Obamas Rache

6. Juni 2014

Am 2. Juni 2014 hat US Präsident "Bronco Bamma" seinen lang erwarteten Plan vorgestellt, die CO2 Emissionen aus der Stromerzeugung in den USA zu reduzieren. Vorausgegangen war ein intensiver PR Drive, um die Öffentlichkeit darauf einzustimmen, angefangen mit seiner Rede an der Georgetown Universität im Juni 2013, bis hin zur Veröffentlichung des US National Climate Assessments vor einigen Wochen, in dem er deutlich zu machen versucht hat, was passiert, wenn man die CO2 Emissionen nicht begrenzt.

Vorausgegangen im Jahre 2009 war sein Versuch, in den USA – ähnlich wie in der EU – zur Minderung von CO2 Emissionen ein Emissionshandelssystem zu etablieren. Dieses Vorhaben scheiterte an der Ablehnung des US Senats. Bereits seinerzeit verkündete Obama, dass es mehrere Möglichkeiten gäbe, „der Katze das Fell über die Ohren zu ziehen“.

Diesen Weg der Klimapolitik am Kongress und am Senat vorbei hat er dann konsequent beschrittten. In einem ersten Akt hat die US Umweltbehörde EPA für neue Kohlekraftwerke Emissionsgrenzwerte festgelegt, die mit bekannten technischen Massnahmen nicht erreichbar sind, sondern nur durch die Anwendung der sog. CCS Technologie im grosstechnischen Maßstab, wodurch die Erzeugungskosten sich in etwa verdoppeln würden und die Errichtung neuer Kohlekraftwerke im Vergleich zu Gaskraftwerken völlig unwirtschaftlich würde. Da Erdgas in den USA im Vergleich zu Europa sehr billig ist, würden neue fossile Kraftwerke dann nicht mehr auf Kohlebasis, sondern nur noch auf Erdgasbasis gebaut. Die Verkündung dieser technisch nicht realisierbaren Grenzwerte für Kohlekraftwerke bedeutet demnach de facto ein Bau - Verbot für neue Kohlekraftwerke.

Der am 2. Juni 2014 vorgestellte 645 Seiten Plan zielt auf den bestehenden Kraftwerkspark ab. Ziel ist es, die CO2 Emissionen der Stromerzeugung landesweit bis 2030 gegenüber 2005 um 30 % zu reduzieren. Die CO2 Emissionsvorgaben (in lb CO2/MWh fossil erzeugten Stroms) des Plans differenzieren sehr stark zwischen den einzelnen Bundesstaaten und versuchen der jeweiligen Situation in den einzelnen Staaten gerecht zu werden, was ein politischer Schachzug ist, um einer absehbaren Klagewelle dieser Staaten gegen die EPA etwas die Spitze zu nehmen.

Der Plan setzt im Grundsatz auf drei Strategien:

1. Einen fuel – switch von Kohle auf Gas (da die Emissionsvorgaben mit Kohlekraftwerken nicht einzuhalten sind)

2. Ausbau von Erneuerbaren Energien

3. Demand – side management; d. h. Verringerung des Stromverbrauchs durch mehr Effizienz im Verbrauchsbereich

Die EPA ist der Auffassung, dass ein fuel – switch technisch machbar und zudem ökonomisch sinnvoll ist, womit sie Recht haben dürfte, denn bereits zwischen 2005 und heute ist der Anteil der Kohle in der Stromerzeugung von ca. 50% auf ca. 39% gesunken, eben weil Erdgas billig ist.
Der Feind der Kohle in den USA ist in erster Linie nicht die Umweltpolitik, sondern das billige Erdgas .

Allerdings muss Erdgas nicht für ewige Zeiten billiger als Kohle bleiben; seit 2012 hat sich der Erdgaspreis bereits verdoppelt (von ca. $2 – 2,5 pro MBTU auf $4 – 5 MBTU). Im vergangen Winter, der im Osten der USA extrem kalt war, ist der Erdgaspreis zeitweise auf über $6 gestiegen, was dazu geführt hat, dass statt Erdgas wieder Kohle zur Stromerzeugung eingesetzt wurde. Steigt Erdgas dauerhaft auf über $6, wird Kohle wieder attraktiver in der Stromerzeugung.

Im Ergebnis bedeuten die Zielvorgaben der EPA, dass der Kohleeinsatz bis 2030 nicht stärker zurückgefahren würde (von ca. 39 auf 32%), als zwischen 2005 und 2012 ohnehin schon. Deswegen erscheint das Protestgeheule von Teilen der Industrie wenig glaubhaft, obwohl in einigen Staaten, in denen die Stromerzeugung besonders kohlelastig ist, nachteilige Auswirkungen auf den Kohlebergbau nicht ausgeschlossen werden können, wie z. B. in Illinois, Indiana, Kentucky und West – Virginia.
Dies nimmt Obama aber in Kauf, es ist der Preis für seine Klimapolitik.

Beim Ausbau erneuerbarer Energien gibt es keinen bundesweiten Plan wie in Deutschland, sondern jeder Bundesstaat hat seine eigenen Vorstellungen und soll sie nach dem Willen der EPA auch behalten.

Um den Plan zu versüßen und in der Öffentlichkeit akzeptabler zu machen, werden ferner die positiven Auswirkungen auf die Lufthygiene herausgestrichen, denn mit der Reduzierung des Kohleeinsatzes in Kraftwerken sinken auch die Emissionen von Luftverunreinigungen wie Feinstäube, Schwefeldioxide und Stickoxide. Die Luft wird sauberer und nachteilige Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit werden verringert.

Das wirkt allerdings aufgesetzt und riecht nach politischer Effekthascherei, denn wäre es Obama (und der EPA) um die Verbesserung der Luftqualität gegangen, hätten sie stringente Emissionsgrenzwerte für eben jene Luftverunreinigungen fordern können, mit denen durch Abgasreinigung – wie in Deutschland und in der EU seit den 1980er (bzw. den 1990er) Jahren – über 90% des Schadstoffausstoßes entfernt werden kann, und nicht nur 20 - 30% wie nach dem EPA Plan. In dem Punkt hinkt der Umweltschutz in den USA tatsächlich hinter Europa und Deutschland her.

Obama hat also seinen Plan, sich an denen zu rächen, die ihm 2009 die Zustimmung zu seinem Emissionshandel verweigert haben, sukzessive in die Tat umgesetzt. Für Kohlekraftwerke wäre ein Emissionshandel möglicherweise besser gewesen als die jetzigen Regelungen für Bestands- und Neuanlagen. Denn – einmal abgesehen davon, dass der Kohleeinsatz wegen des billigen Gases ohnehin zurückgegangen ist –, wäre ein Emissionshandel ohne die Vorgabe von Effizienz- oder Emissionsgrenzwerten (wie jetzt geplant) besser gewesen, weil dann Emissionsminderungen in Kohlekraftwerken durch Stillegung von ineffizienten Altanlagen und Neubau effizienterer, aber technologisch machbarer Neuanlagen hätten erzielt werden können oder aber durch Zukauf von Emissionsrechten bei Weiterbetrieb der Altanlagen.
Wie in Deutschland hätten die Anlagenbetreiber (die EVUs) die Kosten für den Zukauf von Emissionsrechten (oder den Neubau von Kraftwerken) einfach auf den Strompreis aufschlagen können und wären so aus der Bedrouille gekommen.

Dies hätte auch eine flexible Reaktion für den Fall ermöglicht, das der Gaspreis wieder einmal ansteigt und der Kohleeinsatz günstiger wäre, weil dann die höheren CO2 Emissionen über den Zukauf von Emissionsrechten hätten abgefedert werden können (unter der Voraussetzung dass Gas plus Emissionsrechte für Gas teuerer sind als Kohle plus Emissionsrechte).

So hat sich für die betroffenen Wirtschaftszweige die seinerzeitige Ablehnung des Emissionshandelssystems als Pyrrhus Sieg erwiesen, weil das, was sie jetzt bekommen, potentiell schlimmer ist.

Dass die beabsichtigten Emissionsminderungen klimatisch irrelevant sind, sei an dieser Stelle nur en passant erwähnt; aber darum geht es natürlich nicht, sondern Klimapolitik ist Symbolpolitik, und Obama hat hier ein symbolisches politisches Zeichen gesetzt, das links alternative Spektrum der demokratischen Partei und die verschiedenen Umweltorganisationen von EDF bis Sierra Club jubeln ihm zu und lieben ihn noch etwas mehr als ohnehin schon.