UN Klimakonferenz in Durban: Kyoto lebt – Kyoto ist tot

16. Dezember 2011

Auch die diesjährige UN Klimakonferenz folgte dem altbekannten Muster: Den Erwartungshorizont niedrig hängen, um dann in letzter Sekunde, wenn die Mehrzahl der Delegierten eigentlich schon gar nicht mehr anwesend sein dürfte, weil sie ihre Rückflüge verpasst haben, der Großteil der verbleibenden Teilnehmer auf den Gängen des Konferenzzentrums erschöpft in einem Koma ähnlichen Schlaf liegt, ein Karnickel aus dem Hut zaubern und alle sagen: Ah! Die Konferenz ist doch erfolgreich gewesen!

Obwohl das Medienecho durchaus gespalten war. In Deutschland reagierte man eher verhalten, die Umweltschützer waren natürlich – wie immer - enttäuscht, die angelsächsischen Medien waren indes durchaus begeistert von dem Ergebnis.

Was wurde beschlossen:

1. Das Kyoto Protokoll soll über 2012 hinaus weiter geführt werden

2. Bis Ende 2015 soll ein „rechtlich bindendes Instrument“ beschlossen werden, in dem sich auch die Entwicklungsländer, die bislang von verbindlichen Begrenzungs- und Reduzierungsmaßnahmen ausgenommen waren, ab 2020 zu Treibhausgas Emissionsminderungen bzw. –begrenzungen verpflichten.

3. Der Green Climate Fund soll detaillierter ausgestaltet werden.


Besonders das zweite Ergebnis ist als signifikant zu bewerten, da es die sog. „Non-Annex 1“ Länder, die Entwicklungsländer, bislang kategorisch abgelehnt haben, sich zu verbindlichen Maßnahmen zu verpflichten, üblicherweise unter Hinweis darauf, dass die Industrieländer (die sog. Annex 1 Länder) in der Pflicht stünden, ihre Treibhausgasemissionen zu reduzieren, während die Entwicklungsländer darauf pochten, ihre wirtschaftliche Entwicklung nicht einschränken zu müssen.

Nun ist vor allem China, das seit 2007 weltweit größter CO2 Emittent ist, kein Entwicklungsland mehr, allenfalls Schwellenland. Indien ist inzwischen zum drittgrößten CO2 Emittenten aufgestiegen, und „Klimaschutz“-Abkommen, die die größten Emittenten außen vor lassen, machen wenig Sinn.

Die Einbindung der Entwicklungsländer inklusive Chinas und Indiens, ist auch deswegen bedeutsam, weil sich die USA, vor allem der für die Ratifizierung zuständige Senat, bislang geweigert haben, das Kyoto Protokoll mit dem Hinweis darauf zu ratifizieren, dass die großen Entwicklungs- und Schwellenländer nicht in das Abkommen eingebunden sind. Deswegen auch die positive Resonanz in Teilen der angelsächsischen Medien, die dieses Ergebnis als Erfolg Präsident Obamas werten.

Welche Form und welchen Inhalt ein bis 2015 zu verhandelndes Abkommen haben wird, steht dabei völlig in den Sternen. Man darf erwarten, dass darüber auf den kommenden Klimakonferenzen hart gerungen wird.

Das zweite Ergebnis, die Fortführung des Kyoto Protokolls über 2012 hinaus, ist aus mehreren Gründen wichtig.
Zunächst darf man davon ausgehen, dass die Nicht Annex 1 Staaten die Fortführung des Kyoto Protokolls, das nur Reduzierungs- und Begrenzungsverpflichtungen für die Industrieländer enthält, zur Vorbedingung dafür gemacht haben, dass sie selbst ab 2020 ebenfalls Verpflichtungen eingehen werden.
Also ohne die Fortführung des Kyoto Protokolls über 2012 hinaus keine Verpflichtung der Entwicklungsländer, was zum völligen Scheitern der Durban Konferenz geführt hätte.

Ein weiterer wichtiger Grund ist – vor allem aus der Perspektive der Wirtschaft – dass die so genannten projektbezogenen flexiblen Instrumente des Kyoto Protokolls, vornehmlich der “Clean Development Mechanism“ über 2012 hinaus weitergeführt werden und Emissionsminderungsrechte, die in den Nicht Annex 1 Staaten geschaffen wurden, in den Annex 1 Staaten weiterhin zur Erfüllung von Minderungsverpflichtungen eingesetzt werden können. Diese sog. CERs können z. B. im gewissen Umfang im Rahmen des europäischen Emissionshandelssystems EU-ETS zur Erfüllung von Minderungsverpflichtungen eingesetzt werden, wodurch die Kosten der Zielerreichung sinken, da CERs weniger kosten als die "normalen" Emissionsrechte des EU-ETS.
Der Preis der CERs war vor und im Laufe der Konferenz stark eingebrochen, weil sie ab 2013 wertlos zu werden drohten, stieg aber am Montag nach der Konferenz steil an.
Vor allem die angelsächsische Finanzpresse zeigte sich hiervon begeistert.

Was bringt die Fortführung des Kyoto Protokolls aber wirklich für das Klima - jenseits der günstigen wirtschaftlichen Auswirkungen in Emissionshandelssystemen und der politischen Signalwirkung?

Kyoto war 1997 angetreten, um signifikante Emissionsminderungen im größten Teil der Industrieländer herbeizuführen. Voraussetzung für das Inkrafttreten war die Ratifizierung durch 55 Staaten, wobei 55 % der Emissionen der Industrieländer erfasst werden sollten.
Dieses Quorum war im Februar 2005 durch die Ratifizierung der Russischen Föderation erfüllt, obwohl die USA, seinerzeit noch weltweit größter CO2 Emittent, Kyoto nicht ratifiziert haben.

Nach Durban haben sich im Wesentlichen nur die EU und einige kleinere Länder, wie die Schweiz, Norwegen und Neuseeland zu weiteren Minderungen in der zweiten Verpflichtungsperiode 2013 – 2017 verpflichtet.
Wie groß diese Minderungen sein werden, steht noch nicht fest; dies wird in den kommenden Jahren verhandelt werden. Die EU hat angeboten, bis 2020 verglichen mit 1990 30% zu mindern, wenn sich andere Industrieländer zu vergleichbaren Minderungen verpflichten. Daraus wird nun aber nichts.
Denn die USA werden sich unter Kyoto zu nichts verpflichten, Japan, die Russische Föderation und Kanada, das aus dem Kyoto Protokoll komplett aussteigt, werden in der zweiten Verpflichtungsperiode keine weiteren Verpflichtungen übernehmen.
Dies bedeutet, das Kyoto Protokoll wird von Ländern weitergeführt, die nur für lediglich ca. 15 % der weltweiten Emissionen verantwortlich sind. Inwieweit unter diesen Voraussetzungen das Kyoto Protokoll rechtlich überhaupt noch aufrecht zu erhalten ist, wird wohl noch diskutiert werden, denn das Quorum von 55% der Emissionen in den Industrieländern ist nach 2012 weit verfehlt, da die USA, die Russische Föderation, Japan und Kanada keine über 2012 hinausreichenden Verpflichtungen eingehen werden.

Kyoto ist zu einem zahnlosen Tiger degeneriert, seine Zeit ist abgelaufen. Es ist kein Instrument mehr, um die Emissionen der Industriestaaten in klimarelevanter Weise zu senken. Es passt nicht mehr in eine Welt, deren CO2 Emissionen zunehmend von anderen Staaten dominiert werden, als von denen, die unter Kyoto 1997 Verpflichtungen eingegangen sind.

Kyoto wird aus Gründen der politischen Optik künstlich am Leben gehalten, aber in Wirklichkeit ist kyoto klinisch tot. Am Leben gehaltenwird es aber aus einem weiteren Grund, den wir bereits genannt haben: Um der Forderung der Entwicklungsländer nachzukommen, die Industriestaaten müssten weitere Verpflichtungen nach 2012 übernehmen.

Wie aus den Medien bekannt ist, hat sich eine „Einheitsfront“ zwischen der EU, die klimapolitisch an vorderster Front marschiert und den Entwicklungsländern formiert. Die EU will ein neues Klimaabkommen, auch unter Einbindung der Entwicklungsländer, die Entwicklungsländer lehnen eigene Verpflichtungen im Grunde ab.

Und jetzt kommt der Green Climate Fund (GCF) ins Spiel, über den ab 2020 pro Jahr 100 Mrd. US$ von den Industrieländern an die Entwicklungsländer fließen sollen.

Vereinfacht ausgedrückt ist in Durban folgender Deal gelaufen: Wir, die Entwicklungsländer, verpflichten uns zu Klimaschutzmassnahmen, wenn ihr – die Industrieländer - uns das bezahlt (über den GCF).
Die Einheitsfront zwischen der EU und den Entwicklungsländern ist nicht allein aus der Erkenntnis entstanden, dass das Weltklima bedroht ist und die internationale Staatengemeinschaft handeln muss, sondern vor allem deswegen, weil die klimamoralisierende EU einen klimapolitischen Erfolg brauchte und die Entwicklungsländer darin eine Chance gesehen haben, von den Industrieländern Geld locker zu machen. Bei der internationalen Klimapolitik geht es nicht um Menschenfreundlichkeit, sondern um eiskalte Interessenpolitik.
Die Entwicklungsländer interessiert weniger das Klima in 50 oder 100 Jahren, sondern die jeweiligen nationalen Interessen hier und heute.

Zudem ist es immer einfach, sich zu etwas zu verpflichten, wenn ein anderer das bezahlt.

Woher dann noch ab 2020 100 Mrd. US$ pro Jahr kommen sollen, besonders angesichts der Finanzkrise, weiß niemand, hat sich auch keiner Gedanken drüber gemacht, weil es wichtiger war, in Durban ein Ergebnis vorzuweisen.

Auf jeden Fall wird weiter verhandelt, in 2012 in Katar.

Auch ein schönes Winterreiseziel.