Amerika, Du hast es besser: Einführung des Emissionshandels in den USA gescheitert – Energiebesteuerung abgewehrt.



10. August 2010


Was in Europa 2005 als zentrales Instrument zur Bekämpfung des Klimawandels eingeführt wurde, nämlich der sog. Emissionshandel, sollte nach dem Willen der Europäischen Kommission eine Vorbildfunktion auf den Rest der Welt ausstrahlen und auch andere – vornehmlich die USA - dazu bewegen ebenfalls einen Emissionshandel als wichtigstes Klimaschutzinstrument mit dem Ziel einzuführen, die Treibhausgasemissionen drastisch zu senken.

Über den Emissionshandel als „markwirtschaftliches“ Instrument zur Senkung von Klimagasemissionen ist viel bis sehr viel geschrieben, philosophiert und geredet worden – nicht immer mit sehr viel Sachverstand. Leider auch von vielen, die es eigentlich aufgrund ihrer vermeintlichen wirtschaftlichen Sachkompetenz besser wissen müssten.

Der Emissionshandel wird in USA – korrekt – als ein sog. „cap and trade“ System bezeichnet, also ein System in dem die Gesamtemissionen einer Obergrenze unterliegen (dem cap), wobei an die einzelnen Emittenten Emissionsrechte zugeteilt werden, die an einem Markt gehandelt werden können (der trade). Ohne auf Details einzugehen, wird das umweltpolitische Ziel der Emissionsminderung durch die ordnungsrechtliche Festlegung einer Emissionsobergrenze erreicht und ein nachgelagertes wirtschaftspolitisches Ziel der Minimierung der Kosten der Emissionsminderung durch den Handel mit den zugeteilten Rechten. Die Klimagas-Reduktion erfolgt also nicht durch den Handel an sich, sondern durch die behördlich festgelegte und streng überwachte Einhaltung einer Emissionsobergrenze – was von vielen häufig missverstanden wird.

Man kann das System vielleicht besser begreifen, wenn man es als Brennstoff-Rationierungssystem (genauer gesagt: Kohlenstoffrationierungssystem) ansieht. Vergleichbar mit der Lebensmittelrationierung während des Krieges (und danach) wird jedem eine bestimmte Menge an Brot zugeteilt, weil die Gesamtmenge des vorhandenen Brotes begrenzt ist und somit pro Kopf nur eine bestimmte Menge verfügbar ist. Hierdurch wird sichergestellt, dass nicht mehr Brot verteilt wird, als vorhanden ist. Falls nun jemand mehr Brot zugeteilt bekommt, als er essen mag oder kann, kann er es zu einem Preis an jemand veräußern, dem weniger Brot zugeteilt wurde, als er braucht oder möchte. Das gleiche Verfahren wurde natürlich auch für andere lebensnotwendige Dinge angewandt; der Handel (Tausch von rationierten Waren) erfolgte seinerzeit nicht auf geregelten Märkten wie heute sondern auf dem Schwarzmarkt und der Handel erfolgte überwiegend nicht mit Geld sondern mit anderen Tauschgegenständen.

Aber das Grundprinzip der Rationierung und der administrativen/behördlichen Umsetzung der Verteilung und Buchführung von Lebensmittelrationen und CO2 Kontingenten ist durchaus vergleichbar.

In Europa soll mit dem Emissionshandel (also in Wahrheit mit der Brennstoffrationierung oder Festlegung einer Emissionsobergrenze) das Kyoto Ziel der EU (8 % Minderung der Emissionen zwischen 1990 und 2012) im Bereich von Industrieanlagen erreicht werden, wobei für die einzelnen EU Mitgliedsstaaten individuelle Minderungswerte politisch festgelegt wurden, so z.B. für Deutschland - 21%.

Die Emissionsrechte für den Bereich der Industrieanlagen, die dem System unterliegen, werden so zugeteilt, dass die 21 % in 2012 genau erreicht werden (von Details wollen wir im Augenblick absehen). Diese Minderung muss an jeder einzelnen Anlage erreicht werden, denn sie bekommt nur genau so viele Emissionsrechte zugeteilt, um die politisch festgelegte Minderung zu erreichen.

Wenn die Industrieanlage ihre Emissionen durch technische Maßnahmen nicht reduzieren kann, oder aufgrund einer guten Wirtschaftsentwicklung mehr Rechte braucht, als ihr zugeteilt wurde, darf sie Emissionsrechte am Markt dazu kaufen. Wenn sie demgegenüber in der Lage ist, mehr zu reduzieren als verlangt, kann sie überschüssige Emissionsrechte am Markt verkaufen.

Da die Emissionsrechte einen Preis haben, können sie in das Produkt, das mit ihrer Hilfe hergestellt wird, eingepreist werden. Je knapper die Emissionsrechte, desto höher ihr Preis.

Das Entscheidende an diesem System ist – wie sich in der Realität herausgestellt hat – das schlussendlich nicht die Industrieunternehmen den Preis des Emissionshandels bezahlen, die Emissionsrechte für ihre Produktion benötigen, sondern diejenigen, die diese Produkte erwerben, zu deren Herstellung Emissionsrechte benötigt werden, - aber nur dann, wenn die Unternehmen in der Lage sind, die Kosten der Emissionsrechte an ihre Kunden überzuwälzen.

Im Bereich der Industrieproduktion ist das in der Regel nicht der Fall, wohl aber im Bereich der Stromproduktion. Das hat damit zu tun, das es im Bereich von Industrieprodukten, wie Stahl, Glas, Zement, Chemieprodukte etc. einen funktionierenden internationalen Wettbewerb gibt, in dem ein europäischer oder deutscher Produzent mit außereuropäischen Produzenten konkurrieren muss, die den Kostenbelastungen des europäischen Emissionshandels nicht unterliegen.

Diesen Wettbewerb gibt es auf dem Strommarkt aber nicht. Der Strommarkt in Deutschland weist oligopolartige Strukturen auf, so dass die Stromerzeuger die Kosten des Emissionshandels an ihre Kunden weiterleiten können - und das auch tun. Nicht die Stromerzeuger, sondern die Stromverbraucher – private und industrielle - zahlen den Preis des Emissionshandels.

Dazu muss man auch noch wissen, dass in Deutschland etwa 80 % der dem Emissionshandel unterliegenden Emissionen von Stromerzeugungsanlagen verursacht werden, so dass der Emissionshandel – sehr stark vereinfacht – wie ein System zur Erhöhung der Strompreise wirkt: Der Verbraucher zahlt die Zeche.

Die Auswirkungen dieses Systems auf das Klima sind allerdings unterhalb der Nachweisbarkeitsgrenze, das System ist - wie das EU Kyoto-Ziel an sich - ohnehin nur ein symbolischer Akt.

Das hat man den klimakatastrophengläubigen Bürgern bei der Einführung des Handels natürlich nicht erzählt, sondern man hat es verstanden, über die Kosten hinweg zu täuschen, und den Emissionshandel als heiligen Gral zur Bekämpfung der Klimakatastrophe zu verkaufen: Und überhaupt, alles, was unter der Flagge „Klimaschutz“ läuft ist ohnehin sakrosankt, wer es da noch wagt über Kosten zu reden, ist allenfalls ein ewig Gestriger der sich der „Dramatik des Klimaproblems“ nicht bewusst ist.

In den USA lief das anders. Zwar versuchten einflussreiche politische und gesellschaftliche Kräfte bereits unter Präsident George W. Bush einen Emissionshandel einzuführen, scheiterten aber mehrfach sowohl im Kongress als auch im Senat.

Nach der Machtübernahme durch Barack Obama im Januar 2009 versprach man sich rasches Handeln und in der Tat verabschiedete der Kongress im Juni 2009 ein Klimaschutzgesetz, dessen zentraler Teil ein Emissionshandelsystem war, mit dem die Emissionen der USA bis 2020 um 17% gegenüber 2005 gemindert werden sollten.

Zur Verabschiedung des Gesetzes war allerdings die Zustimmung des Senats erforderlich, die man noch rechtzeitig vor der Klimakonferenz im Dezember 2009 in Kopenhagen herbeiführen wollte.

Doch die Senatoren zierten sich. Obwohl die demokratische Partei Barack Obamas scheinbar über eine ausreichende Mehrheit verfügte, machte eine Reihe demokratischer Senatoren, die sich - wie in den USA üblich – nicht so sehr einer Fraktionsdisziplin sondern den Bundesstaaten verpflichtet sehen, die sie vertreten, eine Reihe Bedenken geltend. Die erforderliche Mehrheit von 60 Stimmen war einfach nicht erreichbar.

Mehrfach versuchte die demokratische Parteiführung, das Klimaschutzgesetz abzumildern, um die 60 Stimmen doch noch zu erreichen. So wurde das Emissionshandelsprogramm, das in der Kongressversion 85 % aller Klimagasemissionen der USA in fast allen Wirtschaftsbereichen erfassen sollte, auf den Bereich der Stromerzeugungsanlagen eingegrenzt und sollte so an „Schärfe“ verlieren.

Aber auch hierfür gab es keine erforderliche Mehrheit, weil es – anders als in der EU und in Deutschland – den politischen Gegnern des Vorhabens gelang, der Öffentlichkeit den wahren Charakter des Emissionshandels zu vermitteln: Nämlich einer Steuer auf Strom. Hierfür war in einem Land, das unter knapp 10 % Arbeitslosigkeit und den Nachwirkungen der schwersten Wirtschaftskrise seit den 1930er Jahren leidet, keine Mehrheit zu erzielen. Es war einfach politisch nicht machbar, obwohl Umweltorganisationen dem Vernehmen nach 100 Mio. US Dollar für ihre Lobbying Arbeit aufgewendet haben.

Mit dazu beigetragen hat überdies die mangelnde Begeisterung der amerikanischen Öffentlichkeit für die Klimakatastrophe. Ende 2009 erschien die Klimaproblematik an 20. und letzter Stelle in einer Meinungsumfrage nach den größten Sorgen und Ängsten der Bevölkerung, ein Ergebnis, dass sich nach dem Bekanntwerden des Climategate Skandals wohl kaum verbessert haben dürfte.

Auswirkungen auf die internationale Klimapolitik



Die europäischen Medien - aber auch der links-liberale Teil des politischen Spektrums in den USA, dessen besonderes Anliegen der Klimaschutz war und ist – reagierte mit blankem Entsetzen auf die Entscheidung des Senats, den Emissionshandel nicht weiter zu verfolgen (mehr hier).

Denn diese Entscheidung hat nicht nur Auswirkungen auf die Klimapolitik in den USA, sondern grundsätzlich auf die internationale Klimapolitik im Rahmen der UN Verhandlungen. Der Klimagipfel in Kopenhagen ist letztendlich unter anderem deswegen gescheitert, weil die USA nicht in der Lage waren, konkrete Minderungsziele zuzusichern. Immerhin, Barack Obama war ehrlich und wollte sich zu keinen Minderungen verpflichten, denen der Senat nicht zustimmen würde.

Ehrlicher als Al Gore und Bill Clinton im Dezember 1997 in Kyoto, wo sie sich über eine Senatsresolution vom Juli 1997 hinwegsetzten, in der Clinton aufgefordert wurde (mit 95 – 0 Stimmen), keiner Vereinbarung zuzustimmen, die der Wirtschaft der USA schaden könnte. Sie haben einer Vereinbarung in Kyoto trotzdem zugestimmt, wohl wissend, dass sie niemals die Zustimmung des Senats erhalten würden.
Clinton hatte mehr als drei Jahre Zeit gehabt, Kyoto vom Senat ratifizieren zu lassen, hat den Vertrag aber niemals vorgelegt.

Ein Klimavertrag wie Kyoto oder eine Kyoto-Nachfolge gilt als aussenpolitische Vereinbarung, für dessen Verabschiedung im Senat eine Zweidrittelmehrheit erforderlich ist.

Trotzdem wurde Al Gore als großer Klimaschützer gefeiert, obwohl er nur Tinte auf Papier gebracht, aber konkret nichts erreicht hat. Klimapolitik ist halt Klimapolitik und was zählt, sind nicht konkrete Ergebnisse sondern Symbolismen, die in der öffentlichen – vor allem aber in der veröffentlichten - Meinung gut ankommen. Al Gore und Kyoto waren Paradebeispiele hierfür.

Was in Kopenhagen nicht erreicht wurde, soll nun im Dezember 2010 im mexikanischen Seebad Cancun umgesetzt werden, nämlich ein anspruchsvolles Kyoto-Nachfolgeabkommen, mit dem die Emissionen der Industriestaaten bis 2020 um mindestens 25 – 40 % gegenüber 1990 gesenkt werden sollen.

Wird es dazu wirklich kommen? Denn nicht allein haben sich die USA von einem Emissionshandelssystem verabschiedet, sondern auch andere Industrieländer haben ihre klimapolitischen Ambitionen merklich zurückgenommen.

Noch glauben einige politische Kommentatoren, dass der US Senat vielleicht doch noch ein Klimaschutzgesetz verabschiedet, wenn er im September aus der Sommerpause zurückkehrt und Cancun damit rettet.

Get real: Wenn ein demokratischer Präsident mit einer komfortablen Mehrheit in beiden Häusern bis jetzt nicht in der Lage ist, ein Klimaschutzgesetz zu verabschieden, dann wird es wohl bis zu den Kongresswahlen Anfang November 2010 kaum was werden, denn es kündigen sich erdrutschartige Verschiebungen (hier mehr Info) zu den Republikanern an, die eine derartige Gesetzgebung strikt ablehnen. Kein Abgeordneter wird seine Chancen auf Wiederwahl durch die Zustimmung zu einer unpopulären Gesetzesvorlage verderben.

Der Zug ist nicht nur für 2010 sondern voraussichtlich auch für die Amtszeit des nächsten Kongresses, die im Januar 2011 beginnt, abgefahren.

Die internationale Klimapolitik hat echte Probleme (mehr hier).

Demgegenüber versucht die EU ihre „Vorreiterrolle“ noch stärker dadurch auszubauen, dass sie nicht - wie in Kopenhagen - mit unilateral – 20% in Vorleistung tritt sondern auf - 30% erhöhen will.

Die Gefahr ist groß, dass sich die Vorreiter immer weiter von der Truppe entfernen, sich nach hinten umdrehen und feststellen müssen, dass sie allein sind. Die Einsamkeit der Vorreiter halt. Aber es wird sie nicht kümmern. Sie werden weiter voran reiten.