Geballte Ladung Klimakatastrophenpolemik



7. Februar 2014


Seit einiger Zeit wissen wir, dass internationale Institutionen, wie die UN, die Weltbank, oder auch die Internationale Energie Agentur IEA, einen klimapolemischen Kurs eingeschlagen haben, der mit dem der Umweltlobby Organisationen zu wetteifern scheint.
Da werden einfach wilde Behauptungen aufgestellt, niemand scheint sich auch nur im Geringsten die Mühe zu machen, einmal den Erkenntnisstand in der Fachliteratur abzuchecken.
Hauptsache es hört sich sensationsheischend und schockierend an und folgt in etwa dem Narrativ, das die Öffentlichkeit aus den Medien kennt (z. B. hier oder hier).

Im Grunde genommen braucht man zu dem Gesagten wenig hinzuzufügen, wenn man jetzt einen Beitrag von OECD Generalsekretär Gurria liest, der genau in die von der IEA, der Weltbank, dem Club of Rome etc. bekannten Schablonen hineinpasst. Gurria fordert das "Zero Emission Imperativ", weil, wenn wir die Emissionen nicht drastisch reduzieren, folgendes droht:

More important, the alternative – inaction, or too little action – would be far more expensive in the long run. Hurricane Sandy, for example, cost the US the equivalent of 0.5% of its GDP. The annual bill for flood protection in coastal cities worldwide is likely to rise above $50 billion by 2050. The consequences for developing countries are more dire: Typhoon Haiyan, which hit the Philippines in 2013, was a stark reminder of how vulnerable poor countries can be to climate change.

Also klassische Klimakatastrophenpolemik: Gurria impliziert, Hurrican Sandy und Taifun Haiyan seien natürlich eine Folge des vom Menschen verursachten Klimawandels.

In die gleiche Richtung geht auch ein Beitrag von Jeffrey D. Sachs, Professor of Sustainable Development, Professor of Health Policy and Management, and Director of the Earth Institute at Columbia University, also Special Adviser to the United Nations Secretary-General on the Millennium Development Goals, in den USA ein prominenter Frontkämpfer der Klimakatastrophe, mit dem Titel “Deep Decarbonization”.

Sachs eröffnet seinen Beitrag mit dem Hinweis auf eine Hitzewelle in Australien und Dürre in Kalifornien mit der klaren Implikation, der Mensch ist Schuld, wir müssen unsere Volkswirtschaften „tief de-karbonisieren“.
Man wundert sich eigentlich nur, dass die extreme Kältewelle in den USA im Januar 2014 in der Aufzählung fehlt; aber das wäre vielleicht doch etwas zu dick aufgetragen: Eine extreme Kältewelle als Folge der globalen Erwärmung?

Was folgt, ist die Forderung, dass wir der fossilen Energie abschwören und die Energieversorgung bis 2050 komplett auf Erneuerbare – Sonne, Wind, Geothermie – aber auch auf die CO2-freie Kernkraft umstellen müssen, um den Planeten zu retten und die Versorgung der Welt mit Nahrungsmitteln sicherzustellen.

Aber, bezogen auf die USA:

Unfortunately, a few oil companies (ExxonMobil and Koch Industries are the most notorious) have devoted enormous resources to sowing confusion even where there is clear scientific consensus.

Und:

Yet politicians are pursuing none of these policies adequately. Climate-change foes have spent billions of dollars to influence policymakers, support election campaigns by defenders of fossil fuels, and defeat candidates who dare to promote clean energy. The Republican Party as a whole attracts massive financial support from opponents of decarbonization, and these donors aggressively fight even the smallest step toward renewable energy

Ferner:

A few big players in the energy industry, showing no concern for truth (much less for our children, who will bear the consequences of our present folly), have teamed up with Rupert Murdoch. Indeed, Murdoch, the Koch Brothers, and their allies behave just like Big Tobacco in denying scientific truths; even use the same experts for hire.

Und schliesslich:

The situation is generally the same around the world. Wherever powerful lobbies defend existing coal or oil interests, politicians typically are afraid to tell the truth about the need for low-carbon energy. Brave politicians who do tell the truth about climate change are found mainly in countries that do not have a powerful fossil-fuel lobby.

Man fragt sich: Der Mann ist Professor? Professor für was? Agitation und Propaganda? Denn was er hier zum Besten gibt, kann man allenfalls als Agitprop bezeichnen, als Sammelsurium altbekannter aber in gewissen Kreisen (s. z. B. hier ) sehr beliebter Worthülsen und Feindbilder: Es gibt einen klaren Konsens in der Klimafrage, die Industrie und die konservative Presse haben Schuld, wenn die Politik keine Massnahmen gegen den Klimawandel ergreift.

Hört sich ein bisschen so an wie: Der US - Imperialismus, der westdeutsche Monopolkapitalismus, der Revanchismus und die Bonner Ultras haben Schuld daran, dass der Sozialismus in der Deutschen Demokratischen Republik nicht so erfolgreich ist, wie gehofft.

Ernsthaft: Wenn er das, was er hier an "Wahrheiten" verkündet, wirklich glaubt, ist es zwingend erforderlich, dagegen Stellung zu beziehen, was wir z. B. hier hier und hier bereits ausführlich getan haben, weswegen es eher müßig ist, das noch einmal zu paraphrasieren.

Aber in Kürze: Welchen Konsens gibt es denn? Dass CO2 ein Treibhausgas ist, dass es wärmer wird, wenn der CO2 Gehalt in der Atmosphäre zunimmt, dass es bereits etwas wärmer geworden ist? Soweit ist sicher ein Konsens da, aber damit hört es auch schon auf.

Keinen Konsens gibt es darüber, wie viel Treibhausgase zum beobachteten Temperaturanstieg beigetragen haben, um wie viel es in den kommenden Jahrzehnten wärmer wird, welche Auswirkungen diese Erwärmung auf Klimaextreme, wie Stürme und Überschwemmungen, auf die Natur und menschliche Aktivitäten haben wird.
Plakative Aussagen, wie „der Planet wie wir ihn kennen, wird aufhören zu existieren“ sind reine Polemik und Propaganda; nichts dergleichen wird eintreten.

Sachs übersieht offenkundig in seiner Polemik unter anderem, dass die globalen Temperaturen in den vergangenen Jahrzehnten erheblich weniger stark gestiegen sind, als von Klimamodellen errechnet, und dass eine Extrapolation der beobachteten Klimatrends bis 2050 evtl. zu einer Erwärmung von 0,5°C gegenüber heute führen könnte (0,13° pro Jahrzehnt mal 3,6, s. z. B. hier). Eine Erwärmung in dieser Größenordnung hätte mehr positive als negative Auswirkungen.

Die Kritik an der Klimapolemik ist keineswegs eine Verschwörung dunkler Mächte der fossilen Energiewirtschaft im Verein mit den konservativen Medien, sie erschliesst sich jedem, der die wissenschaftliche Fachliteratur aufmerksam verfolgt, was Jeffrey Sachs offenbar nicht tut. Oder zumindest liest und glaubt er nur das, was in sein Weltbild passt.

Richtig ist, dass in den USA überwiegend die konservativen Medien den Teil der Wissenschaft in die Öffentlichkeit bringen, der von den liberalen Medien und von Auguren, wie Jeffrey Sachs, standhaft ignoriert wird, wohl deswegen, weil es nicht in ihr und – unter Obama - das offizielle Regierungs Narrativ passt.

Wenn er meint, die Interessen der fossilen Energiewirtschaft würden eine Transformation zu einer de-karbonisierten Energiewirtschaft verhindern, muss man dagegen halten, dass es in gleicher Weise die wirtschaftlichen Interessen der Erneuerbaren Energien sind, die einen derartigen Übergang forcieren wollen (die allerdings in den Medien und in der öffentlichen Wahrnehmung die „bessere Presse“ haben).

Zudem scheint Sachs zu übersehen, dass die ExxonMobils und die Koch Brüder dieser Welt die ersten wären, die sich auf Erneuerbare Energien stürzen würden, wenn man damit Geld verdienen könnte.

Schlußendlich steht wirtschaftliches Interesse gegen wirtschaftliches Interesse, was wenig zur Wahrheitsfindung darüber beiträgt, wer die besseren Argumente hat, und ob das Klima wirklich gefährdet ist, oder nicht.

Auf der wissenschaftlichen Seite ist die Interessens - Situation eindeutig:

Weltweit werden von den Regierungen auf dem Wege staatlich geförderter Klima- und Umweltforschung jährlich mehrere Mrd. USD bzw. EUR ausgegeben; Forschung zu betreiben, die das von den Regierungen gewünschte Narrativ (nämlich, die Klimakatastrophe kommt, wir müssen die Volkswirtschaften der Welt tief de-karbonisieren) nicht bestätigt, ist in hohem Maße karriereschädlich.
Die Forschungsergebnisse laufen deswegen Gefahr, einen „Bias“ aufzuweisen, nämlich ein verzerrtes Bild der Realität zu liefern. Jeder, der selbst geforscht hat, weiß, dass man, je nachdem, welche Annahmen man an den Anfang setzt, die Forschungsergebnisse fast beliebig „strukturieren“ kann (GIGO: Garbage in, garbage out).

Jedes Forschungsergebnis steht und fällt mit der Prämissensetzung. Wenn man z. B. einen menschlichen Einfluss auf das Klima „nachweisen“ will, kann man die Eingangsannahmen so definieren, dass das gewünschte Ergebnis zwangsläufig herauskommt. Das ist weit verbreitet. Und das ist dann Teil der Wissenschaft. Ideologische Positionen einiger Klimaforscher beeinflussen ihre Forschungsergebnisse, wie die aus Climategate bekanntgewordenen e-mails gezeigt haben.

Die sogenannten Skeptiker in der aktiven Forschung halten sich daher eher bedeckt, wenn sie in Amt und Würden stehen, kommen meist erst aus der Deckung, wenn sie das Pensionsalter erreicht haben (der Autor kennt zahlreiche Fälle), oder sie leben am Rande der Existenz und hoffen darauf, endlich mal von ExxonMobil oder den Koch Brüdern einen dicken Scheck ausgestellt zu bekommen.
Was Jeffrey Sachs da erzählt, hat mit der Realität der Kritik an der Klimakatastrophenpolemik sehr wenig zu tun.

Sowohl Gurria als auch Sachs gehen, ohne dem Leser weitere Details zu präsentieren, davon aus, dass ein Übergang auf eine Deep Decarbonized Economy oder ein Zero Emission Imperativ bis 2050 so ohne weiteres möglich ist, und nur am mangelnden politischen Willen und am Lobbyismus der fossilen Energiewirtschaft scheitern würde oder könnte.

Gurria als Chef der OECD und deren Unterbehörde IEA sollte es eigentlich besser wissen. Man kann das Ziel ja anstreben, wenn man es für erforderlich hält, aber man sollte nicht behaupten, es sei einfach zu erreichen oder es würde nur am Widerstand von ExxonMobil und den Koch Brüdern etc. scheitern, wie Jeffrey Sachs zu implizieren scheint.

Gurria müsste wissen, dass ca. 85% der Weltenergieversorgung von fossilen Energieträgern abgedeckt werden. Die gesamte weltweite Infrastruktur, in der nicht nur Hunderte von Milliarden, sondern Billionen von USD/EUR stecken, basiert auf fossiler Energie.
Die Weltbevölkerung wächst weiter. 2050 werden mehr als 10 Mrd. Menschen auf der Welt leben. Auch sie wollen mit Energie versorgt werden. Sie wollen nicht arm bleiben, wie heute der größte Teil der Menschen in den Ländern der Dritten Welt. Der Weg aus der Armut führt nur über den Zugang zu Energie. Der Energieverbrauch wird steigen. Die Welt will und braucht mehr Energie. Bezahlbare Energie.

Bis 2050 könnte sich der Energieverbrauch der Welt Szenarien zufolge gegenüber heute fast verdoppeln, d. h. bis 2050 müsste Gurria und Sachs zufolge nicht nur der heutige Energieverbrauch dekarbonisiert werden, sondern auch der erwartete Zuwachs bis 2050, der etwa genauso groß sein könnte, wie der gesamte heutige Energieverbrauch der Welt.

In den Ländern der Dritten Welt muss bis dahin eine – für die Menschen dort bezahlbare – Energieinfrastrruktur aufgebaut werden. Vielleicht wird das dort (höhere Sonneneinstrahlung, günstigere Kostensituation im ländlichen Raum abseits vorhandener oder nicht vorhandener Stromversorgungsleitungen) teilweise mit Erneuerbaren möglich sein, wenn der Preisverfall bei Solarzellen so weitergeht, wie in der Vergangenheit. Aber auch dort besteht das Problem der intermittierenden Erzeugung, auch dort scheint die Sonne nachts nicht, auch dort ist das Problem der Stromspeicher ungelöst, auch dort ist der Flächenbedarf für Erneuerbare groß.

In den Industrieländern kämpfen Erneuerbare gegen die bestehende Infrastruktur an, in die Unsummen investiert worden sind. Der forcierte Ausstieg aus der fossilen Energienutzung würde ungeahnte Kapitalsummen vernichten, nämlich die gesamte bestehende Infrastruktur.
Es wäre praktisch wie ein Krieg: Das Bestehende wird zerstört, um es durch etwas zu ersetzen, von dem man weiß, dass es das Bestehende nicht ersetzen kann. Es kann einen Beitrag leisten, aber es kann es nicht ersetzen.

Man kann es gut finden, man kann es schlecht finden: Unsere gesamte Zivilisation, unsere Wirtschaft, unser Leben beruht auf der Nutzung fossiler Energien. Wenn wir sie beenden, bevor wir wissen, womit wir die fossilen Energien ersetzen, die uns die gleiche Zuverlässigkeit der Energieversorgung zu vergleichbaren Kosten garantiert, sollten wir uns über die Konsequenzen im Klaren sein.
Denn Erneuerbare können aus heutiger Sicht noch nicht einmal technisch das bestehende Energiesystem ersetzten (keine Stromspeicher), von den Kosten ganz zu schweigen. Sie können einen Beitrag leisten, aber keine Grundversorgung liefern. Und je höher die Netzdurchdringung mit unsteter Erzeugung ist, desto höher steigen die Kosten.

Zu behaupten, wie es Gurria und Sachs implizit tun, ein Übergang der weltweiten Energieversorgung auf Erneuerbare (Deep Decarbonization und Zero Emission Imperative) sei problemlos möglich, stellt eine Verzerrung der Realität dar.

Obwohl zumindest Gurria es besser wissen müsste, sagen beide der Öffentlichkeit die Unwahrheit. Sie verschweigen ihr, dass dies heute technisch nicht möglich ist und dass das, was technisch möglich ist, mit sehr hohen Kosten verbunden ist und absehbar bleiben wird.

Deep Decarbonization ist in den Industriestaaten mit erheblichen Einbußen bei Wohlstand, Wachstum und Beschäftigung verbunden und in den Ländern der Dritten Welt mit deutlichen Verzögerungen bei der Überwindung der Armut.

Die Wahrheit ist: Wir haben die Wahl, mit einer leichten Erwärmung leben zu müssen, oder mit massiven Wohlstandseinbußen bzw. mit massiven Verzögerungen bei der Überwindung der Armut in der Dritten Welt. Was wollen wir wirklich?