E10 Debakel: Peinliche Schlappe des öko-industriellen Komplexes1. März 2011 Schlechtes Management der Politik und der beteiligten Wirtschaftsverbände werden in den Massenmedien generell für das Debakel bei der E10 Einführung verantwortlich gemacht. Wir erinnern uns: Ausgangspunkt des ganzen Theaters war der übersteigerte Klimahype des Jahres 2007, als zunächst die EU (Klimapolitische Strategiepapiere der EU Kommission vom Januar 2007, Beschlüsse des EU Rates vom März 2007) und daran anschließend die Bundesregierung (Erklärung BMU Gabriel vom 26. 4. 2007, Meseberger Beschlüsse vom August 2007, sowie Kabinettsbeschlüsse vom 4. Dezember 2007) klimapolitische Beschlüsse fassten, mit denen das gesamte Feld der Energie, Wirtschafts-, Industrie-, Verkehrs-, Bau- und Raumplanungspolitik der EU und Deutschlands für die nächsten Jahrzehnte dem Primat (um nicht zu sagen: Diktat) der Klimapolitik unterstellt wurde. Wie so oft, wurden die politischen Zielvorgaben mit griffigen Formeln umschrieben: 20 – 20 - 20 sollte stehen für 20 % CO2 Minderung bis 2020, 20 % Energieeffizienzsteigerung, 20 % Anteil erneuerbarer Energieträger bis 2020. Wie in der Politik üblich, wurde erst beschlossen und anschließend darüber nachgedacht, ob und wie und zu welchen Kosten die politische Zielvorgabe umgesetzt werden kann und zu welchen Auswirkungen dies auf anderen Politikfeldern führt. Dies zeigt, dass es in der Klimapolitik (so wie in anderen Politikbereichen auch) vor allem darum geht, Zeichen zu setzen, Symbolismen zu frönen, die sich in der veröffentlichten Meinung gut darstellen lassen und weniger darum, gut durchdachte Lösungen für mögliche Probleme zu finden. Teil der EU Beschlüsse war die Zielvorgabe, bis 2020 den Anteil von Biokraftstoffen auf 10 % zu erhöhen. Die EU Kommission war jedoch klimapolitisch sehr emsig in dieser Zeit und erließ auch Maßnahmen, den Kraftstoffverbrauch der PKW Flotte zu reduzieren. So soll der Flottenverbrauch in der EU künftig bei 120 g CO2/km liegen. Mit diesem anspruchsvollen Ziel hat insbesondere die deutsche Autoindustrie Probleme, da sie mehr als andere EU Länder KFZ der gehoben Klasse fertigt, deren leistungsstärkere Motoren mehr Kraftstoff verbrauchen als z. B. ein Fiat 500 oder ein Renault Twingo. Ein teilweiser Ausweg aus dieser Situation war die zügigere Einführung von Biokraftstoffen in Deutschland als nach EU Vorgabe verlangt. Denn Biokraftstoffe, die aus nachwachsenden Rohstoffen, wie Getreide oder Zucker gewonnen werden, tragen Netto nicht zum CO2 Ausstoß bei, da ihre CO2 Emissionen vorher beim Pflanzenwachstum der Luft entnommen wurden. Soweit die Theorie. Der Biosprit-Anteil sollte in Deutschland ursprünglich bereits 2008 auf 10 % erhöht werden, was aber seinerzeit am Widerstand der Automobilclubs scheiterte, da man abschätzte, ca. 4 Mio. PKW auf deutschen Strassen würden einen Anteil von 10% (=E10) nicht vertragen und würden das Risiko von Motorschäden eingehen. Um dieses Risiko auszuschließen, zogen Politik und Wirtschaft zu Lasten der Bürger in Erwägung, dass diejenigen KFZ, die kein E10 vertragen, ja das 6 – 8 Cent teurere Super Plus tanken könnten, was natürlich der Mineralölwirtschaft nicht so ganz unsympathisch war. Obwohl sich Mineralölwirtschaft, Automobilindustrie, Agrarwirtschaft und Politik in dieser eigenartigen Interessenkoalition gegen die Interessen der Bürger seinerzeit fast auf die E10 Einführung in 2008 geeinigt hätten, wurde das Projekt abgeblasen und auf den Jahresbeginn 2011 vertagt. Und dann stellte man Anfang 2011 fest, dass die Autofahrer einfach kein E10 tanken wollten, da sie nicht wussten, ob der Biokraftstoff ihren Motoren schadete oder nicht. E10 war praktisch unverkäuflich. Wieso sollte man E10 tanken, wenn der Griff zur benachbarten Zapfpistole motorunschädlichen Kraftstoff garantiert? Denn hier ist die Situation ja grundsätzlich anders, als bei der Zwangseinspeisung von Ökostrom, den jeder Stromkunde bezahlen muss, ob er will oder nicht. Da der Energiegehalt von Bioethanol ca. 30 % niedriger ist als der von herkömmlichem Ottokraftstoff, erhöht sich der Kraftstoffverbrauch bei einer 10 %- igen Beimischung um etwa 3 %. Wenn Bioethanol zudem die CO2 Emissionen gegenüber herkömmlichem Benzin nicht um 100 % sondern nur um ca. 30 % mindern soll, werden bei einer Beimischungsquote von 10 % die CO2 Emissionen lediglich um 3 % gemindert. Diese Minderungsquote wird jedoch durch den Mehrverbrauch von E10 in etwa wieder ausgeglichen, sodass E10 weder nennenswert zur CO2 Minderung noch zur Reduzierung von Ölimporten beiträgt. E10 müsste zudem an der Zapfsäule etwa 3 % billiger sein als „normales“ Superbenzin, um den geringeren Energiegehalt auszugleichen, was bei Preisen um 1,50 EUR etwa 5 Cents ausmachen würde. Der E10 Einsatz ist nichts weiter als „weiße Salbe“. Anstatt das Projekt E10 abzublasen, verhärtete sich die Position von „Klimaminister“ Röttgen weiter und er beharrt auf der Einführung von E10, untermalt es nun aber mit dem Argument, E10 würde die Abhängigkeit von Ölimporten verringern, kein umweltpolitisches, sondern ein wirtschaftspolitisches Argument, das seinem Ressort eigentlich gar nicht zusteht. Was Röttgen aber in Wahrheit absichern will, sind die politischen E10 Entscheidungen, denen weit reichende wirtschaftliche Entscheidungen des öko-industriellen Komplexes gefolgt sind. Denn es geht um: - die Bestandssicherung der Agrarerlöse bei der Bioethanolproduktion, - um den Erhalt des fein austarierten Kompromisses mit der Automobilindustrie zum Erreichen des 120 g CO2 Ziels, - und um die Demonstration staatlicher Macht bei der Durchsetzung eines einmal verkündeten politischen Zieles, an dem - koste was es wolle - fest gehalten werden muss. Denn nirgends zeigt sich der Klimawahn deutlicher, als bei der Beimischung von Bioethanol in Motorenkraftstoffe. Bereits im Sommer 2007, bevor die Beschlüsse der Bundesregierung gefasst und umgesetzt wurden, zeigte sich die ökologische, ökonomische und auch die moralische Fragwürdigkeit des EU Zieles, bis 2020 (bzw. bis 2008 oder 2011), den Anteil von Bioethanol auf 10 % zu erhöhen. E10 ist ökologisch aus mehreren Gründen fragwürdig. Zunächst ist die CO2 Einsparung deutlich niedriger als ursprünglich erwartet, sie liegt evtl. nur bei 10 – 30 % statt bei 100 %. Möglicherweise ist Bioethanol überhaupt nicht klimaneutral, wenn man die gesamten Klimagasemissionen von der Beackerung des Landes bis zur Produktion und Auslieferung des Bioethanols berücksichtigt. Ferner verfügen weder Deutschland noch die EU über ausreichende landwirtschaftliche Nutzfläche, um den Biosprit Anteil auf 10 % auszuweiten, weswegen man im erheblichen Umfang auf Importe, überwiegend aus Ländern der sog. Dritten Welt, zurückgreifen muss. Für die Biospritherstellung in diesen Ländern werden teilweise Urwälder gerodet, um landwirtschaftliche Nutzfläche zu gewinnen, d. h. der Lebensraum vieler Tier- und Pflanzenarten wird vernichtet, um klimapolitische Ziele der EU zu erfüllen, was sicherlich nicht die Absicht der EU sein kann. Besonders gravierend ist die sog. „Tank oder Teller“ Problematik. Denn Fläche, die dem Anbau von Biosprit gewidmet wird, kann nicht mehr zum Anbau von Produkten zur Nahrungsmittelherstellung verwendet werden. Dadurch wird die Nahrungsmittelproduktion verknappt, die Preise steigen. Bereits heute werden ca. 40 % der Maisproduktion der USA zur Biospritherstellung verwendet, dort allerdings nicht aus klimapolitischen Gründen. Die Problematik macht sich insbesondere in den vom Hunger bedrohten Ländern der 3. Welt breit, und dort unter den Armen der Bevölkerung. Wenn die Ausweitung der Biospritproduktion zur Erfüllung klimapolitisch festgelegter Quoten in der EU zur Ausweitung von Hunger und Armut in der 3. Welt führt, ist dies zutiefst unsozial und unmoralisch. All das ist der Bundesregierung aber bereits seit dem Sommer 2007 bekannt gewesen. In einem Sondergutachten des Sachverständigenrats für Umweltfragen wird z. B. auf S. 89 und 90 zum Einsatz von Biokraftstoffen im Verkehr ausgeführt: "Der Subventionierungsbedarf für Biokraftstoffe aus nationalen und europäischen Anbaupflanzen ist so hoch, dass man in diesem Fall von einer unangemessen hohen „Versicherungsprämie“ reden muss. Aus diesem Grunde besteht keine Harmonie zwischen agrar- und energiepolitischen Zielen bei der Biomasseförderung. Auch zwischen Klimaschutz und Versorgungssicherheit gibt es klare Zielkonflikte. Ein klimaoptimierter Biomasseeinsatz wird nicht primär zur Mineralölsubstitution im Verkehrsbereich beitragen, sondern eher zur Substitution von fossilen Energieträgern bei der Wärme- und Elektrizitätsherstellung. Hinsichtlich der Verfolgung agrarpolitischer Ziele ist hingegen zu beachten, dass weitere Subventionen nur dann gerechtfertigt sind, wenn durch diese allgemeine Wohlfahrtsziele, wie der Natur- und Klimaschutz, verfolgt werden." Das Sondergutachten des Sachverständigenrats für Umweltfragen verrät dann auch noch, wie teuer die CO2 Minderung durch Bioethanol eigentlich ist (S. 92): Nämlich ca. 368 EUR/t CO2, im Vergleich zu 63 - 64 EUR bei Biodiesel. Mit CO2 Minderungskosten in dieser Höhe reiht sich der Bioethanoleinsatz gut in die extrem hohen CO2 Minderungskosten durch Photovoltaik oder durch Gebäudeisolierung ein, mit anderen Worten: auch hier zeigt sich der Klimawahn in seiner ganzen Größe. Denn „Klimaschäden“ durch die Emission einer t CO2 werden gegenwärtig mit etwa 10 – 20 EUR (oder $) pro t CO2 angegeben. Die Kosten der CO2 Minderung durch Bioethanol betragen also etwa das 20-fache der Schäden pro t CO2. Aber die Politik will E10 trotzdem um dem öko-industriellen Komplex einen Gefallen zu tun. Die Ursache der Schlappe des öko-industriellen Komplexes bei der Einführung von E10 liegt darin, dass der Verbraucher eine Wahl zwischen verschiedenen Produkten an der Zapfsäule hatte, und das Produkt gewählt hat, was seinem Bedürfnis am besten entsprach. Der mit der Politik verbandelte öko-industrielle Komplex wird daraus seine Lehren ziehen und darauf drängen, die Wahlmöglichkeit entweder abzuschaffen oder das Konkurrenzprodukt so stark zu verteuern, dass der Verbraucher E10 wählen wird. Die Politik wird ebenfalls aus dem E10 Debakel lernen und die freie Wahlmöglichkeit des Verbrauchers künftig einschränken und ihm „öko- oder klimafreundliche“ Produkte per „Ordre de Mufti“ aufzwingen, wie sonst ohnehin üblich, wie z. B. beim Verbot herkömmlicher Glühlampen. Der grundsätzliche Fehler bei E10 liegt darin, dass der Verbraucher noch eine Wahl hatte. Diese Wahlmöglichkeit muss ihm aus Sicht der Politik genommen werden. Das Primat (um nicht zu sagen: Diktat) der Klimapolitik wird deswegen künftig mit verschärftem Ordnungsrecht, mit Vorschriften, Verboten und Strafen umgesetzt werden. Was ist das Fazit hieraus? 1. Forderung nach Boykott von E10! 2. E10 soll aus klimaideologischen Gründen eingeführt werden, Climatetuth.com lehnt diese klimaideologischen Gründe ab 3. E10 ist ökologisch fragwürdig; keine deutliche CO2 Minderung 4. E10 ist moralisch fragwürdig wegen der „Tank oder Teller“ Problematik (Verdrängung von Anbaufläche zur Nahrungsmittelproduktion) 5. E10 führt zu anderen, gravierenderen Umweltproblemen in Entwicklungsländern (Urwaldrodung, Lebensraumvernichtung von Flora und Fauna) 6. E10 ist klimaökonomischer Irrsinn, da pro t CO2 die Minderungskosten die Schäden um ein Vielfaches übersteigen 7. Mögliche Motorschäden durch E10 8. Der öko-industrielle Komplex wird sich aber voraussichtlich dennoch durchsetzen, da die wirtschaftlichen Interessen der beteiligten Akteure an der Einführung von E10 zu tief verankert sind. 9. Der Verbraucher zahlt absehbar die Zeche über einen politisch verfügten Aufschlag auf die Kraftstoffpreise |
|