Klimawandel und Mortalität26. November 2024Seit einiger Zeit gibt es eine intensive Diskussion über die gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels. In den Mittelpunkt der Debatte scheinen in den letzten Jahren die gesundheitlichen Auswirkungen von Hitzewellen gerückt zu sein. In Deutschland wurde diese Debatte ua von Gesundheitsminister Karl Lauterbach angefacht, der Hitzeschutzpläne aufstellen will, um die Bevölkerung zu schützen. Aber auch andere Akteure haben kräftig mitgemischt, so zB das ZDF “Universalgenie” Harald Lesch, aber auch der “Klimaexperte” Eckart von Hirschhausen. Fakt ist, dass Hitzewellen nicht nur in Deutschland deutlich häufiger geworden sind (erkennbar zB an der Zahl sog. Heißer Tage, Tage mit einer Höchsttemperatur von mehr als 30°, die sich etwa verdoppelt haben seit den 1980er Jahren) sondern auch in Südeuropa, wie zB kürzlich veröffentlichte Studien über Hitzewellen an der kroatischen Adria und an der Cote d´Azure in Südfrankreich gezeigt haben. In diesen Studien wird auch auf die Ursachen dieser Hitzewellen eingegangen, und es zeigt sich, dass die Hauptursache in Zirkulationsanomalien zu suchen und auch zu finden ist, durch die Heißluft aus der nordwestlichen Sahara erst nach Spanien und dann nach Nordosten und Osten nach Frankreich und weiter zum Balkan transportiert wird. Dies entspricht inhaltlich und in den Schlussfolgerungen den Analysen, die wir auf diesen Seiten bereits vor einiger Zeit hier und hier durchgeführt haben. Fakt ist, dass die Mortalität ( sog. “excess mortality”) bei zunehmenden Hitzewellen zunimmt. Fakt ist jedoch ferner, dass die Mortalität bei Kälte generell 5 – 10 mal höher ist, als bei Hitze. Bei einer Klimaerwärmung kann man deshalb annehmen, dass zwar die Mortalität durch Hitzewellen zunimmt, die Mortalität durch Kälte aber stärker abnimmt, da sich nicht nur die Sommertemperaturen durch den Klimawandel erhöhen sollen, sondern auch die Wintertemperaturen. Per Saldo hätte die Klimaerwärmung sogar positive Auswirkungen, da die Abnahme der Mortalität im Winter größer ist, als die Zunahme im Sommer. Kürzlich ist eine Studie veröffentlicht worden (zitiert hier ), in der eine Reihe neuerer wissenschaftlicher Erkenntnisse berücksichtigt wurden, die über die auf diesen Seiten schon mehrfach zitierte Arbeit von Gasparrini et al, 2015 hinausgehen, bzw sie an einigen Stellen vertiefen und ergänzen. Diese Studie gelangt zu folgenden wichtigeren Erkenntnissen (siehe Details hier ). Die nachfolgenden Zitate beziehen sich auf diese Studie: 1. Sie bestätigt die aus vorherigen Studien bekannten Ergebnisse, dass die “excess mortality” durch Kälte etwa neunmal so hoch ist, wie die excess mortality durch Hitze. 2. Hitze und Kälte waren nicht die Hauptursache von Todesfällen, sondern sie waren beitragende Faktoren zu bereits vorhandenen Krankheiten. Zudem kommt es zu einem sog. "Harvesting Effekt", dh Todesfälle, die etwas später ohnehin eingetreten wären, wurden nur vorgezogen 3. Empirische Studien, die den zeitlichen Verlauf der excess mortality der letzten Jahrzehnte untersucht haben, zeigen, dass die excess mortality abgenommen hat, trotz – oder sogar wegen – der in dieser Zeit aufgetretenen globalen Erwärmung (weil der Rückgang der kältebedingten Mortalität größer war, als die Zunahme der hitzebedingten Mortalität) 4. In vielen Regionen hat sogar die hitzebedingte Mortalität abgenommen, was zum Teil auf auf die stärkere Marktdurchdringung mit Klimaanlagen, aber auch auf Verhaltensänderungen zurückgeführt wird 5. Ein wichtiger Faktor ist die Akklimatisierung der Menschen an verschiedene Klimate. Dies ist in Abb. 6 gezeigt, aus der hervorgeht, dass die optimale Temperatur (dh, die Temperatur, bei der die temperaturbedingte Mortalität ein Minimum hat) in kühlen Klimaten wesentlich niedriger ist, als in warmen Klimaten. 6. In heißen Klimaten führt eine weitere Erwärmung nur zu geringeren Anstiegen der hitzebedingten Mortalität, als in kühlen Klimaten (s. Abb. 2 in der Studie). Die Häufigkeitsverteilungen in Abb. 2 zeigen jedoch, dass extreme Hitze wesentlich seltener auftritt, als suboptimale kühle Temperaturen, weswegen diese Temperaturen ein wesentlich höheres Risiko für erhöhte Mortalität darstellen. 7. In Tabelle 1 ist das Verhältnis zwischen kälte- und hitzebedingter excess mortality für verschiedene Regionen und Klimazonen der Welt gezeigt. Man sieht, dass sogar in den heißen Regionen der Welt, wie Afrika und Südasien, die kältebedingte Mortalität um ein Vielfaches höher ist, als die hitzebedingte. 8. Entlang der Zeitachse hat einer Reihe von Studien zufolge die hitzebedingte Mortalität in vielen Regionen der Welt abgenommen, was als Hinweis auf zunehmende Resilienz gegenüber Hitze, aber auch auf zunehmende Marktdurchdringung mit Klimaanlagen zurückgeführt wird (s. Abb. 11 und folgende Textteile, sowie der Hinweis auf IPCC AR 6, Kapitel 16.2.3.5). Siehe dazu auch die Abb, 12, in der für verschiedene Regionen der USA eine abnehmende hitzebedingte Mortalität zwischen 1975 und 2010 gezeigt wird. Vergleichbares geht auch aus Abb. 15 hervor, in der gezeigt wird, dass in den meisten der dort dargestellten Länder die hitzebedingte Mortalität in den letzten Jahrzehnten zurückgegangen ist, trotz Erwärmung. 9. Allgemein hat die kältebedingte Mortalität in den meisten Regionen der Welt abgenommen, teilweise sehr deutlich, und generell erheblich mehr, als die hitzebedingte Mortalität zugenommen hat (s. Abb. 18). 10. Computermodellierungen mit mehreren Emissionsszenarien zeigen bis Ende des 21. Jahrhunderts einen Anstieg der hitzebedingten Mortalität, besonders das sehr unwahrscheinliche RCP8.5 Szenario (bei dem mehr als das Doppelte der nachgewiesenen Reserven an fossilen Energieträgern verbrannt werden sollen), das realistischere RCP4.5 Szenario zeigt eine ausgeglichenere Entwicklung, bei der eine Zunahme der hitzebedingten Mortalität durch eine vergleichbare Abnahme der kältebedingten Mortalität kompensiert wird. 11. Das wirft die Fage auf, ob diese Computermodellierungen im Lichte der beobachteten Entwicklung der letzten Jahrzehnte realistisch sind, die durch eine generelle Erwärmung charkterisiert waren, denn die Abnahme der kältebedingten Mortaliät war fast durchweg größer als die Zunahme der hitzebedingten Mortalität, soweit dies überhaupt beobachtet wurde, denn auch die hitzebedingte Mortalität hat generell abgenommen (s. Ziffer 8). Dies nährt den Verdacht, dass die modellierten Veränderungsraten nicht die Adaption und Akklimatisierung berücksichtigen, wohl auch nicht die Marktdurchdringung mit Klimaanlagen, die in den letzten Jahrzehnten eingetreten ist. Insgesamt zeigt diese Studie, deren Ergebnisse auf einer doch nicht unerheblichen Zahl von Veröffentlichungen in der Fachliteratur basieren, ein differenzierteres, um nicht zu sagen völlig anderes, Bild von den Auswirkungen der globalen Erwärmung auf die menschliche Gesundheit, soweit diese von den Umgebungstemperaturen abhängt, als das üblicherweise in den Medien dargestellte, das generell ein Bild von katastrophalen Auswirkungen und drastisch steigender Mortalität durch den Klimawandel zeichnet. Dies ist offensichtlich unzutreffend, wie allein schon die Tatsache zeigt, dass die kältebedingte excess mortaliy 5 – 10 mal größer ist als die hitzebedingte. Die Studie hat zudem gezeigt, dass in den letzten Jahrzehnten nicht nur die kältebedingte excess mortaliy durch die generelle globale Erwärmung deutlich abgenommen hat, sondern auch, wenn auch wesentlich schwächer, die hitzebedingte, was durch Akklimatisierung und Anpassungsmaßnahmen aber auch durch technologische Veränderungen, wie die zunehmende Verbreitung von Klimaanlagen erklärt werden kann. |
|