Mehr Energiewende - Propaganda



5. April 2013


Die Energiewende wird fast schon ein Langweiler – allein auf Climatetruth haben wir schon so viel darüber (dagegen) geschrieben, dass man fast schon meinen könnte, alles was man jetzt noch dazu sagen kann, wurde schon einmal gesagt, und es lohnt sich nicht, das Gleiche noch einmal zu wiederholen.
Aber dieses Spiel der Wiederholungen der immer gleichen oder ähnlichen Argumente wird auch von den Medien in extenso gespielt, frei nach dem Motto: Trink Coca-Cola kann man gar nicht oft genug sagen. Werbung und Propaganda leben von der Wiederholung immer des Gleichen, bis es in den Köpfen der Menschen fest verankert ist, bis es auch der Letzte glaubt, egal, ob es wahr ist, oder nicht.

In der letzten Zeit gab es mehrere Beispiele dafür. Das erste fand am 21.März 2013 - wie so oft - im Rahmen einer Talkshow statt, diesmal bei Maybrit Illner. Teilnehmer der Runde waren „die üblichen Verdächtigen“, in diesem Fall BMU Altmaier, Claudia Kemfert vom DIW, Jürgen Trittin, sowie zusätzlich Werner Brinker vom EVU EWE, Roland Tichy von der Wirtschaftswoche und als Extra-Einlage Luise Neumann - Cosel, eine Berliner Energiewende Aktivistin. Treffender Titel der Sendung: Albtraum Energiewende .

Um nicht noch mal das aufzuwärmen, was schon allzu oft gesagt wurde, beschränken wir uns diesmal auf zwei Punkte, die von den Protagonisten der „Energiewende“ vorgetragen wurde.
Der erste ist, dass durch die Energiewende die Strompreise an der Energiebörse EEX in Leipzig fallen, dies aber von den EVUs nicht an die Verbraucher – Privathaushalte - weitergegeben werde.
Claudia Kemfert weiß es mit Sicherheit besser, deswegen überrascht es, dass sie diese These verfochten hat. Denn die momentanen und tagesaktuellen Strompreise an der EEX haben mit den Strompreisen der Privathaushalte sehr wenig zu tun, die bereits Monate im Voraus fest kontrahiert werden.

Weswegen fallen aber manchmal die tagesaktuellen Strompreise an der EEX durch die erneuerbaren Energien? Weil es für erneuerbaren Strom eine Abnahmeverpflichtung gibt, egal ob der Strom gerade gebraucht wird, oder nicht. Normalerweise wird nur genau soviel Strom erzeugt, wie gerade gebraucht wird, denn Strom kann man nicht speichern. Es gibt Zeiten, da scheint die Sonne viel, oder es weht ein starker Wind.
Dann wird viel erneuerbarer Strom erzeugt, der abgenommen und in das Stromnetz eingespeist werden muss, egal ob Bedarf besteht, oder nicht. Der einmal in das Netz eingespeiste Strom muss aber aus Gründen der Netzstabilität „verbraucht“ werden, egal ob Bedarf besteht, oder nicht.
Wenn man etwas verkaufen will, wofür es keinen Bedarf gibt, muss man nach den Gesetzen der Marktwirtschaft den Preis so lange senken, bis man einen Käufer findet, bis hin zu der absurden Situation, dass dieser Strom einen negativen Preis hat, was bedeutet, man bezahlt den Käufer noch dafür, dass er den Strom abnimmt. Den Käufer findet man oftmals jenseits der deutschen Grenze, z. B. in den Niederlanden oder in Polen.

Will heißen: Der Produzent von erneuerbaren Strom bekommt seine Einspeisevergütung, die der private Stromverbraucher bezahlt, auf jeden Fall, egal ob für seinen Strom Bedarf besteht, oder nicht. Wegen der Netzstabilität muss der Strom aber verwertet werden, auch wenn er verschenkt werden muss.

Dies führt einem den absoluten Irrsinn dieser Form der Finanzierung der „Energiewende“ vor Augen: Der Verbraucher muss für erneuerbaren Strom über die Einspeisevergütung und die EEG Umlage für Strom bezahlen, der nicht gebraucht wird und zu Billigpreisen verschleudert wird.

Das führt uns im Vorgriff zur nächsten Meldung dieser Tage, nämlich, dass Strom aus Deutschland 2012 ein Exportschlager war. Diese Meldung wurde wie einst eine Erfolgsmeldung aus dem Oberkommando der Wehrmacht mit stolzer Brust publik gemacht, um es den Kritikern an der Energiewende mal richtig zu zeigen. Denn, so lautet wohl die implizite Logik, trotz Energiewende haben wir keine Stromknappheit, sondern wir können sogar noch Strom exportieren.
Weswegen das so ist, wird verschwiegen: Weil erneuerbarer Strom, für den dem Verbraucher über die EEG Umlage ein hohes Entgelt in Rechnung gestellt wird, abgenommen werden und wegen der Netzstabilität, egal zu welchem Preis, verschleudert werden muss, auch ins Ausland.
So erklärt sich diese Meldung von den hohen Stromexporten. Sie ist kein Beweis dafür, dass die Energiewende funktioniert, sondern im Gegenteil ein Beweis für den Irrsinn dieser Form der Finanzierung der „Energiewende“. Das Ganze würde man eher als eine Eulenspiegelei ansehen, wenn es nicht so ernst wäre.


Der zweite Punkt ist die Frage, ob das deutsche Modell einer Energiewende beispielgebend und vorbildhaft ist, oder ob der amerikanische Weg des massiven Ausbaus der Erdgasförderung durch das sog. Fracking der bessere Weg in die Energiezukunft sei.
Von den Protagonisten der „Energiewende“, Claudia Kemfert und Jürgen Trittin, war natürlich kaum etwas anderes zu erwarten als die klare Ablehnung des Frackings, wegen möglicher Gefahren für die Umwelt. Was beide zu erwähnen vergaßen ist die Tatsache, dass die amerikanische Umweltbehörde EPA massiv gegen Fracking eingeschritten wäre, wenn eine tatsächliche Gefährdung der Umwelt bestünde.
Durch Fracking ist der Erdgaspreis in den USA von ca. 14 – 15 USD pro Mio BTU im Jahre 2008 auf etwa 3 USD derzeit gesunken. Fracking, die Förderung von unkonventionellem Schieferöl und –gas ist die größte energiewirtschaftliche Revolution der vergangenen Jahrzehnte.
Eine Revolution, die in Deutschland und in einigen anderen europäischen Ländern nicht stattfinden wird, aber praktisch überall sonst auf der Welt. Auf mittlere Sicht, ca. 5 – 10 Jahre wird sich das auch auf die Energiepreise hierzulande auswirken.

Nicht der deutsche Sonderweg einer „Energiewende“ hin zu Erneuerbaren wird zum weltweiten Erfolgsmodell, wie Claudia Kemfert trotzig zum Ende der Sendung verkündete, sondern die immer weiter um sich greifende Förderung der unkonventionellen Öl- und Gasvorkommen.

Das führt uns zur nächsten Meldung dieser Tage. Einer Prognos Studie zufolge, die von der KfW in Auftrag gegeben wurde, rechnet sich Wärmedämmung an Wohngebäuden nicht, denn Kosten in Höhe von 838 Mrd. Euro bis 2050 stünden nur Einsparungen in Höhe von 370 Mrd. Euro gegenüber, wenn man eine CO2 Minderung um 80% am Wohngebäudebestand erzielen will. Einen Tag später wurden dann schon wieder andere Zahlen genannt.

Eines der Argumente , die für den wirtschaftlichen Nutzen der Wärmedämmung sprechen sollte, war die Annahme, dass die Energiepreise immer weiter steigen werden, etwa so, wie zwischen 1998 und 2008, als der Ölpreis von ca. 10 USD auf ca. 140 USD pro bbl stieg.
Ein langfristiger Ölpreisanstieg in der gleichen Größenordnung ist wohl eher unwahrscheinlich, aus den bereits oben aber auch hier genannten Gründen, die für eine technische Revolution der Gewinnungs- und Fördertechniken bei Öl und Gas sprechen, wodurch die Energiepreise tendenziell eher fallen, aber nicht endlos weiter steigen werden.

Offenbar stehen und fallen aber die Ergebnisse jeder Studie mit den Eingangsprämissen. Am wirtschaftlichen Nutzen von Wärmedämmungsmaßnahmen am Gebäudebestand haben wir bereits hier starke Zweifel geäußert.

Greifen wir einen weiteren Faden aus der Sendung von Maybrit Illner auf. Die Berliner Energiewende Aktivistin Luise Neumann – Cosel (die, am Rande bemerkt, das Vattenfall Stromnetz aufkaufen will, um dann eine „richtige“ Energiewende in Berlin durchzuführen) wies en passant auch noch einmal darauf hin, was passieren würde, wenn man keine Energiewende durchführe: Denn dann käme die Klimakatastrophe, diese Kosten sollte man sich auch einmal vor Augen führen, wenn man über die Kosten der Energiewende spreche. Als ob man mit der Energiewende in Deutschland das Weltklima retten könnte.

Niemand hat Frau Neumann – Cosel offenbar darüber aufgeklärt, dass sie in Deutschland so viele Stromnetze kaufen und Energiewenden durchführen kann, wie sie will, aber erstens reduziert sie mit Wind- und Sonnenstrom keine einzige Tonne CO2, und zweitens, auch wenn sie die gesamten Emissionen Deutschlands auf Null zurückfahren würde, wäre die Auswirkung auf das Klima eine Zehnerpotenz unter der Nachweisbarkeitsgrenze.

Frau Neumann – Cosel unterliegt, wie so viele andere auch, der Klimapolitikillusion: Sie glaubt, wenn wir in Deutschland recht viel CO2 reduzieren, dann ist das Weltklima gerettet. Oder: Wenn sie das Vattenfall Stromnetz übernimmt, dann ist das Weltklima gerettet – jedenfalls so ähnlich kam es rüber.

Wie es mit der Klimadebatte weitergehen könnte, zeigt uns ein Beitrag von Jeffrey Sachs, einer der profiliertesten Trommler für die Sache der Energiewende auf der anderen Seite des Atlantiks. In seinem Beitrag für „Project Syndicate“ „Paths to sustainable power“ legt er dar, weswegen die Welt raus aus fossilen Energien und rein in Erneuerbare (aber auch in Kernenergie und CCS, Carbon Capture and Storage) muss: Nämlich erstens, um die Versauerung der Ozeane zu beenden bzw. zu vermeiden, zweitens, um die Klimakatastrophe abzuwenden, und schließlich um den weiter steigenden Preisen für fossile Energien entgegen zu wirken. Grund zwei und drei kennen wir ja bereits, hoch gerückt auf Platz eins der Agenda ist die Versauerung der Ozeane.

Man fragt sich: Wieso der Themenwechsel? Zieht das Klimaargument nicht mehr? Erkennen die Protagonisten der Klimakatastrophe etwa, dass das Klimaargument die Öffentlichkeit nicht mehr aufzurütteln vermag? Und dass man möglicherweise ein anderes Umweltargument braucht, um das zu erreichen, was man eigentlich erreichen will, nämlich die Abschaffung der verhassten Industriegesellschaft?

Sachs teilt nebenbei noch ein paar polemische Seitenhiebe gegen „Big Oil“ aus, die er als Zweifler an der Klimakatastrophenthese verortet und sie gleich auf eine Stufe mit Tabakkonzernen stellt, die ebenfalls mit scheinwissenschaftlichen Argumenten und politischem Lobbying ihre Interessen vertreten hätten. Sachs verweigert sich, wie das grün-alternative Spektrum allgemein, einer Sachauseinandersetzung über entscheidende Fragen der Klimaproblematik und meint, ein Hinweis auf Industrieinteressen sei ausreichend, um den Sachverhalt zu klären.

Der Beitrag von Jeffrey Sachs ist hier aber trotzdem von Interesse, weil er Deutschland und Frankreich als Beispiele für Staaten nennt, die ihre Energieversorgung dekarbonisiert haben (Frankreich), oder dies tun wollen (Deutschland) aber jeweils mit völlig unterschiedlichen Mitteln: Frankreich mit der Kernenergie, Deutschland mit erneuerbaren Energien.
Wie Deutschland eine Energieversorgung mit Erneuerbaren - im Wesentlichen Wind und Sonne – realisieren will, ist ihm nicht klar, aber es sei trotzdem der richtige Weg, denn Deutschland sei klar geworden, dass die Welt aus der fossilen Energienutzung aussteigen müsse. Dies sei die richtige Entscheidung.

Jede Nation müsse für sich entscheiden, was für sie der richtige Weg sei. Frankreich hat die Kernenergie gewählt, in Asien wählen viele Länder den gleichen Weg.

Man muss Sachs immerhin zugute halten, dass er – anders als die deutschen Grünen – auch der Kernenergie und CCS eine Rolle bei der Dekarbonisierung der Wirtschaft zugesteht.
Insoweit sind seine Ausführungen für die Debatte in Deutschland nur von eingeschränkter Relevanz.
Aber man muss sich fragen, ob ihm die Finanzierungsmechanismen der deutschen Energiewende gewärtig sind, denn bei allen Bestrebungen, die Energieversorgung mit Erneuerbaren zu dekarbonisieren, kann man nicht außer acht lassen, dass Erneuerbare unstet und erheblich teurer sind als die traditionelle fossile oder nukleare Energieversorgung.

Erneuerbare können gegen die installierte und existierende Erzeugungskapazität nur mit massiver Subventionierung bestehen. Auch dann sind sie nicht in der Lage, eine Grundversorgung bereitzustellen, denn es gibt teilweise längere Zeitabschnitte, in denen weder die Sonne scheint, noch der Wind weht. Ausreichende Stromspeicherkapazitäten gibt es nicht und sind auch für die nächsten Jahrzehnte nicht absehbar. Wo soll dann die Energie herkommen?

Fragen, grundsätzliche Fragen, die man auch in der Runde bei Maybrit Illner hätte stellen müssen. Stattdessen verhedderte man sich in Detailfragen, wie dem Netzausbau und der Netzstabilität, die zwar sehr wichtig sind, aber nicht entscheidend bei der Frage, ob eine bedarfsgerechte Stromversorgung mit Erneuerbaren überhaupt möglich ist.

Auch Altmaiers Strompreisbremse ist zwar gut gemeint, aber nicht zielführend für die Frage, wie denn der Ausbau der Erneuerbaren weitergehen soll, wenn man diesen Ausbau seines Finanzierungsmechanismus´ beraubt, denn eine Strompreisbremse bedeutet nichts weiter als das.

Eines steht sicherlich fest: Wir haben nicht den letzten Themenabend zur „Energiewende“ gesehen.