Climategate und die umweltpolitische Führungsebene in Deutschland: Kognitive Dissonanz?



3. Mai 2010


Climategate hat in den deutschen Medien ein gespaltenes Echo hervorgerufen: Während in Teilen der Medien die Bedeutung Climategates für die Glaubwürdigkeit der Klimaforschung erkannt wurde – so auch in den hier zitierten „Spiegel“ Beiträgen -, ging man anderswo in Deckung und verwarf die ganze Debatte als ein irrelevantes, von den bösen Klimaskeptikern angezetteltes Theater, das die Kernaussagen der Klimaforschung unberührt lasse und nur vom Thema ablenke, nämlich dass drastische Emissionsminderungen erforderlich seien, um die Welt vor der Klimakatastrophe zu retten.

So in etwa liest sich auch die Einschätzung des WBGU (Wissenschaftlicher Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen) in einem Politikpapier „Klimapolitik nach Kopenhagen – Auf drei Ebenen zum Erfolg. Der WBGU kann in Deutschland als eine der maßgeblichen Institutionen mit Vordenkerfunktion für die umweltpolitische Marschrichtung gelten. Was hier formuliert wird, wird oft von der Politik aufgegriffen und in Maßnahmen umgesetzt. Zu Climategate liest man hier im Abschnitt „Die Welt nach Kopenhagen“:

„An den wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Klimawandel und der Begründung der 2°C Leitplanke ändern die jüngsten Mediendebatten über den angeblichen „Alarmismus“ und die „Manipulationen“ der Klimaforschung nichts. Auch wenn im vierten Sachstandsbericht des IPCC (2007) in einem Regionalkapitel eine falsche Zahl zur Gletscherschmelze im Himalaya zitiert wurde, entbehren die meisten der in einigen Medien kritiklos verbreiteten Meldungen zu weiteren Fehlern jeder sachlichen Grundlage. Die Folgerungen des IPCC Berichtes sind in wichtigen Punkten keineswegs übertrieben, sondern im Lichte neuerer Forschungsergebnisse und Messdaten eher optimistisch. Zum Beispiel übertreffen der Anstieg des Meeresspiegels und der Schwund des arktischen Meereises bereits die IPCC Projektionen…..“

Aha. Wenn wir den WBGU nicht hätten, wären wir doch glatt auf die „von einigen Medien kritiklos verbreiteten Meldungen“ hereingefallen…... Aber ernsthaft: Dieser Abschnitt des WBGU Papiers fordert doch zu einer genaueren Betrachtung heraus.

Worum geht es? Es geht um die Glaubwürdigkeit der Klimawissenschaft. Und jeder der des Lesens fähig ist, kann selbst nachvollziehen – egal wie, von wem und in welcher Form in den Medien darüber berichtet wurde – was in den publik gewordenen e-mails selbst drin steht. Und aus diesen Original-Quellen wird ersichtlich, dass die hier beteiligten Wissenschaftler, die im IPCC Prozess eine Schlüsselrolle einnehmen, versucht haben, ihre vorgefaßte Auffassung, die gegenwärtige Wärmeperiode sei einzigartig in den letzten 1000 Jahren, gegen jede abweichende Meinung und wissenschaftliche Erkenntnis durchzusetzen eben doch „alarmistisch“ gewirkt haben.

Gibt es für weitere, in einigen Medien „kritiklos verbreitete Meldungen“ wirklich keine sachliche Grundlage?

Mitnichten, es gibt sie natürlich.

Denn es wurde bekannt, dass im IPCC 2007 nicht nur der Abschnitt über die Gletscherschmelze im Himalaya an der Realität vorbeiging, sondern auch diejenigen über angeblich sinkende Ernteerträge in Afrika und die Gefährdung des Regenwaldes im Amazonas ( mehr hier).

Noch wichtiger aber ist die Erkenntnis, dass die Behauptung angeblich durch den Menschen verursachter Schadenszunahmen durch Wetterextreme nicht haltbar ist. Es gibt für diese Behauptung keine wissenschaftliche Grundlage.

Gerade die zunehmenden Schäden durch Unwetter, wie Stürme, Überschwemmungen, Hurrikane und Tornados nehmen in der medialen Debatte fast schon eine zentrale Rolle ein, wenn es um die Beschreibung der erwarteten Auswirkungen des Klimawandel geht; kaum ein Bericht über den Klimawandel kommt ohne einen Verweis hierauf aus – angereichert mit Schreckensbildern von Sturm- und Überschwemmungsschäden.

Wenn dieses Bild revidiert werden muss – und es muss dringend – dann hat sich sehr wohl etwas an den wissenschaftlichen Erkenntnissen über die Auswirkungen des Klimawandels geändert.

Insofern sind einige der Aussagen des IPCC Berichtes „in wichtigen Punkten“ doch übertrieben und durch solide wissenschaftliche Erkenntnisse nicht untermauert.

Weiter vertritt der WBGU die Auffassung, der Anstieg des Meeresspiegels und der Schwund des arktischen Meereises übertreffe bereits die IPCC Projektionen.

IPCC 2007 projiziert einen Meeresspiegelanstieg von 18 – 59 cm bis 2100, übrigens deutlich weniger als IPCC 2001 oder IPCC 1996 (s. nachfolgende Tabelle, rechte Spalte)
Table SPM.1.
Projected global average surface warming and sea level rise at the end of the 21st century. {Table 3.1}
tabelle
Der beobachtete Verlauf des Meeresspiegelanstieges und der Meereisbedeckung in der Arktis und der Antarktis in den letzten Jahrzehnten ist in der nächsten Abbildung gezeigt.

Meereseisbedeckung











Schauen wir zunächst auf die linke Seite der Abbildung. Hier sehen wir den Trend im Meeresspiegelanstieg. Er beträgt etwa 3.5 mm pro Jahr, was in 100 Jahren einen Anstieg von 35 cm bedeuten würde. Wieso stellt dies einen Anstieg dar, der die Projektionen des IPCC übertrifft? Er liegt ziemlich genau in der Mitte des vom IPCC projizierten Bereiches von 18 - 59 cm.

Schauen wir auf die rechte Seite der Abbildung. Hier ist oben die Eisausdehnung der Arktis und unten die der Antarktis gezeigt. In der Arktis fand zwischen 2000 und 2007 ein rascher Schwund der Eisausdehnung statt, der allerdings in 2008 und 2009 ein Ende gefunden hat. 2010 hat sich die Eisbedeckung wenig verändert.

Ein völlig anderes Bild stellt sich in der Antarktis, unten rechts in der Abb. dar. Hier hat die Meereisausdehnung in den letzten Jahrzehnten im Trend zugenommen, was die These einer Treibhausgasbedingten Erwärmung nicht gerade untermauert.

Wie soll man also den WBGU Beitrag zu der aktuellen Debatte um die Glaubwürdigkeit der Klimaforschung und die Rolle des IPCC bewerten? Zumindest als relativ einseitig. Der WBGU will nur das sehen, was er sehen will, man hat irgendwie das Gefühl einer selektiven Wahrnehmung. Oder kognitiver Dissonanz? Kommt darauf an, wie man es definiert. Definiert man kognitive Dissonanz als die Unfähigkeit zu handeln, obwohl man die Notwendigkeit des Handelns eingesehen hat, vielleicht: Will heißen, wir sehen zwar, dass unsere Ansicht nicht ganz zutreffend ist, sind aber nicht in der Lage, das zu sagen. Oder ist es doch die intellektuelle Unfähigkeit, zu erkennen, dass die eigenen Auffassungen nicht der Realität entsprechen? Das Dogma muss halt weiter verteidigt werden. Früher nannte man das Betonkopfmentalität.