Die Quadratur des Kreises – „Energiewende“ reloaded



24. Mai 2012

Nach der verlorenen Wahl in NRW überraschte uns Bundeskanzlerin Angela Merkel mit dem Rausschmiss von Umweltminister Norbert Röttgen.
Was im Einzelnen die Motive gewesen sein mögen, darüber kann man nur spekulieren. Die verlorene Wahl in NRW und das unglückliche Taktieren des Spitzenkandidaten der CDU im NRW Wahlkampf, Umweltminister Norbert Röttgen, waren wohl nicht der alleinige Grund, allenfalls der Anlass.

Aber es ist schon überraschend – und der verblüfften Öffentlichkeit kaum vermittelbar – dass Röttgen am Wahlabend noch ein hervorragender Umweltminister war, zwei Tage später aber ein Minister, dem man die Umsetzung der „Energiewende“ nicht mehr zutraute.

Immerhin fährt die schwarz-gelbe Koalition unter Angela Merkel einen klima- und energiepolitschen Radikalkurs, der wenige Jahre zuvor sogar unter Rot-Grün undenkbar gewesen wäre.

Der Jurist Norbert Röttgen wurde durch den Juristen Peter Altmaier als neuer Umweltminister ersetzt, der nun die Energiewende mit mehr Elan durchsetzen soll.

Die Durchsetzung der „Energiewende“ ist jedoch keine Aufgabe , die nur vom Umweltminister gestemmt werden kann. Sie hat profunde Auswirkungen in der Energie-, Wirtschafts- und Industriestrukturpolitik und kann deswegen nur in Zusammenarbeit mit dem Wirtschaftsressort und im Konsens mit den betroffenen Wirtschaftszweigen gemeinsam umgesetzt werden.

Im Grunde genommen kann dieses umfangreiche Aufgabenpaket nur von einem eigenen Energieministerium mit weitreichenden Kompetenzen gelöst werden.

Die Energiewende ist eine politische Zielvorgabe, die Wirtschaft und Gesellschaft „von oben“ aufgedrückt wurde. Sie trifft auf einen Wirtschaftszweig, nämlich die Energieversorgungsunternehmen, der marktwirtschaftlich organisiert ist. Die grundsätzliche Änderung der Stromerzeugungsstruktur erfordert letztlich gesetzliche Rahmenbedingungen, die die bestehende marktwirtschaftliche Struktur so abändern, dass die politischen Zielvorgaben erreicht werden können. Die bestehende marktwirtschaftliche Struktur muss also in eine quasi-planwirtschaftliche überführt werden.

Dies ist mit dem EEG, das die EVU´s dazu zwingt, Strom aus erneuerbaren Energien immer abzunehmen, wenn dieser erzeugt wird, bereits teilweise geschehen. Die bestehenden Anlagen der EVUs werden dadurch teilweise nicht mehr ausgelastet und können im Extremfall betriebswirtschaftlich nicht mehr kostendeckend gefahren werden.

Die erzwungene Abschaltung der Atomkraftwerke bis 2022 ist ein weiterer Schritt in diese Richtung, denn hierdurch wird ein signifikanter Teil der Erzeugungsstruktur außer Betrieb gesetzt, der gegenwärtig noch einen Teil der Stromerzeugung bedarfsgerecht und zu geringen Kosten gewährleistet. Sie stellt eine massive Kapitalvernichtung, also Enteignung oder zumindest Teilenteignung dar, deren Kosten mit Sicherheit nicht die EVUs tragen werden, sondern die Allgemeinheit über höhere Strompreise.

Ferner lautet eine andere politische Zielvorgabe, die CO2 Emissionen bis 2020 gegenüber 1990 um 40 % zu senken. Um dieses Ziel zu erträglichen Kosten zu erreichen, einigte man sich 2010 auf eine Laufzeitverlängerung der CO2 freien Atomkraftwerke, ein Ziel, welches nach Fukushima bekanntermaßen über Bord geworfen wurde.

Nun steht man vor der Aufgabe, sowohl die CO2 Minderungsziele als auch den vorgezogenen Atomausstieg unter Beibehaltung einer bedarfsgerechten Stromerzeugung zu bezahlbaren Preisen umzusetzen.

Das kommt jedoch der Quadratur des Kreises gleich. Denn zumindest eines dieser Ziele wird man nicht erreichen können. Das Ziel bezahlbarer Preise schmilzt ohnehin schon dahin wie ein Eisberg in der Sonne, denn bereits heute zahlen die Stromverbraucher ca. 14 Mrd. Euro pro Jahr für die zwangsweise Einspeisung erneuerbarer Energien. Ein Betrag, der in den kommenden Jahren noch deutlich anwachsen wird.

Eine bedarfsgerechte Stromerzeugung ist mit Erneuerbaren ohnehin nicht zu erreichen, da Wind und Sonne nicht immer ausreichend und teilweise gar nicht verfügbar sind (sie sind nicht grundlastfähig), so dass man grundsätzlich eine duale Erzeugungsstruktur aufrechterhalten – oder aufbauen – muss: Teilweise - soweit wie möglich - Erneuerbare, und für den Fall, dass Erneuerbare nichts beisteuern, eine alleinige Erzeugung durch nicht-erneuerbare traditionelle Stromerzeugung.

Allein die Tatsache, dass ein Jahr 8760 Stunden hat, die Sonne in Deutschland im Schnitt nur etwa 1600 – 1700 Std. scheint, also allenfalls 20% der Zeit, sollte zu denken geben.

Strom kann nicht großtechnisch im erforderlichen Umfang gespeichert werden; weder gibt es heute ausreichende Speichertechnologien noch sind welche in den kommenden Jahrzehnten absehbar.

Die Kapazität der abgeschalteten AKWs kann im Wesentlichen nur durch andere grundlastfähige Arten der Stromerzeugung ersetzt werden. Neben Stromimporten aus benachbarten EU Ländern kommt dafür nur fossile Erzeugung aus Kohle oder Gas infrage.
Hierdurch wären dann aber die CO2 Minderungsziele gefährdet, oder es müssten zu nicht einschätzbaren Kosten CO2 Zertifikate erworben werden, um die höheren CO2 Emissionen zu kompensieren. Die Kosten für den Erwerb der Zertifikate würden dann aber über den Strompreis auf den Stromverbraucher überwälzt werden, was zu einer weiteren Kostensteigerung führen würde.
Hinzu kommt der erforderliche Ausbau der Stromnetze, um Wind- und Sonnenstrom von den Erzeugerregionen zu den Verbraucherregionen zu leiten. Allein dies stellt ein Multimilliardenprojekt dar, dessen Kosten ebenfalls dem Stromverbraucher aufgebürdet werden.

Strom wird in den kommenden Jahren mit einiger Sicherheit noch erheblich teurer, als bereits jetzt. Es besteht die Gefahr einer eindimensionalen Fixierung der Politik auf den einmal beschlossenen Ausstieg aus der Kernenergie, die „Energiewende“, unter Missachtung der Ziele der Bezahlbarkeit und der bedarfsgerechten Erzeugung, der Versorgungssicherheit.

Gegenwärtig ist nicht absehbar und auch nicht darstellbar, wie diese Aspekte unter einen Hut gebracht werden können und wie diese Quadratur des Kreises gelingen soll.

Umweltminister nehmen die Rolle von Politkommissaren ein, quasi von Politruks, die die von „oben“ gewünschten politischen Zielvorgaben umzusetzen haben.

Norbert Röttgen ist nicht gescheitert, weil er unfähig war, sondern weil die Gesetze der Ökonomie und der Naturwissenschaft den politischen Zielvorgaben Grenzen setzen. Dies wird auch sein Nachfolger Peter Altmaier bald erkennen.