Klimarepublik Deutschland 2020




7. Juni 2011


Vielleicht ist der Begriff „Energiewende“ missverständlich für Viele: Es geht nicht nur um den Ausstieg aus der Kernenergie und darum, das Loch was die Kernenergie hinterlassen wird, durch Wind und Sonne zu füllen, sondern es geht schlussendlich darum, das Energiekonzept 2050 der Bundesregierung von September 2010 umzusetzen: Nämlich die nahezu vollständige De-karbonisierung der Volkswirtschaft bis 2050, um die 40 %ige CO2 Minderung bis 2020 – und das nicht nur in Deutschland sondern auch in der EU sollen die CO2 Emissionen bis 2050 um mindestens 80% und bis 2020 um ca. 30% gegenüber 1990 reduziert werden.

Hierüber gibt es sehr wenig Dissens zwischen Rot-Grün und Schwarz-Gelb, die heiße Debatte über den Atomausstieg hat vielleicht den Blick hierauf etwas verstellt.

Der WBGU hat mit seinem Vorschlag einer „Grossen Transformation“ den Weg in die klimafreundliche Zukunft gewiesen, und hat sich viel Kritik damit eingehandelt; die Diskussion reichte hin bis hin zum Vorwurf, der WBGU würde einer Öko Diktatur das Wort reden.

Die Kritiker haben aber verkannt, dass es zur Umsetzung der Vorschläge des WBGU keiner Öko- oder Klimadiktatur bedarf, sondern nur einer konsequenten Weiterentwicklung des bereits heute bestehenden klimapolitischen Instrumentariums, begleitet von aufklärerischen volkspädagogischen Maßahmen zur Schärfung des öffentlichen Bewusstseins für die notwendigen Anforderungen des moralisch erforderlichen Klimaschutzes, nämlich unseren Lebensstil zu ändern und Emissionen zu senken.

Climatetruth will hierzu einen Beitrag leisten und Vorschläge unterbreiten, wie dieses Ziel erreicht werden kann. Wir wollen vergleichbar zur Agenda 2010 eine Klimaagenda 2020 entwickeln.

Die Klimarepublik Deutschland 2020 könnte in etwa folgendermaßen ausschauen:


- Verfassungsänderung, Klimaschutz d. h. die mindestens 80% Absenkung der Klimagasemissionen bis 2050 wird in der Verfassung verankert

- Umbenennung der Bundesrepublik Deutschland in Klimarepublik Deutschland

- Neugestaltung des Deutschlandliedes; die erste Strophe darf wieder gesungen werden, allerdings nur in folgender Fassung: „Klima, Klima über alles, über alles in der Welt……….“

- Der Nationalfeiertag Deutschlands wird vom 3. Oktober auf den 10. Dezember verlegt (Tag der Unterzeichnung des Kyoto – Protokolls 1997; alternativ denkbar wäre der 18. Februar, Tag des Inkrafttretens des Kyoto - Protokolls 2005)


Vor allem wollen wir den zentralen klimapolitischen Gedanken des WBGU aufgreifen, die Klimagasemissionen Deutschlands durch eine strikte staatlich festgelegte Emissionsmengenbegrenzung zu mindern, die das zielgenauere Instrument der Emissionslenkung darstellt als eine CO2 (oder Klimagassteuer).

Die Emissionslenkung und -begrenzung ist bereits heute für die europäischen Industrieunternehmen Realität. Sie wird ab 2013 verschärft, bis 2020 sollen die Emissionen der Industrieanlagen gegenüber 2005 um 20% reduziert werden. Das System wird in Deutschland von der Deutschen Emissionshandelsstelle (DEHSt), einer Unterbehörde des Umweltbundesamtes UBA, verwaltet.

Obwohl sich dieses System „Emissionshandel“ nennt, ist es in erster Linie ein Rationierungssystem für Kohlenstoff, bzw. präziser, für Kohlendioxidemissionen.

In diesem System werden den hierdurch erfassten Anlagen für jedes Jahr Emissionsrechte in Höhe der politisch gewünschten Höhe zugeteilt. Die tatsächlichen Emissionen dieser Anlagen werden von der DEHSt mit einem stringenten Monitoring System überwacht.
Hat eine Anlage mehr emittiert, als sie durfte, müssen die fehlenden Emissionsrechte nachgereicht werden, zudem wird eine saftige Strafe in Höhe von EUR100 pro t CO2 fällig. Die Rechte können auf dem hierfür eingerichteten Finanzbörsen erworben werden. Hat eine Anlage weniger emittiert, als ihr zusteht, kann sie die überschüssigen Rechte an diesen Börsen veräußern.

Ohne auf die Einzelheiten, die Vor- und Nachteile dieses Rationierungssystems weiter einzugehen, schlägt climatetruth vor, es auf alle gesellschaftlichen Bereiche auszuweiten, besonders, es auf die Ebene des Bürgers zu bringen.

Hierbei soll besonders der Gedanke berücksichtigt werden, dass jedem Bürger pro Kopf nur eine bestimmte Menge an Treibhausgasemissionen zustehen sollen; sogar Kanzlerin Merkel hat sich für dieses Ziel ausgesprochen, warum soll es dann nicht zuerst in Deutschland wegweisend umgesetzt werden? Deutschland würde dann seiner Vorbildfunktion im Klimaschutz wirklich gerecht werden.

Ausgehend von 1990 – dem Jahr, auf das sich viele Minderungsziele, so auch die des Kyoto Protokolls beziehen - wird jedem Bürger eine bestimmte Menge an Treibhausgasemissionen in Form von Emissionsrechten zugewiesen, quasi eine "Klimakopfpauschale", die dann jedes Jahr nach Beginn der Einführung linear etwas abgesenkt wird, um in 2020 eine Minderung von 40% und in 2050 um 80% gegenüber 1990 zu erzielen.

Um das zu erreichen, erhält jeder Bürger für jedes einzelne Jahr einen Treibhausgasemissionsberechtigungsschein (TGBS) in Form einer Chip-Karte zugewiesen, auf der sein persönliches Klimagaskonto hinterlegt ist, so wie z. B. die Einzahlungen jeden Bürgers in die Rentenversicherung. Diese Chipkarte muss bei jeder geschäftlichen Transaktion, d. h. käuflichen Erwerbs egal welcher Ware, mit einem Chipkartenleser, die alle Verkaufsstellen verpflichtend einführen müssen, gelesen werden, damit das Treibhausgaskonto mit der Klimagasemission der gekauften Ware belastet werden kann.

Zur Ermittlung der Klimagasemission jeder der im Handel befindlichen Waren wird eine neue, dem UBA unterstellt Behörde gegründet, nämlich das Treibhausgasemissionsamt, (THA) das für jede in Deutschland verkaufte Ware die Treibhausgasemissionen ermittelt.
Hierfür werden 2000 neue Mitarbeiter eingestellt, zudem werden die Computerkapazitäten deutlich ausgeweitet. Die dadurch entstehenden Kosten werden demjenigen auferlegt, der die Ware in den Verkehr bringt.

Das THA ermittelt dann die Treibhausgasemissionen nicht nur eines Liters Heizöls oder Benzins, oder eines Kubikmeters Erdgases, was ja noch einfach ist, sondern aller Waren, wie z. B. eines Kilos Schweine-, Rinder- oder Hühnerfleisches, eines Brötchens, eines Vollkorn oder Weißbrots, unterschieden nach Bio oder normal, eines Paares Tennisschuhe, einer Jeans, etc, etc. einfach alles.
Erfasst hierbei werden neben den direkten Emissionen durch den Verbrauch der Ware auch die indirekten Emissionen durch Herstellung, Transport, und Lagerung (z. B. Kühlhäuser), als auch die durch Düngung anfallenden Emissionen von Lachgas, N2O oder Methan, CH4 durch Wiederkäuer wie Kühe oder Schafe.

Bei Zeitungen wird genau unterschieden, welche Papierart zum Drucken verwendet wurde , Hochglanzpaper, wie z. B. Spiegel, oder einfacheres Papier, wie z. B. Bild, Welt, SZ oder Zeit. Selbst bei Toilettenpapier hat 4-lagiges Papier eine andere Treibhausbilanz als 2-lagiges, Papierverpackungen haben eine andere als Plastik, ein Fiat 500 eine andere als ein neuer Porsche Boxter, nicht auf den Spritverbrauch bezogen, sondern auf die Emissionen bei der Herstellung.

Die Festlegung von Treibhausgas Emissionsbudgets auf der Grundlage von in den Handel gebrachten und verkauften Waren hat den Vorteil, dass nicht nur die Emissionen einer in Deutschland hergestellten Ware erfasst werden, sondern auch die der importierten. Berücksichtigt man nämlich diese Güter, sind die durch Deutschland verursachten Emissionen deutlich höher, als wenn man nur die direkten, in Deutschland erfolgten Emissionen berücksichtigt.

Gerechterweise müssten dann dem nationalen Budget die Emissionen durch exportierte Waren abgezogen werden. Dies widerspricht aber dem Gedanken, dass Klimaschutz anspruchsvoll sein und Deutschland eine Vorbildfunktion ausüben soll, und es kann nicht sein, dass erforderliche Emissionsminderungen in Deutschland durch Produktionsverlagerungen ins Ausland unterlaufen werden, bzw. dadurch, dass deutsche Produkte durch importierte ersetzt werden, deren Emissionen nicht mehr unter das deutsche Budget fallen und so Treibhausgasminderungen in Deutschland vortäuschen.

Insofern ist der hier vorgeschlagene Weg der bessere, denn er nimmt den Bürger in die Pflicht, seinen CO2 Footprint und seinen Treibhausgas Footprint insgesamt zu mindern.
Zudem gibt es ihm Gelegenheit, die Ernsthaftigkeit seines Bekenntnisses zur Idee des Klimaschutzes unter Beweis zu stellen. Insofern wird dies auch der volkspädagogischen Aufgabe gerecht, die Erfordernisse des Klimaschutzes tiefer im öffentlichen Bewusstsein zu verankern.

Die Ermittlung der Emissionen bei der Herstellung dieser Waren stellt im Zeitalter der Supercomputer kein besonderes Problem mehr dar, genauso wenig wie die Nachverfolgung des Budgets einzelner Bürger durch die Chipkartenleser im Einzelhandel.

Jedem Bundesbürger wird durch den Zentralcomputer des THAs ein bestimmtes Treibhausgasemissionsbudget zugeteilt, das vom 1. Januar eines Jahres bis zum 31. Dezember reicht. Das wichtige hierbei ist die Betonung auf Jedem, also auch Säuglinge, Schulkinder, Arbeitslose, Hartz IV Empfänger, Kranke, Rentner, Altersheiminsassen usw.

Jeder Bürger kann dann nachvollziehen, um wie viel sein Treibhausgaskonto bei jeder Transaktion belastet wird, das heißt, bei jedem Mal Tanken, Erdgas- Erdöl- oder Stromrechung bezahlen, bei jedem Buchen einer Flugreise, bei jeder Bahnfahrt, bei jedem Kauf einer Packung Pampers, einer Bild-Zeitung, eines Schnitzels, einer Tafel Schokolade oder von 10 kg Kartoffeln verringert sich der Kontostand weiter.

Die Gastronomie wird vom THA verpflichtet, die Treibhausgas Emissionen der von ihr angebotenen Speisen zu ihren Kosten zu ermitteln und ihren Kunden per Chip-Karte abzubuchen.

Familien haben jetzt einen großen Vorteil gegenüber Alleinstehenden: Der Emissionsscheinbedarf für Strom, Heizung und zumeist auch für Benzin ist für eine 3-köpfige Familie zwar höher als für Alleinstehende, aber wesentlich geringer als für drei Alleinstehende, denn z. B. für die Heizung oder den Betrieb eines Kühlschranks oder Fernsehers ist es gleichgültig, ob in einer Wohnung eine oder drei Personen leben. Lediglich der Warmwasserverbrauch steigt proportional zur Kopfzahl.

Will heißen: Eine 3-köpfige Familie, die ja über drei Chipkarten verfügt, braucht ihre zugeteilten Emissionen deutlich weniger schnell auf, als drei Alleinstehende.

Gleiches gilt für Arbeitslose, Hartz IV Empfänger, Rentner und Altenheiminsassen, die am öffentlichen Leben weniger intensiv teilnehmen als normale Arbeitnehmer und deswegen weniger Treibhausgase emittieren. Hartz IV Empfänger und demente Altenheiminsassen fahren z. B. weniger Auto oder fliegen weniger oft auf die Malediven in Urlaub.

Der Charme des Systems ist nun: Sollte das Treibhausgaskonto eines Bürgers, der viel emittiert, sagen wir im Oktober überzogen sein, dann kann er von denjenigen, die ihres nicht ausgeschöpft haben, wie z. B. Rentnern oder Hartz IV Empfängern, gegen einen Preis, den das THA ermittelt, Emissionsrechte erwerben und sein Treibhausgas Konto wieder aufladen.

Mit anderen Worten: Es findet ein Ausgleich zwischen denjenigen Bürgern statt, die wenig Treibhausgase und denen, die viel emittieren. Das heißt, hier findet durch die Klimapolitik auch ein Sozialausgleich statt: Sozial Schwache, die wenig Treibhausgase emittieren, können die Ihnen zugeteilte Menge an einkommensstärkere Bürger veräußern. Klimapolitik ist somit auch Sozialpolitik.

Ferner kann jeder Bürger, wenn er absehen kann, dass sein Treibhausgas Konto aufgebraucht sein wird, frei entscheiden, was er machen will, wenn er kein Geld hat, Emissionsrechte zuzukaufen. Auf eine Flugreise oder einen Urlaub verzichten, die Wohnung etwas weniger stark heizen, und einen warmen Pullover tragen, weniger Fleisch essen, zu Fuß zur Arbeit gehen oder mit dem Fahrrad Einkaufen fahren statt mit dem Auto, es gibt viele Möglichkeiten. Die Freiheiten des Bürgers werden durch dieses System nicht eingeengt, sondern er hat im Gegenteil hierdurch zusätzliche Entscheidungsfreiheiten gewonnen.

Im Prinzip ist dies das aus der Kriegs- und Nachkriegszeit bekannte System der Zuteilung von Waren „auf Marken“, der Tausch von Waren und Dienstleitungen findet aber nicht wie damals auf dem Schwarzmarkt, sondern auf durch das Treibhausgasemissionsamt staatlich regulierten Märkten elektronisch statt.

In jedem aufeinander folgendem Jahr wird den Vorgaben der Klimapolitik entsprechend auf dem Treibhausgaskonto weniger gutgeschrieben, sodass jedes Jahr etwas mehr eingespart oder auf etwas mehr verzichtet werden muss.

Geburten und Todesfälle können problemlos dadurch berücksichtigt werden, dass das Gesamtbudget für jedes Jahr ja fest steht, und dann nur auf die veränderte Kopfzahl neu aufgeteilt werden muss.

Zur Einführung dieser Maßnahmen, nämlich der globalen staatlichen Emissionssteuerung bedarf es also nicht einer Klimadiktatur, sondern nur eines politischen Willens zur Einführung einer stringenten Treibhausgasrationierung auf Bürgerebene, also eines starken Staates, wie vom WBGU implizit gefordert.

Der Verzicht auf einen treibhausintensiven Lebensstil und Lebensstil Änderungen ergeben sich durch die Klimagasrationierung dann zwangsläufig, ohne dass weitere Zwangsmaßnahmen erforderlich sind.

Den WBGU kann man halt im Grunde als sehr weitsichtig interpretieren.

Willkommen in der schönen neuen Klimawelt!