Debattenmuster der Energiekrise

20. September 2022

Deutschland und Europa stehen in der schwersten Energiekrise seit Bestehen der Bundesrepublik. Diese Krise ist schwerwiegender als die Ölkrisen 1973/74 und 1979/81, da es sich seinerzeit “nur” um eine Ölkrise handelte. Diesmal sind aber alle fossilen Energieträger – Kohle, Öl und Gas, sowie Strom - von dramatischen Verteuerungen betroffen, die jegliches Vorstellungvermögen übersteigen.

Der drastische Energiepreisanstieg setzte in der zweiten Jahreshälfte 2021 ein und beschleunigte sich nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine.

Der Rohölpreisanstieg erreichte seinen Höhepunkt kurz nach dem Einmarsch Anfang März; in den Folgemonaten bis Anfang Juni verharrte er unter Schwankungen auf hohem Niveau und ist seither von über 120 auf etwa 90 USD gefallen.

Dieser Preisrückgang hat sich in Deutschland bei den Ölprodukten allerdings nur zögerlich und bei Diesel und Heizöl überhaupt nicht ausgewirkt. Einer der Gründe dafür, neben der wohl deutlich gestiegenen Raffineriemarge (Stichwort Windfall Profits) ist der gestiegene Dollarkurs (von ca. 1,14 im Februar auf Parität 1,00 gegenwärtig), durch den sich Rohölimporte um über 10% verteuert haben.

Obwohl die gegenwärtige Energiekrisendebatte auf die Gasversorgung fokussiert zu sein scheint, sollte man nicht außer acht lassen, dass sich auch die Heizölpreise seit Ende 2020 mehr als verdreifacht haben (von ca. 45 Cents pro Liter auf ca. 1,60 EUR).

Das größten Probleme, die in Politik, Medien und Öffentlichkeit am ausgiebigsten diskutiert werden, sind die Gasversorgung und die Gaspreise.

Deutschland hat vor dem Ukraine Krieg ca. 50% seines Erdgases aus Russland bezogen.

Deutschland bezieht seit Anfang der 1970er Jahre Erdgas aus Russland. Der Erdgas Deal mit Russland wurde seinerzeit vom damaligen Bundeskanzler Willy Brandt auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges als Teil der Entspannungspolitik eingeleitet. Russland ist seinen Lieferverpflichtungen immer nachgekommen, auch während der Verschärfung des Kalten Krieges nach dem Einmarsch Russlands in Afghanistan im Dezember 1979 und der anschließenden Nachrüstungsdebatten in den 1980er Jahren.

Die Abhängigkeit von russischem Erdgas wurde deswegen durchaus nachvollziehbar nicht als Gefährdung der Energieversorgungssicherheit Deutschlands angesehen.

Nach 2010, und besonders nach dem Beschluß der Bundesregierung, nach dem Atomunfall von Fukushima im März 2011, bis Ende 2022 aus der Kernenergie auszusteigen (nachdem man nur sechs Monate vorher eine Laufzeitverlängerung der KKWs beschlossen hatte) und die jetzt wegfallende Stromerzeugung der KKWs durch den forcierten Ausbau der Erneuerbaren Energien, überwiegend Wind und Sonne, zu ersetzen, setzte man auf russisches Erdgas, um die Energiewende zu flankieren.

Denn das Problem der Erneuerbaren ist, dass sie nur intermittierend Strom erzeugen, dh, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht, kann kein Strom von diesen Erneuerbaren erzeugt werden.

Photovoltaikanlagen haben in Deutschland nur sog. Kapazitätsfaktoren von ca. 10% und Windkraftanlagen von ca. 20%. Das heißt, die meiste Zeit produzieren sie wenig oder nichts.

KKWs haben Kapazitätsfaktoren von 85 – 90%, erzeugen also fast durchgängig Strom, arbeiten in der sog. Grundlast. Erneuerbare sind nicht grundlastfähig.

Der Ausbau der Erneuerbaren ist demzufolge untrennbar mit einem Ausbau grundlastfähiger Erzeugung verbunden, die in den Zeiten Strom erzeugen muss, in denen Erneuerbare keinen oder nicht ausreichend Strom erzeugen.

Man kann nicht grundlastfähige Stromerzeugung abschalten und durch intermittierende, sporadische, zufallsbedingte Erzeugung ersetzen.

Das hat die Bundesregierung natürlich erkannt. Grundlastfähige Erzeugung wird auch durch Kohlekraftwerke bereitgestellt.

Aus Klimaschutzgründen soll die Kohleverstromung jedoch beendet werden; bereits im Energiekonzept 2050 hat die Bundesregierung im September 2010 beschlossen, die CO2 Emissionen Deutschlands bis 2050 um 80% gegenüber 1990 zu reduzieren (Kleiner Hinweis an die FFF und Letzte Generation: Befasst euch doch mal ernsthaft mit der Geschichte der Klimapolitik, ehe ihr irgendwelche Behauptungen aufstellt, mit denen ihr nur eure Unkenntnis und Ignoranz unter Beweis stellt).

Nach dem KKW Ausstiegsbeschluss sind die CO2 Emissionen Deutschlands bis 2019 nur geringfügig gesunken, was kaum verwundert, denn die CO2-freie Kernenergie wurde nur teilweise durch die CO2- freien Erneuerbaren ersetzt, eben weil sie nur so geringe Kapazitätsfaktoren haben.

Stattdessen wurde die Kohleverstromung hochgefahren, um das Stromerzeugungsdefizit auszugleichen.

Da langfristig aber der Ausstieg aus der Kohleverstromung geplant war, musste eine Alternative gefunden werden, um die Energiewende zu flankieren. Diese Alternative war Erdgas, vorwiegend russisches Erdgas. Erdgas setzt auf den Energieeinsatz bezogen nur etwa halb so viel CO2 frei, wie Kohle und ist deswegen klimafreundlicher.

Der erforderliche Mehreinsatz von Erdgas sollte über die Nordstream 2 Pipeline beschafft werden.

Nach der russischen Annektion der Krim im Jahre 2014 wuchsen allerdings die politischen Widerstände gegen eine Ausweitung der russischen Erdgasnutzung, besonders durch die USA unter Präsident Trump. Deutschland liess sich aber dadurch nicht von der Nordstream 2 Pipeline und dem Einsatz russischen Erdgases abbringen.

Besonders nach dem Kohle – Ausstiegs Beschluß der GroKo aus dem Jahre 2018 gab es keine Alternative zur Ausweitung der Erdgasnutzung in der Verstromung mehr.

Dies schlug sich auch in der Ampel Koalitionsvereinbarung vom Dezember 2021 nieder, in der ein Zubau von 50 Gaskraftwerken zur Absicherung der Energiewende geplant wurde.

Jedoch zeichneten sich Problem mit der Gasversorgung durch Russland bereits im Spätsommer 2021 ab, nachdem Deutschland aus formellen Gründen die Betriebsgenehmigung für die bereits fertiggestellte Nordstream 2 Pipeline verweigerte und Russland daraufhin ebenfalls aus formellen, wohl eher aus politischen, Gründen die Gaslieferungen über die Nordstream 1 Pipeline reduzierte. In Reaktion darauf stiegen bereits damals die europäischen Erdgaspreise deutlich an.

Die Situation verschärfte sich in der Folgezeit, auch die Rohölpreise stiegen weiter an, nicht zuletzt wegen der immer undurchschaubarer werdenden Ukraine – Krise und des russischen Militäraufmarsches an der Grenze zur Ukraine.

Am 24. Februar 2022 marschierte Putin dann in die Ukraine ein und in den darauf folgenden Wochen explodierten die Preise für Kohle, Öl und Gas von ihrem ohnehin schon hohem Niveau – man kann aus heutiger Sicht wohl sagen: Sie wurden von Spekulanten in die Höhe getrieben. Denn bereits heute liegen beispielsweise die Rohölpreise niedriger, als vor Kriegsbeginn, wie auch die Preise einer Reihe anderer Rohstoffe, die im Zuge der Ukraine – Krise spekulativ in die Höhe getrieben wurden (s. z. B. hier und hier ).

Vorhersagen von Investmenthäusern, wie Goldman Sachs oder JP Morgan Chase, die Rohölpreise würden auf 150 – 200 USD steigen, haben sich bislang nicht bewahrheitet; im Gegenteil sind die Rohölpreise seit Anfang Juni um mehr als 30 USD gefallen, trotz der Ankündigung von Sanktionen gegen russisches Erdöl.

Auch für das kommende Jahr werden keine weiteren Preisanstiege erwartet, vielmehr liegen die Brent Rohölpreise auf den Warenterminmärkten zB für September 2023 etwa 10 USD niedriger als gegenwärtig, s. z. B. hier).

Alles scheint darauf hin zu deuten, dass die Energiepreise an den Terminmärkten in der ersten Jahreshälfte 2022 nicht eine physische Verknappung widerspiegelten, sondern “Markterwartungen”, was ein anderes Wort für Spekulation ist, oder wie man früher sagte: Fürkäuferei.

Auch heute gehen aber viele Analysten, trotz stark gefallener Ölpreise in den letzten Monaten, davon aus, dass die Ölpreise 2023 wegen der Sanktionspolitik des Westens gegen Russland drastisch steigen werden.

Allerdings: Niemand kann in die Zukunft schauen und keiner weiß, was noch kommt. Wie es so schön heißt in dem berühmten Doris Day Lied: Whatever will be, will be, the future´s not ours to see...

In Reaktion auf den russischen Einmarsch in die Ukraine ergriff der Westen harte Sanktionen gegen Russland, die sukzessive auch auf den Energiebereich ausgeweitet wurden. Diese Sanktionen kommen einem Wirtschaftskrieg des Westens gegen Russland gleich, was Russland auch genauso verstanden hat.

Der Westen allgemein und vor allem Europa, besonders Deutschland, hat dabei ein Problem: Wenn unsere Energieversorgung zu einem großen Teil von russischen Energielieferungen – Kohle, Öl und Gas – abhängt, dann sägen wir uns mit Sanktionen de facto den Ast ab, auf dem wir sitzen, denn wir gefährden unsere Energieversorgung zu bezahlbaren Preisen, die für das reibungslose Funktionieren einer modernen Industriegesellschaft, wie Deutschland, unerläßlich ist.

Diese Bedenken wurden aber beiseite gewischt, weil es als moralisch alternativlos gilt, der Ukraine dadurch zu helfen, dass man Putin mit Sanktionen schadet – oder zu schaden glaubt.

Damit hat man aber die Rechnung ohne den Wirt gemacht, wie wir hier bereits dargelegt haben.

Putin kann seine Rohstoffe an Länder verkaufen, die sich den Sanktionen gegen ihn nicht angeschlossen haben, muss gegenüber den Weltmarktpreisen einen Abschlag in Kauf nehmen, und verkauft in der Menge weniger als vorher, verdient aber immer noch erheblich mehr, als vor einem Jahr, weil die Preise erheblich stärker gestiegen sind, als er durch das geringere Verkaufsvolumen verliert: Im Endeffekt gewinnt Putin durch die Sanktionen. Das zeigt sich z. B. daran, dass die Gewinne russischer Energiekonzerne im ersten Halbjahr 2022 gegenüber 2021 deutlich gestiegen sind.

Wer verliert, sind wir, Europa und vor allem Deutschland. Denn wir müssen uns die Energie, vor allem Erdgas, zu erheblich höheren Preisen anderweitig beschaffen.


Das Problem dabei: Es gibt anderweitig kaum Erdgas, und das, was es gibt, gibt es nur zu drastisch höhren Preisen.

Das hat zur Folge, dass sich die Erdgaspreise für Privathaushalte, Gewerbetreibende und die Industrie teilweise mehr als verdreifacht haben, was viele Betriebe an den Rand ihrer Existenz gebracht hat, oder bereits zu Produktionseinschränkungen bis hin zu Betriebsschließungen.

Die Situation wird jetzt noch dadurch verschärft, dass Putin die Gaslieferungen über die Nordstream 1 Pipeline Anfang September komplett eingestellt hat, um sich für die Sanktionspolitik gegen Russland zu rächen. Putin hat den Spieß umgedreht, womit man aber rechnen musste.

Deswegen sorgt besonders die Erdgasproblematik für sehr viel Aufruhr in der gegenwärtigen politischen, medialen und öffentlichen Diskussion.

Teilweise wird abgewiegelt (Die Erdgasspeicher sind zu 80 plus x Prozent gefüllt, wir werden kein Problem haben, über den Winter zu kommen, You´ll never walk alone, keiner soll hungern, keiner soll frieren, wir werden kein Problem haben, ohne russisches Öl und Erdgas auszukommen, die Auswirkungen auf die Wirtschaft werden eher gering sein (Wachstum in 2023 -0,3%, was fast im Irrelevanzbereich läge), Deutschland steht besser da, als andere europäische Länder, Klima- und Energieminister Dr. Robert Habeck macht einen guten Job, wir werden den Menschen mit dem nächsten Entlastungspaket helfen etc., die Beispiele sind endlos) oder überdramatisiert (Wir kriegen nach dem Abschalten der letzten drei KKWs einen Blackout, die Wirtschaft wird zusammenbrechen, die energieintensive Industrie wird Deutschland für immer verlassen, eine Pleitewelle von Betrieben und Privathaushalten, die ihre Energierechnungen nicht mehr bezahlen können, wird Deutschland überrollen etc.).

Eins steht mal fest: In den kommenden drei Monaten werden die meisten Haushalte in Deutschland ihre Energieabrechnungen (Erdgas und Strom) für 2022 bekommen, verbunden mit den Abschlagszahlungen für die kommenden 12 Monate. Viele Betriebe und Haushalte haben bereits die blauen Briefe von ihren Energieversorgern erhalten – und sehr viele waren schockiert über die Vervielfachung der geforderten Abschlagszahlungen.

Wenn das, was sich bereits jetzt abzeichnet, deutschlandweit eintritt, wird es zu flächendeckendem Heulen und Zähneklappern kommen, und nicht nur wegen der Kälte in ungeheizten Wohnungen. Denn es wird zu einem finanziellen Schock kommen, wie ihn Deutschland noch nie seit Bestehen der Bundesrepublik erlebt hat. Deswegen befürchtet selbst die Bundesbank einen längeren konjunkturellen Abschwung.

Von den explodierenden Energiekosten werden vor allem untere und mittlere Einkommensgruppen betroffen sein.

Ungefähr ein Drittel der deutschen Haushalte hat ein monatliches Nettoeinkommen von weniger als 2000 EUR. Wenn jemand Vollzeit mit gesetzlichem Mindestlohn von 12 EUR pro Stunde arbeitet, hat er etwa 1300 EUR netto pro Monat zur Verfügung.

Ein Durchschnittsrentner bezieht eine monatliche Rente von ca. 1200 EUR, viele haben eine wesentlich geringere Rente.

Wenn man diesen Menschen die monatliche Energierechnung für Gas und Strom von etwa 200 EUR auf 500 oder 600 EUR erhöht, bleibt ihnen nach Miete und anderen Fixkosten, wie Versicherungen, Kfz, Kreditverträge usw. nichts mehr zum Leben übrig.

So rechnet zB "Bild” vor, dass es sich für untere Einkommensschichten überhaupt nicht mehr lohnen würde zu arbeiten, denn eine Familie mit zwei Kindern würde mit Hartz4 mehr Geld zur Verfügung haben, als ein Handwerker in Vollzeitbeschäftigung.

Entscheidender Faktor dabei: Hartz4 übernimmt nicht nur die Miete, sondern auch die Energiekosten, die ein normaler Werktätiger aus eigener Tasche bezahlen muss. Und das wird absehbar sehr teuer werden.

Es ist wohl klar, dass eine Bombe von ungeheurer Sprengkraft auf große Teile der Bevölkerung, aber auch auf die Wirtschaft, zurollt.
Wie dramatisch es wird, oder ob alles nur halb so schlimm werden wird, wie zB hier insinuiert, sei dahin gestellt, aber es wird mit Sicherheit einige Bereiche in Wirtschaft und Gesellschaft geben, denen die Luft abgedrückt wird.

Denn das Entscheidende ist nicht so sehr, ob die Gasspeicher zu xyz % gefüllt sind, oder ob die Erdgasversorgung gesichert ist, sondern zu welchen Kosten die Versorgung gesichert ist.

Leere Worthülsen, wie you´ll never walk alone, niemand soll hungern und niemand soll frieren, sind genau das, und nicht mehr: Leere Worthülsen.

Trotzdem muss man anerkennen, dass die Politik die Problematik erkannt hat und ein erneutes “Entlastungspaket” geschnürt hat, mit dem die Energiepreisexplosion abgemildert und auch diejenigen bedacht werden sollen, die bei den ersten Entlastungspaketen leer ausgegangen sind, wie z. B. Rentner und Pensionäre.

Damit einhergehend kommt es zu einer Diskussion darüber, ob die geplanten Entlastungen “gerecht” sind (wie sie finanziert werden sollen, steht ohnehin in den Sternen), und ob dadurch nicht auch Diejenigen entlastet werden, die keine Entlastung brauchen, wie zB beim Tankrabatt, durch den auch Fahrer von Spritfressern entlastet wurden.

Da spielt also eine gehörige Portion Sozialneid mit in die Entlastungsdiskussion rein. Auch wenn es offenkundig ist, dass durch den Tankrabatt untere und mittlere Einkommensschichten relativ am meisten entlastet wurden, die aufs Auto angewiesen sind, weil öffentliche Verkehrsmittel keine realistische Alternative darstellen und weil grundsätzlich die Ausgaben für Energie relativ zum Einkommen in unteren und mittleren Einkommensgruppen höher sind, soll die Diskussion daran aufgezogen werden, dass auch Besserverdienende davon profitieren.

Eine derartige Debatte zeigt, worauf schlussendlich abgezielt wird: Auf den Sozialismus, keiner darf mehr verdienen, als der andere, es soll keine Einkommensunterschiede mehr geben, egal, ob einer viel arbeitet oder wenig. Arbeit soll sich nicht mehr lohnen, alle sollen auf Staatskosten leben.

OK, aber wer verdient dann das Geld, dass die Sozialpolitiker verteilen wollen? Auch in diesem Artikel wird mehr Gerechtigkeit nicht nur wegen der Energiekrise gefordert, sondern generell wird die gesellschaftliche Ungleichheit beklagt. Es soll von oben genommen und nach unten verteilt werden. Der zur Verteilung stehende Kuchen wird absehbar aus einer Reihe von Gründen kleiner, aber die Stücke sollen “gerechter” verteilt werden. Also Armut für Alle, auch und gerade wegen der Klimapolitik, die genau zu dem führen wird, was wir jetzt wegen der Energiekrise bereits haben: Drastisch steigende Energiepreise und sinkenden Lebensstandard.

Auch die Absicht, Entlastungen durch die Anpassung der steuerlichen Bemessungsgrenzen an die Inflationsrate herbei zu führen, wird mit der gleichen Argumentation bekämpft: Nämlich, dass höhere Einkommen dadurch mehr profitieren, als untere.

Was für ein absoluter Quatsch, und das noch aus dem Munde von Wirtschaftsweisen!

Was bekämpft werden soll, ist die sog. kalte Progression, nämlich die Tatsache, dass ein durch die Inflation erhöhtes Einkommen dem Steuersystem ein real erhöhtes Einkommen vorspiegelt, das deswegen in eine höhere Besteuerungsstufe fällt, obwohl es real gar nicht höher ist. Die Progression setzt nach dem Steuerfreibetrag von Null – wie der Name sagt – progressiv ein, und der Grenz-, aber auch der Durchschnittssteuersatz steigen zunächst sehr steil an, weswegen untere und mittlere Einkommensschichten besonders unter der kalten Progression zu leiden haben und durch eine Anpassung des Steuertarifes an die Inflation besonders stark profitieren würden.

Nach dem Einsetzen des Spitzensteuersatzes (2022: 42% ab 57000 EUR versteuerbar, ab 277000 EUR gilt ein höherer “Reichensteuersatz” von 45%) steigt die Progressionsstufe NICHT weiter an, und diejenigen, die mehr verdienen, müssen auf ihr durch die Inflation erhöhtes Einkommen den vollen Spitzensteuersatz zahlen, obwohl sie real, inflationsbereinigt, weniger verdient haben.

Ein Inflationsausgleich und eine stärkere Entlastung unterer und mittlerer Einkommensschichten wäre auch durch eine deutliche Anhebung des Grundfreibetrages von derzeit ca. 10000 EUR auf 12000, oder sogar 13000 EUR denkbar. Zum Ausgleich könnte man das Einkommen, ab dem der Spitzensteuersatz fällig wird, auch deutlich anheben, den Spitzensteuersatz aber erhöhen.

Das könnte man im Finanzministerium mittels einer Excel Tabelle in 10 Minuten austarieren, damit keine Steuerausfälle eintreten. Gleichzeitig kann man damit Behauptungen entgegentreten, durch eine Steuertarifsenkung wegen der Inflation würden Reiche überproportional profitieren.

Vielleicht sollte man in der ganzen Sozialneiddebatte aber auch mal daran denken, dass ca 50% des Einkommenssteueraufkommens von ca. 10% der reichsten Steuerpflichtigen gezahlt werden und nur ca. 10% von den unteren 50% der Steuerpflichtigen.

Hartz 4 und Sozialhilfeempfänger zahlen sowieso keine Steuern, stehen im Vergleich zur arbeitenden Bevölkerung in den unteren Einkommensschichten aber relativ gut da, weil der Staat für die Wohn- und Heizkosten aufkommt, was in der heutigen Zeit ein unschätzbarer Vorteil ist.

Entlastet werden müssen diejenigen in den unteren und mittleren Einkommensschichten, die für ihren Lebensunterhalt arbeiten müssen, deren Gehalt durch die Inflation entwertet wird, und die Geld in Form von Steuern und Sozialabgaben an den Staat abführen müssen, dass die Sozialpolitiker verteilen. Arbeit muss sich lohnen.

Frei nach Norbert Blüms - unter Helmut Kohl Arbeits- und Sozialminister- hessischem Gebabbele (Wer abbeid, muss auch mehr Rende kriegen): Wer abbeid, muss auch mehr Geld verdienen, als jemand der nicht abbeid.

Die Verarmungs- und De – Industrialisierungswelle, die Deutschland in den kommenden Monaten überrollen wird, wird nicht nur von dramatisch gestiegenen Heizöl- und Gaspreisen angetrieben, sondern auch von steigenden Strompreisen.

Infolge drastisch gestiegener Preise für fossile Energieträger, besonders für Erdgas, sind auch die Kosten der Stromerzeugung stark angestiegen, da ein Teil des Stroms aus diesen Energieträgern erzeugt wird.

Die Preisfindung am Strommarkt erfolgt nach der sog. Merit Order. Die Merit Order führt dazu, dass die Kosten der letzten nachgefragten kWh Strom den gesamten Strompreis bestimmen. Das bedeutet, dass auch Kraftwerke, deren Erzeugungskosten erheblich niedriger liegen, als die des teuersten zugeschalteten Kraftwerks, in den Genuss der Strompreise kommen, die das teuerste Kraftwerk vereinnahmen kann.

Die Kraftwerke mit den geringsten Kosten sind in der Regel KKWs und Braunkohlekraftwerke, die in der sog. Grundlast arbeiten. Diese Kraftwerke erzielen bei stark gestiegenen Kosten für das letzte zugeschaltete Kraftwerk hohe Extragewinne, sog. “Windfall Profits”. Sie sind dann wahre Gelddruckmaschinen.

So momentan übrigens auch Erneuerbare Energieanlagen, die zwar durch das EEG subventioniert werden, ihren Strom aber zu Marktpreisen verkaufen können, zu Preisen also, die gegenwärtig erheblich über ihren Kosten liegen, sodass auch die EEG Anlagen Windfall Profits erzielen.

Da das Strommarktdesign auf Basis der Merit Order gegenwärtig zu massiven Windfall Profits für die EVUs führt, aber zu extremen Kostensteigerungen für Industrie, Wirtschaft und Verbraucher, wird in der Politik die Frage diskutiert, das Strommarktdesign grundsätzlich zu ändern, oder zumindest eine Strompreisbremse einzuführen.

Eine Strompreisbremse müsste aber finanziert werden, zB über die Abschöpfung der Windfall Profits. Die Diskussion hierüber ist gegenwärtig im Fluss, Ergebnis offen.

In Deutschland wird über die Subventionierung eines Basisverbrauchs nachgedacht, alles, was darüber hinaus geht muss der Verbraucher zu vollen Marktpreisen bezahlen. In anderen europäischen Ländern werden andere Lösungsmöglichkeiten in Erwägung gezogen, bzw. bereits angewandt.

Am zielführendsten wäre wahrscheinlich eine grundlegende Überarbeitung des Strommarktdesigns der Merit Order. Denn es kann nach Auffassung Vieler nicht sein, dass ein derartiges Design zu hohen, “unverdienten” Gewinnen für die EVUs führt, Wirtschaft und Gesellschaft aber massiv belastet.

Die freie Marktwirtschaft ist im Bereich der Stromerzeugung durch die Vorgaben der “Energiewende” ohnehin stark ausgehöhlt, bzw. stark eingeschränkt: Nämlich durch den Einspeisevorrang erneuerbarer Energien, deren Subventionierung, deren geplante Ausbauziele, die die fossilen Anlagen der Kraftwirtschaft mehr und mehr entwerten (durch Unterbeschäftigung, wodurch ihr Betrieb sich nicht mehr rechnet).

Wir hatten hier bereits die Meinung vertreten, dass die Energiewirtschaft verstaatlich werden müsse und schlussendlich auch wird, da die freie Marktwirtschaft durch die Vorgaben der Energiewende in diesem Bereich ohnehin schon de facto abgeschafft ist, und immer mehr abgeschafft wird, u. a. durch den geplanten rigorosen Ausbau der Windenergie, finanziert durch Subventionierung und Zwangseinspeisung ins Netz.

Da wäre es nur konsequent und folgerichtig, die Energiewirtschaft insgesamt zu verstaatlichen, weil sich dann die Energiewende wesentlich einfacher durchsetzen ließe und die Reststromerzeugung mit fossilen Kraftwerken durch Abschaffung der Merit Order einfacher regeln lässt. Man kann dann den Strompreis über die tatsächlich entstehenden Kosten festlegen und nicht über die Kosten der letzten nachgefragten kWh, wie unter der Merit Order.

Das ist zwar ein radikaler Ansatz, aber schlussendlich der einfachste, wenn es einem mit der Energiewende Ernst ist. Die sichere Versorgung von Wirtschaft und Gesellschaft mit bezahlbarer Energie sollte eine staatliche Aufgabe sein und nicht dem Wechselspiel der spekulativen Energiemärkte überlassen werden.

Das ist im Augenblick aber reine Zukunftsmusik. Die grundlegende Ursache der momentanen Energiekrise ist das unzureichende Energieangebot, bzw. im Falle Europas, die absichtliche und bewußte Verdrängung des russischen Energieangebots aus den europäischen Märkten durch die Sanktionen gegen Russland.

Die Grundlagen der Marktwirtschaft besagen, dass die Preise steigen, wenn das Angebot verringert wird. Vielleicht hat da niemand dran gedacht, als man die Sanktionen gegen Russland verabschiedet hat.

Auf den Energiemärkten kommt hinzu, dass die Preiskurve in Reaktion auf Angebot und Nachfrage nicht so schön linear verläuft, wie in den Lehrbüchern der Volkswirtschaft, sondern hochgradig nicht – linear, oder sogar hyperbolisch, wenn die Nachfrage nur etwas höher ist, als das Angebot, oder umgekehrt.

Davon profitiert auch Vladimir Putin, der trotz westlicher Sanktionen und geringerem Verkaufsvolumen erheblich mehr aus dem Verkauf seines Öls und Gases erzielt, als vorher, weil durch die Angebotsverknappung die Preise stark gestiegen sind. Das wußten die Europäer wahrscheinlich nicht, als sie die Sanktionen verabschiedeten, die uns jetzt großen Schaden zufügen, Putin aber helfen, wie man an den Gewinnentwicklungen russischer Energiekonzerne sieht.

Entscheidend für niedrigere Energiepreise ist also eine Erhöhung des Energieangebotes. Energiesparmaßnahmen, wie kalt duschen, oder statt duschen, sich mit dem Waschlappen zu waschen, den Thermostaten in der Wohnung auf unter 19° stellen, nachts die Straßenbeleuchtung ausschalten etc. sind entweder komisch oder auch lächerlich, sparen vielleicht 10 – 15% Energie, sind aber de facto wirkungslos gegen eine mehr als Verdreifachung der Energiepreise.

Besonders die Weigerung der Grünen, die Laufzeiten der verbleibenden drei KKWs angesichts der Energiekrise zu verlängern und das Stromangebot nicht noch weiter zu verknappen und dadurch die Strompreise tendenziell weiter zu erhöhen, verstört doch ganz erheblich, wenn stattdessen Empfehlungen ausgesprochen werden, sich mit dem Waschlappen zu waschen, statt zu duschen. Zumal eine große Mehrheit der Deutschen für eine Laufzeitverlängerung der KKWs ist, um die Energiekrise abzumildern.
Den Grünen ist das Festhalten an ihren ideologischen Positionen offenbar wichtiger, als Schaden von Wirtschaft und Gesellschaft abzuwenden.

Kein Wunder, dass in angelsächsischen Medien die Häme über Deutschland weit verbreitet ist ("Die dümmste Energiepolitik der Welt")

Wenn dann auch noch gesagt wird, wir haben genügend Strom, der Strom sei nur zu teuer (wohl deswegen, weil immer noch Gas in der Stromerzeugung eingesetzt wird), fängt das an, die Lachmuskeln zu strapazieren: Denn wenn der Strom zu teuer ist, haben wir eben nicht genug Strom. Und wenn mir mehr Strom hätten, würden auch die Preise fallen. Und wenn man dann noch die die Kraftwerke aus dem Markt entfernt, die Strom am billigsten erzeugen können, nämlich die letzten drei KKWs, kann man sich ausmalen, was mit den Strompreisen passiert: Sie gehen nämlich weiter nach oben.

Dann wird argumentiert, wir hätten die gegenwärtigen Energieversorgungsprobleme gar nicht gehabt, wenn wir die erneuerbaren Energien schneller ausgebaut hätten – und deswegen müssen wir jetzt das Tempo beim Ausbau Erneuerbarer deutlich erhöhen.

OK, wir wissen ja alle, dass Lüge, Täuschung und Irreführung zentrale Mittel des politischen Diskurses sind; das gesamte Wahlprogramm der Grünen zB basiert darauf, wie wir u. a. hier dargelegt haben. Die Instrumente der Vermittlung von Lüge, Täuschung und Irreführung sind Indoktrination, Manipulation und Propaganda, auf diesen Seiten manchmal als IMP bezeichnet.

Vielleicht sollte man mal die Erinnerung derer auffrischen, die behaupten, wenn wir die Erneuerbaren schneller ausgebaut hätten, hätten wir nicht die heutigen Energieprobleme:

1. Angela Merkel ist auf Druck der Grünen 2011 aus der gesicherten Stromerzeugung durch Kernenergie ausgestiegen

2. Angela Merkel hat auf Druck der Grünen bereits 2010 die fast vollständige Dekarbonisierung der Wirtschaft bis 2050 verkündet (Energiekonzept 2010)

3. Angela Merkel hat auf Druck der Grünen 2018 den Ausstieg aus der Kohleverstromung bis 2038 verkündet, begleitet durch die sofortige sukzessive Stillegung von Kohlekraftwerken

4. Angela Merkel hat als Ersatz für die Abschaltung der gesicherten Stromerzeugung durch Atom- und Kohlekraftwerke den Bau von Gaskraftwerken und die Ausweitung der Erdgasversorgung durch Russland (Nordstream 2) geplant und eingeleitet

Das bedeutet: Wir sind in die gegenwärtige Gasversorgungskrise hineingeraten, weil wir die Forderungen der Grünen nach Abschaltung der Kern- und Kohlekraftwerke erfüllt haben. Ein verstärkter Ausbau der Erneuerbaren in den letzten 10 Jahren und damit verbunden ein schnelleres Abschalten gesicherter Leistung durch Kohle- und Kernkraftwerke hätte den Gasbedarf für die Sicherung der Energiewende noch erhöht gegenüber der heutigen Situation.

Ein schnellerer Ausbau Erneuerbarer jetzt hilft in der gegenwärtigen Krise nicht weiter, da zwischen Planung, Genehmigung, Bau und Inbetriebnahme von Windkraftanlagen mehrere Jahre liegen.

Wenn dann Anlagen der gesicherten Stromerzeugung, also Gas und Kohlekraftwerke abgeschaltet werden sollen, verringert das wieder die Versorgungssicherheit in den Zeiten, in denen Wind und Sonne entweder nichts oder zu wenig liefern. Unterm Strich wird die Versorgungskrise durch den schnelleren Ausbau Erneuerbarer nicht gelöst, obwohl die Grünen das Gegenteil behaupten. Der Grund ist, dass Erneuerbare keine gesicherte Leistung bereitstellen können.

So schwebt das Land gegenwärtig zwischen Hoffen und Harren, dass es alles doch nicht so schlimm werden möge, wie von vielen befürchtet. Aber, wie der Volksmund sagt, Hoffen und Harren ist für die Narren.

Das englische Sprichwort: "Hope for the best, count on the worst and be prepared for everything in between" ist vielleicht das beste, woran man sich orientieren sollte.