermeiden könnte, hätte man einen großen Schritt in Richtung des von der Bundesregierung ins Auge gefassten Ziels einer 80%igen CO2 Minderung bis 2050 gemacht. Anders ausgedrückt: Ohne die energetische Sanierung des Gebäudebestandes erreicht man keine – 80 oder gar - 90%.

Kleiner Wermutstropfen: Die energetische Sanierung des Gebäudebestandes ist so etwa die teuerste Methode der CO2 Minderung, die man sich vorstellen kann, gleich nach der Photovoltaik. Das weiß man bereits seit den Abschlussberichten der „Enquete Kommission Schutz der Erdatmosphäre“ Anfang der 1990er Jahre.

Weswegen bereits eine „einfache“ Sanierung unwirtschaftlich ist, soll folgendes Beispiel eines Einfamilienhauses aus den 1970er Jahren zeigen, das in der Zeitschrift Finanztest (Ausgabe 9/2007) dargelegt wurde.

Hier wird eine Reihe von Maßnahmen vorgeschlagen, die in der Summe 35200 EUR kosten, über einen Zeitraum von 20 Jahren aber eine Brennstoffkostenersparnis 42556 EUR erbringen sollen, inkl. Förderung durch die KfW, wobei angenommen wurde, die Brennstoffkosten würden in diesen 20 Jahren mit 5% pro Jahr steigen. Hört sich zunächst gut an, aber woher das Geld nehmen hierfür? Nur wenige Leute haben 35200 EUR auf der hohen Kante, und wenn, würden sie das Geld dann hierfür einsetzen? Denn dann müsste man den eingesparten Brennstoffkosten die entgangenen Zinsen oder Kapitalerträge oder Zugewinne entgegenrechnen, was Finanztest eigenartigerweise nicht macht.

Normalbürger müssten sich das Geld als Kredit oder Hypothek beschaffen und Zinsen bezahlen, was Finanztest wiederum nicht sagt. Über 20 Jahre gerechnet müsste dann bei einem Zinssatz von ca. 5% (was in 2007 etwa realistisch war) ein Betrag von ca. 54000 EUR aufgewendet werden, (was man mit jedem der im Netz verfügbaren Annuitätenrechner überprüfen kann) um 42556 EUR zu sparen. Kein wirklich gutes Geschäft, 54000 EUR zu investieren, um 42556 EUR zu „verdienen“, also um fast 12000 EUR zu verlieren!

Betrachtet man nur die Fassadendämmung, so würde das in diesem Beispiel 15020 EUR als Investitionssumme kosten, 15772 EUR an Brennstoffkosten sparen, aber mit Zinsen über 20 Jahre ca. 23000 EUR kosten, wiederum nicht gerade ein besonders gutes Geschäft.

Berücksichtigt man jetzt noch, dass viele ältere Immobilieneigentümer überhaupt keinen Kredit mehr bekämen, oder die Früchte ihrer „Investition“ nicht mehr erleben, dann offenbart sich die Fragwürdigkeit dieser Maßnahmen.

Diese Diskussion wird jetzt noch erheblich vehementer geführt werden, denn es geht um wesentlich mehr und die Anforderungen sind signifikant höher. Die Immobilienwirtschaft schätzt die Kosten bis 2050 auf etwa 2,5 Billionen EUR, also 2500 Milliarden EUR bis 2050, pro Jahr etwa 60 Mrd. EUR bis 2050.

Diese Kosten befinden sich irgendwo in der gleichen Dimension wie die Kosten der deutschen Einheit, für die wir bis heute noch alle zahlen; die Transferzahlungen von West nach Ost werden auf etwa 100 Mrd. EUR p.a. geschätzt. Das Staatsdefizit allein beträgt etwa 1,7 Billionen EUR und ein großer Teil davon sind Kosten für die Finanzierung der Einheit.

Nur: was hätten wir, die Bürger, von dieser staatlich verordneten Zwangssanierung des Gebäudebestandes, die in ihrer Wirkung auf eine Zwangsenteignung oder zumindest Teilenteignung hinausliefe, außer den extrem hohen Kosten die uns hierfür aufgebürdet würden? Außer den gesparten Brennstoffkosten ziemlich wenig.

Dass selbst dies kaum ein hinreichender Anreiz sein kann, zeigt neben dem obigen Beispiel aus Finanztest 9/2007 auch die Spiegel Titelgeschichte 38/2010 vom 20.09.2010, die sich dieses Themas annimmt. Da hat jemand sein Haus aus dem Jahre 1938 in Berlin-Spandau für 170000 EUR saniert und spart jetzt 5000 EUR pro Jahr an Heizkosten. Kann der Mann nicht rechnen? Ist ihm nicht klar, dass er 34 Jahre braucht, um seine Kapitalkosten zurück zu gewinnen? Wenn er einen Kredit hierfür aufnehmen müsste mit einer Laufzeit von 20 Jahren hätte er nach 20 Jahren insgesamt ca. 240000 EUR ausgegeben und dabei 100000 EUR gespart. Ein gutes Geschäft sieht anders aus.

Erwähnt werden sollte aber, dass es für die Kosten/Nutzenabschätzung von Altbausanierungsmassnahmen erhebliche Unterschiede gibt. So werden in einer McKinsey Studie für den BDI sogar Kostenvorteile errechnet, die allerdings in den hier zitierten Beispielen nicht ersichtlich sind. Jede Studie und Analyse steht und fällt mit den Annahmen. Es gilt der alte Grundsatz, keiner Studie zu glauben, deren Annahmen man nicht selbst festgelegt hat. In den hier genannten Beispielen sind die Annahmen und die Ergebnisse jedoch nachvollziehbar.

Das Ziel einer Nullemission des Gebäudebestandes im Jahr 2050 leitet sich aus dem von der Politik akzeptierten – um nicht zu sagen: wie eine Monstranz voran getragenem – politischen Ziel einer mindestens 80 %igen CO2 Minderung bis 2050 gegenüber 1990 ab. Diese Zahl kursiert seit einigen Jahren auf dem internationalen klimapolitischen Parkett und erscheint beispielsweise in entsprechenden Abschlussdeklarationen von G8 Gipfeln, und ist fester Teil der EU Klimastrategie, die jedoch nur - 60 bis -80% bis 2050 fordert. Im sog. „Copenhagen Accord“, der Abschlusserklärung der Klimakonferenz von Kopenhagen im Dezember 2009 werden tiefe Einschnitte bei den CO2 Emissionen gefordert, eine Zahl wird aber nicht genannt.

Allerdings gibt es derzeit keinen rechtlich verbindlichen internationalen Vertrag, der diese Zahl festschreiben würde. Im Augenblick scheint es eher fraglich, ob sie in absehbarer Zeit Teil einer rechtlich verbindlichen Vereinbarung für die Industriestaaten sein wird.

Sie hat deswegen zurzeit eher den Charakter eines klima-ideologischen Radikalansatzes, der ideologischen Vision einer kohlenstofffreien Energieversorgung, die zwar heute technologisch noch nicht darstellbar ist, an der man aber arbeiten kann. So zu tun, als wäre dies mit heutiger oder heute absehbarer Technologie möglich, und noch dazu mit überschaubaren Kosten, ist extrem einseitig, um nicht zu sagen unaufrichtig.

Man fühlt sich an die Worte des amerikanischen Energieministers Steven Chu erinnert, einem Physik Nobelpreisträger, der gesagt haben soll, eine Vollversorgung mit erneuerbaren Energien bis zum Jahre 2050 würde heute noch nicht absehbare, Nobelpreiswürdige technologische und physikalische Durchbrüche erfordern. Die Bundesregierung scheint da schlauer zu sein.

Was brächte es denn für das Klima, ein Drittel der heutigen CO2 Emissionen Deutschlands, die dem Altbaubestand entstammt, auf Null zu reduzieren, was die Gebäudestrategie des Energiekonzeptes beabsichtigt. Ein Drittel von gegenwärtig ca. 800 Mio. t CO2 sind etwa 270 Mio. t, von momentan weltweit ca. 31 Mrd. t, demnach etwas weniger als 1 %. China allein emittiert ca. 7 – 8 Mrd. t, bei einer Steigerungsrate um die 10% p. a., also 700 - 800 Mio. t pro Jahr Zuwachs. Die deutschen 270 Mio. t Minderung würden dann nach spätestens vier Monaten durch den Emissionszuwachs aus China wieder wettgemacht.
Der Effekt auf das Klima ist also praktisch gleich Null, auf jeden Fall mindestens eine Zehnerpotenz unterhalb der Nachweisgrenze.

Die Bundesregierung schlägt also vor, die Bürger mit 2,5 Billionen EUR zur Kasse zu bitten, um eine schlussendlich vernachlässigbare Auswirkung auf das Klima zu erreichen, also um einen symbolischen Beitrag für das Klima zu leisten und um einem klimaideologischen Radikalansatz gerecht zu werden.

Immerhin scheint ein gewisses Nachdenken eingesetzt zu haben, denn Spiegel Online wusste am 27. 9. 2010 von einem „Erfolg der Lobbyisten“ zu berichten, die das schwarz-gelbe Energiekonzept „verwässert“ haben. Dem Bericht zufolge sei die Verpflichtung zur Sanierung von Altbauten gestrichen worden (wie schon aus dem Programm von Meseberg 2007), Ziel sei nicht mehr eine 100%ige Reduzierung, sondern nur noch eine 80%ige und Maßnahmen hätten sich am Wirtschaftlichkeitsgebot zu orientieren.

Kommt darauf an, wie man Wirtschaftlichkeit definiert. Den Klimaideologen wird schon was einfallen.

Der Tenor und die offenkundige Voreingenommenheit des Spiegel Beitrages irritieren.

Liebe Spiegel Redaktion: Dies ist kein Erfolg der Lobbyisten, sondern ein Erfolg des gesunden Menschenverstandes und vor allem ein Erfolg für die Bürger dieses Landes, seien sie Mieter oder Hausbesitzer, die von den aberwitzigen Kosten der von der Bundesregierung vorgeschlagenen Maßnahmen fürs erste verschont bleiben.

Denn sie müssten die Zeche zahlen, nicht „die Lobbyisten“.