Harmloses Klimapaket der GroKo?

23. September 2019

Am Freitag, den 20. September 2019 hat das “Klimakabinett” der GroKo, begleitet von weltweiten Protesten der FFF Bewegung, ihr lange angekündigtes und von vielen sehnsüchtig erwartetes “Klimapaket” der Öffentlichkeit vorgestellt.

Wie hier bereits erwartet, stieß das Paket in den links – grünen Medien, also bei praktisch allen in Deutschland, auf Ablehnung. Viel zu wenig, CO2 Preis zu niedrig, Klimaziele werden dadurch nicht erreicht, lauteten die Urteile praktisch unisono.

Die Ablehnung des Pakets durch die links – grüne Bewegung könnte den Verdacht nähren, dass zwar die öko – revolutionäre Bewegung enttäuscht ist, aber dass für den Durchschnittsbürger, also für die große Mehrheit, was Positives, oder zumindest nicht ganz so Schlimmes wie befürchtet dabei herausgekommen ist.

Politik ist die Kunst des Möglichen und politische Entscheidungen sollten einen Ausgleich zwischen widerstrebenden, teils extrem unterschiedlichen, Interessen darstellen. Klimapolitik sollte die industrielle Grundlage Deutschlands nicht zerstören und den Bürger, der schlußendlich die klimapolitischen Beschlüsse der Bundesregierung bezahlen muss, nicht übermäßig belasten – zumindest in der Theorie.

Das Klimapaket besteht aus einer Reihe von Einzelmassnahmen, bei denen man darüber diskutieren mag, wie sinnvoll sie sind, ob sie vernünftig aufeinander abgestimmt, oder sogar teilweise widersprüchlich sind.

Wir wollen an dieser Stelle davon absehen, die einzelnen Massnahmen im Detail zu analysieren und uns der Frage der CO2 Bepreisung im Klimapaket zuwenden, die das zentrale klimapolitische Instrument darstellt.

Am strittigsten war dem Vernehmen nach die Frage nach einer CO2 Bepreisung. Diskutiert wurden die Modelle einer CO2 Steuer und eines nationalen Emissionshandels. Wir hatten hier beide Modelle betrachtet und aus Gründen der Einfachheit für eine CO2 Steuer plädiert, wenn man den schon die CO2 Emissionen (d. h. die fossile Energienutzung) über das bereits bestehende Maß hinaus weiter verteuern will.

Schlussendlich hat man sich für einen nationalen Emissionshandel in den Bereichen, die nicht vom Europäischen Emissionshandel EU – ETS abgedeckt werden (nämlich die Industrie und der innereuropäische Flugverkehr) entschieden.

Eine genauere Analyse des Klimapaketes erhellt, wieso man einen Emissionshandel gewählt hat.

Dazu heißt es im Klimapaket:

"Deutschland hat sich verpflichtet, seine Emissionen im Non-ETS-Bereich bis 2030 um 38% gegenüber 2005 zu mindern. Die Einhaltung der Einsparziele ist für jedes einzelne Jahr verbindlich: Erreicht ein Mitgliedsstaat die Ziele nicht, muss er für entsprechende CO2-Emissionszuweisungen durch Zukauf von anderen Mitgliedsstaaten sorgen."

Will heißen: Deutschland hat sich bereits vor einigen Jahren rechtlich verbindlich gegenüber der EU zu einer Reduzierung von Treibhausgasen in den Bereichen verpflichtet, die nicht dem EU – ETS unterliegen, und zwar um 38% gegenüber 2005.

Und weiter:

"Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist das Klimaschutzprogramm 2030 für Deutschland daher nicht nur sinnvoll, um höhere Schadens- und Anpassungskosten und den drohenden notwendigen Zukauf von Emissionszuweisungen aus dem Ausland bei Zielverfehlung zu vermeiden."

Will heißen: Das Klimapaket setzt die Klima – Verpflichungen Deutschlands im nETS Bereich gegenüber der EU um.

Hierzu soll ein nationales Emissionshandelssystem eingeführt werden:


"Die Bundesregierung wird ab 2021 eine CO2-Bepreisung für die Sektoren Verkehr und Wärme (Non-ETS-Sektor) einführen. Das nationale Emissionshandelssystem (nEHS) erfasst die Emissionen aus der Verbrennung fossiler Brenn-und Kraftstoffe (insbesondere Heizöl, Flüssiggas, Erdgas, Kohle, Benzin, Diesel). Dabei umfasst das System im Sektor Wärme die Emissionen der Wärmeerzeugung des Gebäudesektors und der Energie-und Industrieanlagen außerhalb des EU-Emissionshandelssystems (EU ETS).

Im Verkehrssektor umfasst das System ebenfalls Emissionen aus der Verbrennung fossiler Kraftstoffe, jedoch nicht den Luftverkehr, der dem EU-ETS unterliegt.

Zunächst wird ein Festpreissystem eingeführt, bei dem Zertifikate auf der vorgelagerten Handelsebene an die Unternehmen, die die Heiz-und Kraftstoffe in Verkehr bringen, verkauft werden.

Teilnehmer am nEHS sind die Inverkehrbringer oder Lieferanten der Brenn-und Kraftstoffe."

Dieses System entspricht in den wesentlichen Punkten in etwa dem, was wir hier skizziert hatten.
Die Emissionszertifikate sollen kostenpflichtig zugeteilt werden, beginnend mit 10 EUR/t CO2 in 2021 ansteigend auf 35 EUR in 2025.

10 EUR/t CO2 würde etwa 2,4 Cent pro Liter Benzin (und etwa 2,6 Cent pro Liter Diesel bzw. Heizöl entsprechen) plus 19% Mehrwertsteuer selbstverständlich, also etwa 3 Cent pro 10 EUR CO2 Steuer. Bei 35 EUR wären es dann etwas mehr als 10 Cent pro Liter.

Die Wut der Öko – Revolutionäre entzündet sich daran, dass die Preise für diese Zertifikate zu niedrig seien, d. h. daran, dass die Bürger nicht hoch genug belastet werden.

Man erkennt daran schon den fundamentalen Interessengegensatz zwischen der Grünen Bewegung und den Durchschnittsbürgern.

Nur haben die Kritiker am Klimapaket ein entscheidendes Detail übersehen:

"Werden in einem Jahr mehr Zertifikate ausgegeben, als es den Emissionszuweisungen für Deutschland entspricht, müssen aus anderen europäischen Mitgliedsstaaten solche zugekauft werden."

Die Frage ist, wie hoch sind die “Emissionszuweisungen für Deutschland”?

Die Antwort findet sich in dem sog. “Effort Sharing Agreement”, das z. B. hier näher erläutert wird:

Wie die Bundesregierung in ihrer Einleitung zum Klimapaket ausführt, hat sie sich verpflichtet, die Emissionen im nETS Bereich, also den Bereich, um den es hier geht, gegenüber 2005 bis 2030 um 38% zu reduzieren.

Dies würde ausgehend von 2021 einem mittleren jährlichen Minderungspfad von etwas mehr als 4% entsprechen.
Zum Vergleich: Im EU – ETS beträgt der mittlere jährliche Minderungspfad - 1,74 % zwischen 2013 und 2020 und – 2,24% zwischen 2021 und 2030.

Die Reduzierungsanforderungen an den nETS Bereich sind also wesentlich härter.

Für jedes einzelne Jahr wird dabei durch lineare Absenkung eine Emissionsobergrenze festgelegt (s. Abb. Z1 hier).

Daraus geht hervor, dass man ab 2021 im nETS Bereich in allen Folgejahren bis 2030 mit höheren Emissionen rechnet, als den nach dem Effort Sharing Agreement zulässigen.

Für den Emissionshandel, den die Bundesregierung ab 2021 einführen will, kann man daraus schließen:

Es findet für die einzelnen Jahre eine kostenpflichtige Zuteilung von Zertifikaten in der Menge statt, die dem nach dieser Vereinbarung zulässigen Wert für das jeweilige Jahr entspricht.

Überschreiten die tatsächlichen Emissionen diesen Wert, muss die Bundesregierung die fehlenden Emissionszertifikate “aus anderen EU Ländern” hinzukaufen.

Man kann davon ausgehen, dass die Kosten dieses Hinzukaufs nicht vom Staat getragen werden, sondern dem Emissionshandelsbereich, d. h. dem Bürger auferlegt werden.

Die entscheidende Frage ist dann: Wer hat aus anderen EU Ländern eigentlich Emissionsrechte zu verkaufen? Man muss davon ausgehen, dass sich die übrigen EU Länder in einer ähnlichen Situation befinden, wie Deutschland, nämlich, dass sie das ihnen zugeteilte Emissionsbudget überschreiten.
Dann entsteht die Situation, dass alle kaufen müssen und keiner etwas zu verkaufen hat. Die Preise für Emissionsrechte explodieren – und zwar auf ein Vielfaches der 10, 20 oder 30 EUR, die der Staat für die Ausgabe der “erlaubten” Emissionsrechte verlangt.

Zudem ist unklar, wie das Handelssystem in den Details ausgestaltet wird.

So ist z. B. denkbar, dass die Emissionsrechte für das jeweilige Jahr den Teilnehmern am Handel zu den jeweiligen Preisen (10, 15, 20 EUR usw.) zum Jahresanfang ausgereicht werden. Die Rechte gehen dann z. B. in das Eigentum eines Mineralölhändlers über. Für die Rechte besteht dann ein eigener, geregelter Markt. Nun kann es sein, dass aufgrund irgendwelcher Ereignisse, Verknappungssignale, Spekulation usw. im Laufe des Jahres am Markt der Preis für die Zertifikate steigt.

Der Zertifikatepreis wird dann zu aktuellen Marktpreisen (und nicht zu den Preisen, zu denen die Bundesregierung die Emissionsrechte zugeteilt hat!) auf den Benzin, Heizöl oder Dieselpreis aufgesattelt. Wenn der Marktpreis also höher liegt, hat der Händler einen schönen Extraprofit gemacht.

Das heißt: Dieses Emissionshandelssystem ist ein ungedeckter Scheck auf die Zukunft und die Kosten, die auf die Bürger zukommen könnten und wahrscheinlich auch werden, sind um einiges höher, als es jetzt den Anschein hat.

Denn die Kosten enstehen nicht nur durch die kostenpflichtige Ausreichung der “erlaubten” Emissionsrechte und mögliche Preissteigerungen dieser Rechte im Handelssystem, sondern durch den wahrscheinlichen und sehr teuren Zukauf von Emissionsrechten aus dem EU Ausland, der dem Emissionshandelsbereich, und somit dem Bürger, in Rechnung gestellt werden wird.

Trotzdem wird durch einen Emissionshandel das klimapolitische Minderungsziel zwingend durch die genau festgelegte Anzahl von Emissionsrechten erreicht, weswegen dieses Instrument sehr stringent ist.

Deswegen ist das Klimapaket der Bundesregierung kein mutloses Paket , wie Umweltlobby – Gruppen und die überwiegend grünen Medien behaupten, sondern so stringent, wie es nur sein kann.

Nur: Die Kosten sind halt nicht vorhersehbar. Und sie können sehr hoch sein.

Das weiß die Bundesregierung auch, deswegen hat sie sich im Klimapaket nur sehr sehr vage ausgedrückt. Es wird mit Sicherheit nicht bei den 10, 20 oder 30 Euro/t CO2 bleiben, zu denen die Emissionsrechte ausgereicht werden sollen. Das geht allein schon aus den Abschätzungen hier hervor, s. Abb. Z1, die auf erhebliche Knappheit für Emissionsrechte hindeuten.

Allein die Belastung der Bürger durch die kostenpflichtige Ausreichung der “erlaubten” Emissionszertifikate dürfte in der Eingangsstufe von 10 EUR/t CO2 (inkl. 19% Mehrwertsteuer) bei etwa 3 Mrd. EUR liegen, bei 35 EUR/t CO2 dann entsprechend bei ca. 10 – 11 Mrd. EUR, die der Staatskasse zufliessen.

Eine teilweise Kompensation dieser Steuererhöhungen (Die kostenpflichtige Ausreichung von Emissionszertifikaten wirkt wie eine Steuer, das sollten auch Claudia Kemfert und Ottmar Edenhofer wissen) soll in Form einer Senkung der Stromsteuer in Höhe von 0,25 Cents pro kWh stattfinden – ein schlechter Scherz, der genau das bestätigt, was wir hier bereits vermutet hatten.

Auch die Erhöhung der Pendlerpauschale ab dem 21. Kilometer um fünf Cents ist bestenfalls weiße Salbe und wird diejenigen, die weite Strecken zu ihrem Arbeitsplatz fahren müssen, nicht dazu veranlassen, ihr Haus im Grünen zu verkaufen und sich eine mit Sicherheit teurere Wohnung in der Stadt zu nehmen.

Hilfreicher könnte da schon die Förderung von Heizungsmodernisierungen sein, da die Brennstoffeinsparungen die Preiserhöhungen für Brennstoffe zumindest teilweise kompensieren könnten.

Das alles haben offenkundig weder die öko – sozialistischen Medien, noch die FFF Bewegung erkannt, die stattdessen behaupten, das Klimapaket sei zu schwach und sich daran abarbeiten, alles noch teurer zu machen.

Die Bundesregierung wird sich mit Sicherheit der Kostenproblematik durch ein Emissionshandlessystem bewußt sein, denn sie administriert ja bereits das EU – ETS für den Industriebereich und sie weiß deswegen, wie ein Emissionshandelssystem funktioniert.

Zudem wird hier ja genau dargelegt, welche Sanktionsmechanismen existieren (Vertragsverletzungsverfahren?) und welche Kosten entstehen könnten, obwohl heute natürlich niemand weiß, wie hoch in einigen Jahren die Preise für Emissionsrechte aus anderen EU Staaten sein werden.

Das alles gibt Anlass zur Vermutung, dass der Bundesregierung völlig klar ist, dass ein Emissionshandelssystem extrem teuer werden könnte (nicht wegen der Kosten für die “erlaubten” Emissionen, sondern wegen möglicher Preissteigerungen im System und wegen der Emissionsrechte, die zugekauft werden müssen).

Sie hat wohl eher darauf gesetzt, die wahren Kosten der Öffentlichkeit vorzuenthalten, um die Akzeptanz für ihr Klimapaket auf der Seite der Betroffenen, den Bürgern, nicht zu gefährden, wenn es denn auf der Seite der Öko – Extremisten ohnehin schon keine Akzeptanz findet.

Denn die Wahl eines Emissionshandelssystems als zentrales klimapolitisches Instrument zur Zielerreichung bis 2030 garantiert die Zielerreichung, vermeidet unangenehme Diskussionen über eine CO2 Steuer, verschleiert die wahren Kosten der Zielerreichung, die erst im weiteren Verlauf etwa in 2023 – 2025 zutage treten (wenn die jetzige Regierung ohnehin nicht mehr am Ruder ist – das ist dann das Problem der nächsten Regierung, die sich dann damit herumärgern kann) und lässt sich als Marktmechanismus darstellen, obwohl die CO2 Reduktion durch stramme ordnungrechtliche Festlegung von Emissionsobergrenzen erfolgt, deren Einhaltung durch eine festgelegte Anzahl von Emissionsrechten kontrollierbar und sanktionierbar ist.

Mal sehen, wie lange es dauert, bis sich dieser Sachverhalt einer breiteren Öffentlichkeit erschliesst, und ob dann das Gerede von der “Mutlosigkeit in der Klimapolitik” weiter andauert.