Energiewende: Gibt es eigentlich genügend Strom für die Ausbauziele von Wärmepumpen und E – Mobilität?

23. Juni 2023

Ein zentrales Ziel der “Energiewende” ist die Elektrifizierung der deutschen Volkswirtschaft. Wo irgend möglich, soll der Einsatz fossiler Energieträger beendet und durch den Einsatz von Strom ersetzt werden.

Besonders in den Bereichen Verkehr und Gebäudeheizung sollen die fossilen Energieträger – Benzin, Diesel, Heizöl und Erdgas – durch elektrischen Strom ersetzt werden.

Dies wird eine deutliche Steigerung der Stromerzeugung gegenüber heute erforderlich machen.

Die Ampel – Koalitionäre haben das richtig erkannt und streben bis 2030 eine Ausweitung der Stromerzeugung von heute etwa 570 TWh auf 680 – 750 TWh an. Diese Ausweitung der Stromerzeugung soll durch einen Ausbau der Erneuerbaren Energien, im wesentlichen Wind und Sonne (Wasserkraft und Biomasse sind kaum weiter ausbaufähig in Deutschland) bewerkstelligt werden.

Gleichzeitig wird aber angestrebt, die jetzt noch am Netz befindlichen Kohlekraftwerke bis 2030 abzuschalten, nachdem die Kernkraftwerke bereits jetzt abgeschaltet sind. Aus der Stromerzeugungsstruktur des Jahres 2022 lässt sich entnehmen, dass Kohle- und Kernkraftwerke für etwa 37% der Bruttostromerzeugung verantwortlich waren, ca. 215 TWh.

Diese 215 TWh sollen im Jahre 2030 nicht mehr zur Verfügung stehen, weswegen die Stromerzeugung durch die übrigen Energieträger auf etwa 355 TWh sinken würde, ungefähr die Hälfte dessen, was in 2030 für erforderlich gehalten wird.

Diese Strombedarfslücke soll durch den Ausbau der Erneuerbaren Energien, im wesentlichen Wind und Sonne (das Potential der Wasserkraft und Biomasse ist in Deutschland weitestgehend ausgeschöpft) gefüllt werden.

Wind und Sonne tragen gegenwärtig ca. 185 TWh zur Bruttostromerzeugung bei. Um die Strombedarfslücke bis 2030 zu füllen, müsste rein rechnerisch etwa die doppelte Strommenge zusätzlich zur heute erzeugten Menge aus Wind und Sonne erzeugt werden, nämlich die zitierten 355 TWh.

Das wirft mehrere Fragen auf. Die erste ist, wie realistisch ist es, in den jetzt noch verbleibenden sieben Jahren bis 2030 die doppelte Stromerzeugungskapazität der jetzt bestehenden installierten Leistung zu bauen? Wenn man annimmt, dass die erforderliche installierte Leistung proportional zur erzeugten Strommenge ist, was in etwa zutreffen dürfte.

Die zweite Frage ist, ob die erforderlichen Leitungsnetzkapazitäten in dieser Zeit aufgebaut werden können, um den mit Wind und Sonne erzeugten Strom in die Stromnetze zu integrieren.

Diese Frage ist keineswegs trivial, wie zB hier detaillierter dargelegt wird.

Hier und nachfolgend wird u. a. aus dem Bericht: Eye on the Market - 13th Annual Energy Paper von JP Morgan Chase zitiert, der eine Reihe unterschiedlicher wissenschaftlicher, technischer, energiewirtschaftlicher, wirtschaftlicher und energiepolitischer Aspekte einer Transformation des Energieversorgungssystems hin zu Erneuerbaren Energien in sachlicher und ausgewogener Weise beleuchtet.

Noch diffiziler wird es bei den Leitungskapazitäten vor Ort, dh bei der Stromverteilung auf den letzten Kilometern zum Verbraucher. Denn wenn ganze Wohnviertel und Städte auf Heizung mit Wärmepumpen und Ladestationen für Elektrofahrzeuge umgestellt werden sollen, stellt sich die Frage, ob das heute existierende Netz überhaupt dafür ausgelegt ist.

Die Frage muss man wohl aus heutiger Perspektive mit Nein beantworten und es ist mehr als fraglich, ob das lokale Netz bis 2030 soweit ertüchtigt werden kann, um die von der Bundesregierung geplante drastische Ausweitung des Stromverbrauchs vor Ort für Wärmepumpen und Ladestationen zu gewährleisten.

Die nächste Frage ist die nach den Kosten. Der Finanzierungsmechanismus der Erneuerbaren Energien wurde abgeändert von einer Zusatzbelastung für die Stromkunden auf eine direkte Steuer finanzierte Subventionierung. Diese Subventionierung beträgt derzeit etwa 30 Mrd. EUR pro Jahr.

Wenn dieser Finanzierungsmechanismus beibehalten wird, wird der Subventionsbedarf in den kommenden Jahren drastisch ansteigen, und zwar nicht nur für die direkte Stromerzeugung aus Wind und Sonne, sondern auch für den Netzausbau und generell für die Systemintegrationskosten (zB Back – up Erzeugung und Stromspeicher) .

Häufig zu hörende Behauptungen, die Erneuerbaren Energien, wie Wind und Sonne, seien heute schon wettbewerbsfähig mit der Erzeugung aus fossilen oder nuklearen Energien, sind unzutreffend, wenn man die Systemintegrationskosten mit berücksichtigt (s. Abb. auf S. 19 und die Diskussion auf S. 15 hier ).

So betragen zB die sog. Interconnection Costs für Photovoltaik und Windkraftanlagen zwischen $60 – 100 pro kW installierter Leistung, und für ein Gaskraftwerk weniger als $20 (s. Abb auf S. 24 in der zitierten Quelle ).

Generell hinkt der erforderliche Ausbau der Netze, um erneuerbaren Strom zu integrieren, weit hinter dem her, was an sich erforderlich wäre, vor allem der Ausbau von Gleichstromhochspannungsleitungen (s. Abb auf S. 21 hier ).

Zudem fragt man sich, wieso Erneuerbare denn noch subventioniert werden müssen, wenn sie bereits jetzt schon wettbewerbsfähig wären. Irgend etwas passt da nicht zusammen.

Damit gelangen wir zur nächsten Frage. Denn auch wenn rein rechnerisch im Jahresmittel eine ausreichende Stromerzeugung durch Wind und Sonne dargestellt werden könnte, bedeutet das nicht, dass zu jeder Zeit innerhalb eines Jahres eine bedarfsgerechte Stromerzeugung gewährleistet wäre. Denn im Gegensatz zur jederzeit verfügbaren und abrufbaren Leistung (“firm power”) traditioneller Kraftwerke, wie Kohle, Gas und Nuklear, ist erneuerbarer Strom nur sehr unstet verfügbar, Solarstrom nachts und in den Wintermonaten überhaupt nicht, und natürlich ist Windstrom nicht verfügbar, wenn der Wind nicht weht.

Die sog. Kapazitätsfaktoren bestehender erneuerbarer Anlagen in Deutschland liegen bei etwa 20% bei Windkraft und 10% bei Photovoltaik. Eine bedarfsgerechte jederzeit verfügbare Stromversorgung ist mit diesen Anlagen also keinesfalls möglich. Auch wenn man die installierte Leistung mit derartigen Anlagen vervielfachen würde, gäbe es immer wieder Zeiten, in denen kein oder viel zu wenig Strom erzeugt würde, um den Bedarf zu decken.

Ein Beispiel hierfür ist er Zeitraum vom Oktober – Dezember 2022, besonders die “Dunkelflaute” vom Dezember 2022 (s. Abb. auf S. 16 hier ), bei der auch eine Verdreifachung der erneuerbaren Erzeugung nicht ausgereicht hätte, den Strombedarf zu decken.

So wird geschätzt, dass man mit jedem MW an neu gebauter Wind- und Solarkapazität nur 10 – 25% an traditioneller Kraftwerkskapazität ersetzen kann (s. Abb auf S. 17 hier ).

Ein weiterer Hinweis darauf ergibt sich auch aus dem Verlauf des Stromverbrauchs mit der installierten Erzeugungsleistung in Deutschland. So ist zwar der Stromverbrauch in Deutschland zwischen 2002 und 2022 im einstelligen Prozentbereich gesunken, die installierte Kapazität von Stromerzeugungsanlagen, vor allem von Anlagen Erneuerbarer Energien, hat sich aber verdoppelt (s. Abb. auf S. 15 hier ).

Der derzeit einzig absehbare, sowohl technisch als auch wirtschaftlich akzeptable Weg, diese Strombedarfslücke zu schließen, sind Back – up Kraftwerke auf fossiler Basis. Stromspeicher im erforderlichen Umfang sind bis 2030 weder technisch noch wirtschaftlich darstellbar.

Da die Kohlekraftwerke den Plänen der Bundesregierung zufolge bis 2030 abgeschaltet werden sollen, bleiben nur Gaskraftwerke übrig, um diese Rolle zu übernehmen.

Derzeit befinden sich aber viel zu wenig Gaskraftwerke im Bau oder in der Planung, um diese Strombedarfslücke zu schließen.

Der Bau von neuen Gaskraftwerken ist privatwirtschaftlich organisiert; ein neues Gaskraftwerk wird nur gebaut, wenn damit ein Gewinn erwirtschaftet werden kann.

Die Gewinnsituation eines Gaskraftwerkes hängt von den Gaspreisen, den Strommarktpreisen und von der jährlichen Beschäftigungszeit ab.

Gaskraftwerke werden heute innerhalb der Merit Order überwiegend in der sog. Spitzenlast bei der Stromerzeugung eingesetzt, dh, wenn die Börsenstrompreise hoch sind und trotz hoher Erdgaspreise ein Gewinn erwirtschaftet werden kann.

Neue Gaskraftwerke sollen allerdings in der Lage sein, auch mit Wasserstoff betrieben zu werden. Dies setzt eine Reihe von technischen Modifikationen voraus, von denen man heute noch nicht weiß, ob sie technisch möglich sind und vor allem, ob sie wirtschaftlich betrieben werden können (Hinweis: Wenn´s der Stromverbraucher bezahlt, oder der Staat subventioniert, ja).

Ferner muss man eine gewisse Vorlaufzeit für den Bau von Kraftwerken berücksichtigen. Zwischen Planung, Genehmigung, Bau und Inbetriebnahme vergehen in der Regel mindestens sieben Jahre.

Alles in allem erscheint es deswegen eher fraglich, ob bis 2030 genügend Gaskraftwerke gebaut werden, die die Strombedarfslücke schließen können, wenn Kohlekraftwerke bis dahin abgeschaltet werden, der Strombedarf wie von der Bundesregierung geplant von heute 570 auf dann 680 – 750 TWh steigt und selbst wenn die installierte Leistung von Photovoltaik- und Windkraftanlagen gegenüber heute verdreifacht wird.

Aus heutiger Sicht erscheint es deswegen eher utopisch, bis 2030 zusätzliche Strommengen zu erzeugen, vor allem nicht mit Wind und Sonne, um den von der Bundesregierung angestrebten Ausbau der Elektromobilität und die Durchdringung des Gebäudeheizungsbereiches mit Wärmepumpen, die sehr stromintensiv sind, zu gewährleisten.

Stattdessen muss man davon ausgehen, dass es zu Strommangellagen kommt, bei denen der Strom rationiert werden muss, bzw. dass es, wie bereits seit einigen Jahren in der Republik Südafrika, zu “Rolling Blackouts” kommt, bei denen der Strom sequentiell in einigen Regionen stundenweise abgeschaltet wird.

Der Bundesnetzagentur ist das bereits jetzt schon klar und sie hat sich die Möglichkeit eingeräumt, Stromabschaltungen vorzunehmen, wenn das Netz überlastet ist.

Es kann also durchaus der Fall eintreten, dass Wärmepumpen zu Spitzenlastzeiten bei Kälteperioden im Winter abgeschaltet werden und die Bewohner sich zB in Tierfelle hüllen müssen, um nicht zu frieren.

Das rigorose Abschalten von Kraftwerken, die Strom bedarfsgerecht erzeugen können, deren Ersatz durch erneuerbare Energieanlagen, die Strom nur zufällig, von den Launen der Natur abhängig erzeugen, bei gleichzeitiger forcierter Elektrifizierung des Gebäudeenergiemarktes mit Wärmepumpen und Elektrifizierung des Verkehrs mit Elektromobilität, wodurch der Strombedarf massiv ansteigen wird, und dem absehbar unzureichendem Aufbau gesicherter Leistung durch Gaskraftwerke, um die abgeschaltete Leistung zu ersetzen, wird zu einer Strommangellage führen.

Kurz auf den Punkt gebracht: Es wird bis 2030 nicht genügend bedarfsgerechte Stromerzeugung geben für die ambitionierten Ausbauprogramme der Bundesregierung für Elektromobilität und Wärmepumpen – von der geplanten Elektrifizierung der anderen Wirtschaftszweige mal ganz zu schweigen.