Mehr Klimarealismus?



16. Januar 2012


Selten genug kommt es vor in dieser Welt, die nach ständig alarmierenderen Meldungen über den Klimawandel zu schreien scheint , um den politischen Druck für drastische Klimaschutzmassnahmen weiter zu erhöhen, dass man in der Fachliteratur Veröffentlichungen liest, die den Hyperbolismus der Medien doch etwas gerade zu rücken scheinen.

Eines der neueren Beispiele hierfür ist eine Veröffentlichung in Geophysical Research Letters vom 10. Januar 2012.

Die Autoren um N. P. Gillet haben mit einem der neuesten und modernsten Klimamodelle Rechnungen durchgeführt, in denen sie den beobachteten Temperaturverlauf der Erde zwischen 1850 und 2010 zu simulieren versuchten.
Dabei haben sie sowohl natürliche Einflussparameter als auch den erwärmenden Einfluss der Treibhausgase und den abkühlenden von Schwefelemissionen, die beim Ausstoß von CO2 durch die fossile Energienutzung ebenfalls auftreten, berücksichtigt. Anschließend haben sie die Ergebnisse mit den beobachteten Trends verglichen und Modellprojektionen für die künftige Erwärmung durch Treibhausgase mit den Beobachtungen skaliert.
Ihr Ergebnis ist, dass sich das Klima zum Zeitpunkt einer CO2 Verdoppelung mit ca. 1,3 – 1,8°C erwärmt, erheblich weniger als bisherigen Projektionen zufolge, wobei besonders bemerkenswert ist, dass die Spannbreite der erwarteten Erwärmung erheblich geringer ist als bislang häufig unterstellt. Extreme Erwärmungsraten von bis zu 6°C, die in den Medien und in alarmistischen Studien, wie z. B. im Stern Review, besonders gerne zitiert werden, sollen nicht auftreten.

Was diese Arbeit besonders wichtig und interessant erscheinen lässt, sind jedoch einige Details der Simulierung.

Wir hatten bereits hier darauf hingewiesen, das climatetruth die in den IPCC Berichten dargelegte zentrale Annahme nicht teilt, dass der beobachtete Temperaturverlauf der Erde mit Klimamodellrechnungen deswegen vereinbar ist, weil die simulierte starke Erwärmung durch Treibhausgase durch den abkühlenden Effekt der Schwefelemissionen soweit kompensiert wird, dass im globalen Mittel eine Übereinstimmung vorliegt.

Der Gillet et al (21012) Artikel zeigt nun, weswegen dies sehr unwahrscheinlich ist: Nämlich eine zu starke Erwärmung durch Treibhausgase wird durch eine zu starke Abkühlung durch Schwefelemissionen kompensiert. Mit anderen Worten: Die bisherigen Modellprojektionen des globalen Temperaturtrends treffen nur deswegen zu, weil zwei falsche Modellergebnisse mit umgekehrten Vorzeichen sich ausgleichen.

In den Worten von Gillet et al (2012):



However, while the simulated trends are somewhat larger than observed over much of the Southern Hemisphere and tropics, the simulated warming is much weaker than observed over most of the Northern Hemisphere mid- and high-latitude continents. This is due to strong aerosol-induced cooling in the model (Figure 2d), which cancels out much of the greenhouse-gas-induced warming in these regions (Figure 2c). These results suggest that the aerosol-induced cooling may be somewhat too strong in the model.

Und weiter:



Over the period 1951–2000 our analysis indicates a smaller GHG attributable warming, balanced by somewhat smaller OTH and NAT cooling than those shown by Hegerl et al. [2007] based on a 1900–1999 regression and other models.

Ferner:



However, our estimate of GHG-attributable warming is both lower and more tightly constrained than that derived using data from the 20th century only. This results in an estimate of TCR of 1.3–1.8°C, which is towards the lower end of the observationally constrained range assessed by Hegerl et al. [2007]. Our observationally-constrained estimates of 21st warming under the RCPs are also relatively tightly constrained and substantially lower than the warming simulated directly by CanESM2

Und schliesslich folgende wichtige Schlußfolgerung



This means that if a climate model overpredicts past greenhouse-gas-induced warming, then it is expected to also overpredict future greenhouse-gas-induced warming, and this effect may be corrected by multiplying projected changes by a scaling factor derived from past changes.


Mit anderen Worten: Wenn ein Klimamodell die Vergangenheit zu stark erwärmt hat, sind auch die Projektionen für die Zukunft zu hoch.

Die wahre Brisanz dieser Arbeit erschließt sich jedoch aus den Abb. 2 a – d .
Hier sind regionalen Temperaturtrends zwischen 1850 – 2010 für die verschiedenen Modellsimulationen gezeigt. Besonders die Abb. 2b und 2d sind wichtig. In 2 b ist die modellierte Erwärmung unter Berücksichtigung aller Faktoren gezeigt, d.h. Treibhausgase, Schwefel und natürliche Faktoren.
Man sieht, dass sich den Modellrechnungen zufolge die mittleren Breiten der Nordhemisphäre nur sehr geringfügig erwärmt haben sollten, weil dort die Erwärmung durch Treibhausgase wegen der Abkühlung durch Schwefel fast völlig kompensiert werden müsste (s. Abb. 2d, aus der hervorgeht, dass die schwefelbedingte Abkühlung auf die mittleren Breiten der Nordhemisphäre konzentriert ist). Die Südhemisphäre und die Tropen hätten sich hingegen durch den Einfluss der Treibhausgase stark erwärmen müssen, diese Regionen haben sich aber in den Worten Gillet et al’s (21012) weniger stark erwärmt als in den Modellsimulationen.
Man müsste also eine wesentlich stärkere Erwärmung der Südhemisphäre als der Nordhemisphäre beobachten. Das Gegenteil ist jedoch der Fall; besonders in den letzten Jahrzehnten hat sich die Nordhemisphäre pro Jahrzehnt fast dreimal so stark erwärmt wie die Südhemisphäre.

Hieraus muss man fast zwingend schlussfolgern, dass die Erwärmung durch Treibhausgase und besonders die Abkühlung durch Schwefel in Klimamodellen zu stark simuliert wird.
Der IPCC „Trick“ im Dritten Zwischenbericht 2001, eine Übereinstimmung zwischen Klimamodellrechnungen und –beobachtungen zu postulieren kann dadurch erklärt werden, dass man eine zu starke Erwärmung durch Treibhausgase durch eine zu starke Abkühlung durch Schwefel überkompensiert hat. Der Trick fliegt in dem Augenblick auf, wenn man die unterschiedlichen Forcings und Erwärmungsraten in Nord- und Südhemisphäre miteinander vergleichen kann, wie es z. B. die Arbeit von Gillet et al (2012) gestattet.

Vielleicht wird diese Arbeit doch den Weg zu etwas mehr Klimarealismus in der öffentlichen und vor allem der veröffentlichten Debatte über den Klimawandel ebnen. Denn extreme Klimaszenarien, die die Grundlage für politischen Klimaextremismus bilden, lassen sich immer weniger aufrecht erhalten.