Wie wird der kommende Winter?

2. Dezember 2023

Alle Jahre wieder kommt nicht nur das Christuskind, sondern man stellt sich zu Beginn des meteorologischen Winters, der am 1. Dezember beginnt, die Frage, wie er den werden wird, der kommende Winter.

Wird es ein Winter im Sinne von Klimaminister Habeck werden, nämlich ein milder, in dem wenig Gas verbraucht wird und der Wind kräftig weht und demzufolge die Windstromerzeugung schön hoch ist (Sonne spielt keine große Rolle im Winter), oder wird es ein kalter, in dem viel Gas verbraucht wird und wenig Wind weht mit der Gefahr von Dunkelflauten, also wenig Windstrom erzeugt wird und die Kohlekraftwerke Sonderschichten fahren müssen?

Es gibt weltweit eine Reihe von Forschungsinstituten, die sich mit saisonalen Vorhersagen befassen und die auch für den bevorstehenden Winter Vorhersagen abgegeben haben.

Trotz der gegenwärtigen winterlichen Witterung rechnen die meisten dieser Forschungseinrichtungen mit einem eher zu milden Winter mit übernormalen Niederschlägen in Deutschland.

Auch wir haben in der Vergangenheit gelegentlich Winterprognosen abgegeben. Eine davon, die aus dem Jahre 2016 ist hier erwähnenswert.
Wir hatten im November 2016 die Vorhersage gemacht, dass der kommende Winter zu mild werden würde allein auf der statistischen Grundlage, dass ein sehr milder September (mehr als 2°C zu warm) seit Ende des 2. Weltkrieges noch nie von einem kalten Winter gefolgt wurde. Dies war in 10 Jahren der Fall. Auch der Winter 2016/17 fiel dann etwas zu mild aus, weswegen diese Vorhersage eingetroffen ist.

Diese Regel konnte auch in den Jahren 2018, 2020 und 2021 angewendet werden, in denen der September der mitteleuropäischen Temperaturreihe des Klimaforschers Franz Baur zufolge jeweils um mehr als 2° C zu warm war. In allen drei Jahren war der darauffolgende Winter teilweise erheblich zu mild, was das Vertrauen in diese rein statistische Regel stärkt, die nun seit Ende des 2. Weltkrieges 14 mal angewendet werden konnte und 14 mal eingetroffen ist.

In diesem Jahr, 2023, war der September in Deutschland mit einer Temperaturabweichung von mehr als + 3,0°C extrem mild, weswegen allein auf dieser Grundlage ein milder Winter 2023/24 vorhergesagt werden könnte.

Ferner sollte man folgendes berücksichtigen. Wer in den letzten 30 - 35 Jahren zu Beginn des meteorologischen Winters einen milden Winter vorhergesagt hat, lag zu 85 – 90% richtig,

Denn nur in wenigen Jahren, nämlich 1995 /96 und 2009/10 lag die Temperatur des gesamten Winters, also der Monate Dezember – Februar unter den Normalwerten der Periode 1761 - 1960, also der Zeit vor dem globalen Temperaturanstieg.

Dies auch dann nicht, wenn es zwischenzeitlich einmal kürzere, teils auch extreme Kälteperioden gegeben hat, wie zB im Februar 1991, im Februar 2012 oder im Februar 2021.

Deswegen lag man mit der Vorhersage eines zu milden Winters in den vergangenen Jahrzehnten fast immer auf der sicheren Seite.

Hauptursache milder Winter in Europa ist eine verstärkte West – Südwestströmung, mit der milde Luftmassen vom Atlantik bis weit nach Osteuropa transportiert wurden, die mit einer positive Phase der sog. NAO einhergeht, die ein Maß für die Stärke der Westwinddrift über dem Atlantik ist.

Warum sollte es dieses Jahr auch anders sein? In der Tat sieht es den meisten Wettervorhersagen zufolge gegenwärtig auch so aus, als ob das augenblickliche winterliche Intermezzo nach dem Nikolaustag, dem 6. Dezember, enden und in den Folgetagen ein rascher Übergang zur winterlichen Normalwitterung in Deutschland stattfinden würde, nämlich, windig, mild und regnerisch.

Wenn es da nicht ein paar Ausrutscher geben würde. Denn das Phänomen fast durchweg zu milder Winter in den vergangenen 30 – 35 Jahren ist ein europäisches Phänomen.

Außerhalb Europas hat es durchaus sehr kalte Winter gegeben, wie zB in Nordamerika 2009/2010, 2013/2014, im Westen der USA 2022/2023 und auch über Sibirien und Ostasien sind gelegentlich kalte Winter aufgetreten, im Sinne kälter als normal versteht sich (s. zB die monatlichen Klimaübersichten hier).

Die Ursache milder Winter in Europa ist, wie oben bereits dargelegt, eine verstärkte West – Südwestströmung, mit der milde Luft vom Atlantik bis weit nach Osteuropa geführt wird. Dies ist generell bei einer Luftdruckkonstellation Tief im Norden (kräftiges Islandtief), Hoch im Süden (kräftiges Azorenhoch) der Fall.

Ändert sich diese Verteilung so, dass im Norden ein Hoch liegt und im Süden ein Tief, so ändern sich auch die Luftströmungen:

Statt milder Luft vom Atlantik kommt Kaltluft aus Norden, entweder feuchte Kaltluft vom Polarmeer, oder trockene Kaltluft aus Skandinavien oder Nordrussland.

Die Verteilung von Hoch- und Tiefdruckgebieten über und um Europa herum ist also entscheidend dafür, welche Witterung bei uns herrscht. Das gilt natürlich nicht nur im Winter, sondern grundsätzlich in allen Jahreszeiten.

Im Winter spielen Hochdruckgebiete über Skandinavien, Nordrussland und Sibirien eine besondere Rolle für die Witterung in Europa und natürlich deswegen auch für Deutschland.

Denn diese Hochdruckgebiete blockieren den Weg von Tiefdruckgebieten, die vom Atlantik nach Nordosten ziehen und lenken ihre Zugbahn nach Süden ab, sodass sie nicht mehr über Skandinavien nach Osten oder Nordosten, sondern über Mitteleuropa oder teilweise auch über das Mittelmeer nach Osten ziehen.

Deutschland, vor allem der Norden, gerät dann in den Zustrom von Kaltluft aus Osten, Norden oder Nordosten.

Verfolgt man die Vorhersagen der einzelnen Wetterdienste in den vergangenen Tagen, dann zeigt sich, dass genau die Bildung von Hochdruckgebieten über Nordrussland und Skandinavien der Joker für die Wetterentwicklung in den nächsten 10 Tagen ist.

So errechnen einige Computer – Wettermodelle für die Zeit nach Nikolaus eine kräftige Südwestströmung und Durchmilderung bis auf 10° in Norddeutschland, andere den Aufbau eines Hochs über Skandinavien und Nordrussland, wodurch Kaltluft aus Osten herangeführt wird, und die Temperaturen zB am 8. Dezember tagsüber bei -5° oder bei knapp unter Null verharren sollen.

Die Modelle zeigten in den letzten Tagen keine Konsistenz untereinander und auch nicht in der zeitlichen Aufeinanderfolge von Vorhersagezeitpunkt zu Vorhersagezeitpunkt.

Dies gilt insbesondere für Vorhersagezeiträume von mehr als 7 – 8 Tagen, in denen die Abweichungen zwischen den Modellprognosen teilweise extrem sind, weswegen diese Vorhersagen keinerlei praktischen Wert haben und reine Phantasieprodukte sind.

Man weiß also aus Sicht heute (1. Dezember 2023) nicht, wie es nach dem 6. Dezember weiter geht. Bis dahin sollte es wohl winterlich bleiben.

Sollte sich die milde Variante durchsetzen, besteht eine relativ hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Winter insgesamt zu mild ausfällt, weil die Erhaltungs- und Wiederholungswahrscheinlichkeit von West- Südwestwetterlagen, die in der ersten Dezemberhälfte auftreten, relativ hoch ist.

Sollte sich die andere Variante durchsetzen, lassen sich keine Aussagen für den Rest des Winters machen, weil sowohl die Blockierung der Westströmung durch Hochs über Skandinavien und Nordrussland länger andauern als auch abgelöst werden könnte durch eine milde Westströmung.

Derartige Wetterlagen brechen oft kurz vor Weihnachten zusammen und machen dem sog. Weihnachtstauwetter Platz, einer milden Südwestströmung.

Dies war beispielsweise Anfang und Mitte Dezember 2022 der Fall, als ebenfalls eine frühwinterliche Kälteperiode aufgetreten ist, auch bedingt durch eine Zirkulationsumkehr über dem Nordatlantik und Europa, die aber nach Monatsmitte zusammengebrochen ist und durch eine winterliche Normalzirkulation abgelöst wurde: Windig, mild und regnerisch. Der Winter 2023/23 war insgesamt zu mild .

Man wird in einigen Tagen mehr wissen, welche Variante sich als zutreffend heraus stellt.

Zusammenfassend und unter Berücksichtigung aller Aspekte kann man aber mit einer relativ hohen Sicherheit davon ausgehen, dass der Winter 2023/24 in Deutschland zu mild werden wird, auch wenn es zwischenzeitlich kürzere winterliche Episoden geben kann, wie dies im Augenblick der Fall ist.

Trotz allem gilt natürlich wie immer: Vorhersagen sind halt schwierig, besonders, wenn sie die Zukunft betreffen…