Virtue Signalling als Strategie in der Klimapolitik

11. August 2018

Früher gab es mal den Grundsatz: Tue Gutes und rede darüber. Heute scheint es es den Grundsatz zu geben: Stelle deine Tugendhaftigkeit und moralische Überlegenheit öffentlich zur Schau und werbe damit um Beifall und Anerkennung.

Hierfür hat sich seit kurzen der Anglizismus “Virtue Signalling” eingebürgert. Dabei geht es nicht darum, was man tut, sondern was man verbal verkündet. Es geht darum, in der öffentlichen, mehr noch in der veröffentlichten Meinung, mit seiner Meinung gut da zu stehen.

Das Einwerben um Beifall und Anerkennung durch beredte Zurschaustellung von moralischer Überlegenheit und Tugendhaftigkeit ist zu einem wichtigen Kommunikationsmittel in den Medien, vor allem in den sozialen Medien, geworden.

Wer seine moralische Überlegenheit auf Facebook, auf Twitter usw. gut zur Schau stellt, bekommt viele “Likes”, hat viele “Follower” und bekommt viel Beifall in den Talkshows, wichtige Foren für “Virtue Signalling”.

Das moralisch “richtige” Narrativ in der Umwelt- und Klimapolitik wird durch die Medien definiert, die in Deutschland zu etwa Dreiviertel grün – alternativ bzw. öko – sozialitisch eingestellt sind. Das heißt, dieses Narrativ wird durch die grüne Ideologie bestimmt.

Virtue Signalling im Umweltbereich orientiert sich also an der grünen Ideologie des Ökologismus, der zum gesellschaftlich akzeptierten Leitfaden avanciert ist, vor allem in der neuen gesellschaftlichen Mitte des grün – alternativen Bildungsbürgertums.

Da kommt auch die Industrie nicht dran vorbei, wenn sie um gesellschaftliche Akzeptanz bei den grün – alternativen Medien buhlt.

Ein geradezu typisches Beispiel dafür ist ein Gastbeitrag von E.ON Chef Johannes Teyssen im Handelsblatt vom 20. Juli 2018

Teyssen meint, die Industrieländer hätten den Klimawandel verschuldet und können sich nicht mehr wegducken. Der von ihnen verschuldete Klimawandel habe besonders in den Ländern südlich der Sahara katastrophale Auswirkungen und sei eine der Ursachen für die Flüchtlingsbewegungen aus dieser Region. Dies werde sich künftig noch verschlimmern.

Teyssen:

Wer glaubt, der Klimawandel betreffe uns in Europa allenfalls in ferner Zukunft, macht sich etwas vor. Der Klimawandel ist bei uns angekommen, auch durch immer mehr Menschen, die vor seinen Auswirkungen nach Europa fliehen.


Teyssen´s Beitrag spiegelt in der Tat das gängige Narrativ in den Medien wider.

Wie so oft bei der Darstellung von Umweltthemen in den Medien ist auch das Narrativ der Verantwortung der Industriestaaten für die Umweltkatastrophen in den Ländern der Dritten Welt Fake News.

Wir hatten dies bereits vor einigen Jahren beklagt, sogar an einem Beispiel aus dem Bereich der der schulischen Bildung. Auch die Enzyklika Laudato Si des Papstes aus dem Jahre 2015 verficht zu Unrecht diese These.

Vielleicht sollte sich Teyssen (und nicht nur er) einmal die Mühe machen, statt Studien von Umweltorganisationen, von denen man weiß, dass sie immer stark alarmistisch eingefärbt und selten faktengetreu sind, für bare Münze zu nehmen, etwas sorgfältiger zu recherchieren.
Dann wäre ihm vielleicht aufgefallen, dass das Narrativ “der Klimawandel ist einer der Hauptgründe für die Flüchtlingswelle” sehr fragwürdig ist, allein schon deswegen, weil “Klimaextreme” (gemeint sind wohl Wetterextreme, was etwas ganz anderes ist), wie Wirbelstürme, Tornados, Unwetter, Überschwemmungen, Dürren weltweit in den vergangenen Jahrzehnten überhaupt nicht zugenommen haben, jedenfalls kein Ausmaß erreicht haben, dass die natürliche Schwankungsbreite überschreitet.

Vor allen Dingen nicht in den Regionen Afrikas südlich der Sahara. Dort hat es zwischen den 1960er und den 1980er Jahren in der Tat eine lange Dürre- Episode gegeben. Seither haben aber wieder reichlichere Niederschläge eingesetzt, was dort zu einer Begrünung geführt hat. Das ist inzwischen allgemein bekannt.

Wie kommt er dann darauf, dass der Klimawandel, der sich dann wohl positiv ausgewirkt haben muss, wenn man die Zunahme der Niederschläge in der Sahelzone dem vom Menschen verursachten CO2 Anstieg in der Atmosphäre anlasten wollte, eine Ursache für die Migrationsströme aus den Regionen südlich der Sahara nach Europa sei?

Er kommt deswegen darauf, weil es beim Virtue Signalling nicht um Faktenanalyse geht, sondern darum, das allgemein akzeptierte Narrativ ebenfalls zu akzeptieren, um seine Demut und Tugendhaftigkeit kundzutun, es aber auf keinen Fall zu hinterfragen.

Virtue Signalling ist Teil einer Echo – Kammer, die in den grün – alternativen Medien, also eigentlich bei allen in Deutschland, sehr stark ausgeprägt ist. Es wird immer wiederholt, was andere vor einem schon tausend Mal gesagt haben, um die Ernsthaftigkeit seines Bekenntnisses zum allgemein akzeptierten moralischen Narrativ, in diesem Fall zur Idee des Klimaschutzes, unter Beweis zu stellen.

Teyssen geht noch einen Schritt weiter in der Akzeptanz des alarmistischen Narrativs von Umweltorganisationen. Er übernimmt die Behauptung, die Industrieländer seien für die heute beobachteten Klimaschäden verantwortlich (die es de facto ohnehin nicht gibt, nur Schäden durch Extremereignisse, die es schon immer gegeben hat, die aber mit oder ohne Klimawandel nicht zugenommen haben).

Teyssen ist Energiewirtschaftler. Er sollte die weltweiten CO2 Emissionszahlen eigentlich kennen. Sie werden jedes Jahr beispielsweise in den “BP Statistical Review of World Energy” veröffentlicht.

Dort kann man auf S. 49 nachlesen, dass die CO2 Emissionen der Nicht- Industrieländer die Emissionen der Industrieländer bereits im Jahre 2007 deutlich überstiegen haben. Im Jahre 2017 lagen sie etwa 69% über denen der Industrieländer. Die Emissionen der Industrieländer sind in den letzten 10 Jahren etwa 9% gesunken, die der EU ca. 16% und diejenigen der USA um ca. 14%.

Der gesamte Emissionszuwachs der letzten 10 Jahre von etwa 3,4 Mrd. t CO2 ist auf den kräftigen Emissionsanstieg in den Nicht – OECD Ländern, d. h. in den Entwicklungs- und Schwellenländer zurückzuführen. Die Emissionen dieser Länder sind um etwa 4,5 Mrd. t CO2 gestiegen, die der OECD Länder 1,1 Mrd. t gesunken. In absoluten Zahlen emittieren die Industrieländer heute 14,45 Mrd. t CO2 und die Entwicklungsländer 20,63 Mrd. t.

Da die Nicht – OECD Länder (die Entwicklungs- und Schwellenländer) bereits seit einiger Zeit mehr CO2 emittieren als die OECD Länder (die Industriestaaten) ist die Behauptung, die Industrieländer seinen für die Wetterextreme in den Ländern der Dritten Welt verantwortlich, schlicht und einfach Nonsens – egal, wie oft das von irgendwelchen Grünen Gruppierungen behauptet wird. CO2 Emissionen könnten allenfalls für die Zunahme verantwortlich sein, nicht aber für deren Auftreten an sich, was derartige Einlassungen oftmals suggerieren.

Da diese Extreme aber nicht zugenommen haben, entbehrt diese Debatte überhaupt jeglicher Grundlage.

Die BP- Zahlen verdeutlichen auch die Absurdität der klimapolitischen Aktivitäten in Deutschland. Alles, was hierzulande unter großer Kraftanstrengung und zu enormen Kosten an CO2 eingespart wird, wird anderswo in kurzer Zeit mehr emittiert.

Man sollte sich daran erinnern, dass selbst die sofortige 100%ige Reduktion der CO2 Emissionen in Deutschland oder auch in Europa eine vernachlässigbare Auswirkung auf das Weltklima hätte, auch wenn Klimamodellrechnungen zutreffend wären: Der modellierte Anstieg von 3 – 5°C soll nicht wegend er gegenwärtigen Emissionen eintreten, sondern wegen der erwarteten, wesentlich höheren Emissionen in der Zukunft – überwiegend aus den Nicht – OECD Ländern.

Tatsächlich geht es bei diesen Aktivitäten auch nicht um realen “Klimaschutz”, sondern im Wesentlichen um Virtue Signalling, nämlich darum, die Ernsthaftigkeit seines Bekenntnisses zur Idee des Klimaschutzes nach aussen hin zu demonstrieren.

Wenn man bspw. die Fahrradwege ausbaut und die öffentlichen Verkehrsmittel fördert, statt den privaten PKW Verkehr, rettet man damit nicht das Weltklima, sondern will seiner Umgebung zeigen, dass man ein guter Mensch ist, der es Ernst meint mit der Rettung des Weltklimas. Virtue Signalling.

Ähnliches ist hier in einem Interview mit dem Klimaforscher Mojib Latif zu lessen.

Latif meint, Deutschland tue viel zu wenig im Klimaschutz und Kanzelerin Merkel würde im Zweifelsfall vor der Automobilindustrie einknicken.

Man fragt sich, was Latif eigentlich damit meint. Abgesehen davon, dass es dem Weltklima herzlich gleichgültig ist, ob Deutschland 800 Mio t oder 0 Mio. t CO2 emittiert (s. oben), gibt es in Deutschland einen Klimaschutzplan 2050, der die Grundlage der Klima- und Energiepolitik der Großen Koalition ist (s. hier). Ziel dieses Plans ist die de – facto vollständige De – karbonisierung der deutschen Volkswirtschaft bis 2050 – ungeachtet der damit einhergehenden absehbar nachteiligen wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen.

Auch akzeptiert Deutschland die Pariser Klimavereinbarung vollumfänglich.

Was will Latif eigentlich noch? Alles was er fordert, ist bereits in der Klimapolitik Deutschlands fest verankert.

Es kann ihm eigentlich nur darum gehen, noch einmal nachzutreten, zu zeigen, dass man für das Klimaschutz – Narrativ eintritt. Virtue Signalling.

Auch der Streit um Details, ob man aus der Kohle 2020 oder 2040 aussteigt, ob man die Elektromobilität forciert oder nicht (ist sowieso nicht klimafreundlicher als ein moderner Diesel), ist ein rein politischer ohne reale Konsequenzen für das Klima. Er dient höchstens dazu, die Ernsthaftigkeit seines Bekenntnisses zur Idee des Klimaschutzes kundzutun: Noch einmal Virtue Signalling.

In die gleiche Richtung geht auch dieser Kommentar hier, der als Beispiel für viele gleich – oder ähnlich lautende in diesen Tagen gelten kann:

Da wird impliziert suggeriert, wegen der gegenwärtigen Hitze und Dürre müsste die Dekarbonisierung schneller vorangetrieben werden.

Dass die Hitzewelle die politische Debatte weiter anheizt, zeigt sich auch daran, dass man in Niedersachsen über ein Klimagesetz berät, mit dem die niedersächsichen Klimaziele konkret verankert warden sollen.
Der Klimaschutz müsse den Rang einer Verfassungsvorgabe erhalten, was am Rande bemerkt eine weitere Forderung in Schellnhubers Grosser Transformation aus dem Jahre 2011 ist.
Diese Grosse Transformation wird im Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung umgesetzt und ist auch in der GROKO Koalitionsvereinbarung in den Abschnitten Energie und Klima festgeschrieben.

Man stelle sich diesen Irrsinn vor: Das kleine Land Niedersachsen will mit der Reduzierung seiner paar mickrigen Millionen Tonnen CO2 Emissionen das Weltklima retten. Ein Klimaeffekt von zwei Zehnerpotenzen unterhalb der Messbarkeitsgrenze soll zum Preis einer De - Industrialisierung des Landes erkauft werden. Schlimmer geht´s nimmer.

Denn das ist Virtue Signalling in Reinkultur. Dem Weltklima ist es, wie bereits gesagt, gleichgültig, ob Deutschland 800 oder 0 Mio t CO2 emittiert. Der Reduzierungspfad für Deutschland ist im Klimaschutzplan 2050 fest vorgezeichnet. International sind CO2 Minderungen und Begrenzungen im Pariser Klimaabkommen (allerdings rechtlich unverbindlich) festgelegt.

Klimapolitik ist, wie Politik generell, überwiegend Symbolpolitik. Wer auf der Klaviatur dieser Symbolpolitik am besten und am lautesten spielt, erhält den meisten medialen Zuspruch – auch und vor allem in den sozialen Medien.