Extreme Hitzewelle nächstes Wochenende?

12. Juni 2022

Vorhersagen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen. Dieses Bonmot trifft nicht nur auf die Kunst der Klimavorhersagen, sondern natürlich auch auf die Wettervorhersagen zu.

Besonders schwierig sind Wettervorhersagen im Sommerhalbjahr, wenn sie über einen Zeitraum von ca. fünf Tagen hinausgehen.

Dies hat sich deutlich in den letzten Tagen gezeigt. Seit mehreren Tagen zeigen einige der sog. numerischen Vorhersagemodelle (also der von Computern errechneten Wettervorhersagen) gegen Ende der kommenden Woche, also etwa von Freitag, den 17. – Sonntag, den 19. Juni 2022 eine kurze, aber heftige Hitzewelle für West- und Mitteleuropa, also auch für Deutschland.
In Frankreich sollen die Temperaturen gebietsweis auf über 40°, in Deutschland auf Werte über 35° steigen.

Das Problem bei diesen Vorhersagen ist, dass sie von Vorhersagezeitpunkt zu Vorhersagezeitpunkt (also, ob die Vorhersage auf Grundlage der 00 GMT oder der 12 GMT Eingangsdaten berechnet wurde) und von Vorhersagemodell zu Vorhersagemodell (also dem deutschen, dem amerikanischen oder dem europäischen) stark variierten.

So zeigte sich beispielweise bei einem Modell der Höhepunkt der Hitzewelle am Sonnabend, den 18. Juni, während eines der anderen Modelle für diesen Termin bereits den Durchzug einer Kaltfront berechnete.

12 Stunden später war wieder alles komplett anders – und von Modell zu Modell ebenfalls.

Der absolute Höhepunkt der Diskrepanzen zwischen den einzelnen Modellvorhersagen wurde jedoch in den heutigen Vorhersagen auf Basis der Eingangsdaten von 00 GMT 12. Juni 2022 erreicht.

Ich kann mich nicht daran erinnern, während meiner Berufszeit als Meteorologe jemals derartige Diskrepanzen in der Wettervorhersage zwischen den einzelnen Modellen gesehen zu haben.

Und zwar geht es um die Vorhersage für Sonntag, den 19. Juni 2022 12 GMT, d. h. 14 Uhr MESZ.

So zeigt das europäische Wettervorhersagemodell ECMWF für Mitteleuropa entlang eines Streifens etwa entlang der Autobahn A2 von Hannover bis zur polnischen Grenze Temperaturen von sage und schreibe 38°

Glaubt man dem amerikanischen Modell GFS, sollen zwar in Brandenburg Temperaturen um 35° auftreten, im östlichen Niedersachsen aber “nur” um die 30°.

Folgt man jedoch dem kanadischen Vorhersagemodell GEM, dann muss man zum gleichen Zeitpunkt kommenden Sonntag bei regnerischen Wetter nur mit….ta, da … 12° rechnen.

Zu diesem Ergebnis gelangt auch das Vorhersagemodell ICON des deutschen Wetterdienstes. Hiernach sollen es 13° bei regnerischen Wetter werden.

Auch bereits für den Sonnabend, einen Tag früher, treten erhebliche Differenzen auf. So erwartet der DWD für das östliche Niedersachsen lediglich 25 – 26°, der ECMWF jedoch um die 35°, der kanadische Wetterdienst, ähnlich wie der deutsche um 26°.

Der amerikanische Wetterdienst GFS rechnet mit ca 32°.

Für Sonntag Nachmittag betragen die Differenzen zwischen den berechneten Temperaturen der einzelnen Wetterdienste also 25 - 26°, nämlich 38° in einem und 12° im anderen Fall.

Das ist die größte Diskrepanz zwischen vorhergesagten, bzw. mit Modellen voraus berechneten Temperaturen, an die ich mich persönlich erinnern kann. Es ist ferner die größte Differenz, die zwischen den Höchsttemperaturen in dieser Jahreszeit in Norddeutschland überhaupt auftreten kann: 38° ist das eine Extrem, 12° das andere.

Was bedeutet das für die Vorhersagepraxis?

Glaube im Sommerhalbjahr keiner Computervorhersage, die über fünf Tage hinaus geht.

Einige Modelle errechnen Vorhersagen bis zu 10 Tagen, das GFS sogar bis zu 16 Tagen (384 Std). Diese Vorhersagen sind also für die Vorhersagepraxis de facto wertlos. Es sind Science – Fiction Vorhersagen, die allenfalls von akademischem Interesse sind.

Was ist die mögliche Ursache dieser starken Differenzen?

Sehr wahrscheinlich ist es die Unfähigkeit der Modelle, die Stärke, Position und den Ablauf von sog. Cut – Off Low Ereignissen korrekt vorher zu modellieren.

Denn das Auftreten von extremen Hitzewellen in Norddeutschland ist an das Auftreten von stationären Cut – Off Lows über dem Ostatlantik, etwa zwischen Portugal und den Azoren, gebunden.

Wie bereits hier genauer ausgeführt, sind diese stationären Tiefs dafür verantwortlich, dass an ihrer Ostseite aus der Sahara auf dem kürzesten Landwege Heißluft zur Iberischen Halbinsel, dann nach Frankreich und anschließend nach England, Benelux und nach Deutschland geführt wird. Dies war bereits die Ursache der extremen Hitzewellen im Juni und Juli 2019.

Bezogen auf die gegenwärtige Situation geht das europäische Modell davon aus, dass das Tief zwischen Portugal und den Azoren die ganze Woche über erhalten bleibt und ab Sonnabend sogar von Norden her re-generiert wird, wodurch der Heißluftstrom an der Vorderseite nochmal angefacht wird.

Das kanadische und das deutsche Modell gehen demgegenüber davon aus, dass das Tief zwischen Portugal und den Azoren ab Sonnabend nach Osten wandert und deswegen der Heißluftstrom aus der Sahara unterbrochen wird.

Zudem soll diesen beiden Modellen zufolge ein Tief vom Nordatlantik sich nicht nach Süden ausweiten und das vor Portugal liegende Tief verstärken, sondern mehr nach Osten in Richtung England und Nordfrankreich wandern und somit die Heißluft nach Südosten abdrängen.

Welche Variante sich schlussendlich durchsetzen wird, oder ob sich noch eine völlig andere Entwicklung einstellt, bleibt abzuwarten.

Wie gesagt, Vorhersagen sind schwierig, besonders, wenn sie die Zukunft betreffen.

Das gilt offenkundig auch im Zeitalter der Wettervorhersagen mit Supercomputern.