Es wird Ernst: Bundesregierung plant Einführung von Brennstoffrationierung



3. Juli 2011


Als hätte die Bundesregierung die Empfehlung von climatetruth.com gelesen, will sie ab 2015 die Brennstoffrationierung von Heizstoffen im Bereich der privaten Haushalte – also von Heizöl, Erdgas und Kohle - einführen.

Die Meldung ist in dem allgemeinen Trara um die sog. „Energiewende“ fast geräuschlos untergegangen, aber sie ist möglicherweise folgenreicher als der Ausstieg aus der Kernenergie und die daraus zu erwartende Stromlücke, die ja mit erneuerbaren Energien gefüllt werden soll.

Wie wir bereits mehrfach erläutert haben, sieht sich die Bundesregierung zwischen dem vom öffentlichen Druck von unten forcierten Ausstieg aus der Kernenergie und dem von ihr von oben ausgeübten Druck zur Dekarbonisierung der Volkswirtschaft (auch bekannt unter dem Namen Energiekonzept 2050) zwischen einem Felsen und einem harten Stein eingeklemmt.
Die Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke diente u. a. dazu, ambitionierte Klimaziele bis 2020 zu fordern und auch umzusetzen. Jetzt wurde ein beschleunigter Ausstieg aus der Kernenergie beschlossen, wodurch die Klimaziele bis 2020 wieder in etwas weitere Ferne gerückt sind, da ein Teil der Stromlücke wohl aus fossiler Erzeugung, nämlich Kohle und Gas, neben Atomstromimporten aus Frankreich, gedeckt werden muss. Um die verschärften Klimaziele dennoch umsetzen zu können, will die Bundesregierung verstärkt andere Sektoren in die Pflicht nehmen.

Ihre Zielgruppe: Die privaten Haushalte, das heißt also sie, liebe Leserinnen und Leser. Da ca. ein Drittel der CO2 Emissionen Deutschlands bei der Heizung entstehen, will sie hier ansetzen.
Man kann das über verschärfte Zwangsmaßnahmen zur Gebäudeisolierung machen, was manche immer noch als kostengünstige Variante darstellen, obwohl sich in vielen Beispielsrechnungen zeigt, dass die nachträgliche Gebäudeisolierung des Bestandes neben der Photovoltaik eine der teuersten Varianten der CO2 Einsparung ist (s. z. B. hier).
In einigen Gemeinden Deutschlands hat man sich bereits an der zwangsweisen Sanierung versucht, was einen Sturm der Entrüstung und Vorwürfe von Ökodiktatur! auslöste (s. z. B. hier) .
Der eleganteste Weg hingegen, CO2 zu mindern, ist die Brennstoffrationierung, was bereits heute europaweit im Rahmen des Europäischen Emissionshandelssystems EU-ETS bei Industrieanlagen geschieht. Der Vorschlag für Brennstoffe im Haushaltsbereich lautet, diese nur noch mit Zertifikaten zu verkaufen. Das hört sich zunächst nicht weiter dramatisch an, bis man genauer hinschaut, was das bedeutet, oder bedeuten kann.

Die Grundlage eines jeden Zertifikatemodells ist die ordnungsrechtliche Festlegung einer Emissionsobergrenze, d. h. die Begrenzung der Zertifikatemenge. Im EU System werden die Zertifikate an den Emittenten zugeteilt, in einem Zertifikatesystem für Haushaltsbrennstoffe dem Produzenten oder dem Unternehmen, das diese Stoffe in den Verkehr bringt.
Das Entscheidende an jedem Zertifikatesystem ist die Menge der zur Verteilung stehenden Zertifikate (das. Sog. Cap) und die Zuteilungsmodalitäten (wer bekommt wie viel). Folgendes Denkmodell könnte als Grundlage für das Cap und die Zuteilung dienen:
Aus den Energiestatistiken lässt sich die CO2 Emissionsmenge aller im Haushaltssektor verbrauchten Brennstoffe - Kohle, Öl und Gas – ermitteln. Ziel der Bundesregierung ist die 40%ige Emissionsminderung bis 2020 im Vergleich zu 1990.
Daraus lässt sich ein Cap, eine Emissionsobergrenze für 2020 ableiten, das 40% unter dem Wert für 1990 liegt. Für die dazwischen liegenden Jahre, sagen wir ab 2015, lassen sich durch lineare Interpolation (-1,33% pro Jahr) entsprechende Werte ableiten. In 2015 läge dieser Wert dann bei etwa 33% unter 1990. Dann würde die Gesamtzertifikatemenge in 2015 33% unter dem Wert von 1990 liegen.

Die nächste Frage ist: Wie wird zugeteilt? Kostenfrei oder kostenpflichtig? Aus dem Desaster der ersten Zuteilungsperiode 2005 – 2008 des EU-ETS, in der die Zertifikate kostenfrei an die Energieerzeuger zugeteilt wurden, diese Zertifikate am EU Zertifikatemarkt aber einen Wert hatten, der von den Stromerzeugern in den Strompreis eingepreist wurde und ihnen auf Kosten der Stromkunden Milliarden Extragewinne bescherte, hat die Politik die Konsequenzen gezogen und wird künftig nur kostenpflichtig zuteilen. Die Gewinne aus der Zertifikatezuteilung sind quasi verstaatlicht worden.

Der Staat wird sich die Gelegenheit, zusätzlich Geld einzunehmen, nicht entgehen lassen, weswegen mit kostenpflichtiger Zuteilung zu rechnen ist.

Damit das Cap, die Rationierungsmenge, eingehalten und nicht überschritten wird, dürfte die staatlich kostenpflichtig zugeteilte Menge nicht höher sein als das Cap.
Der Preis für diese kostenpflichtig zugeteilten Zertifikate wird sich am Marktpreis orientieren. Welcher Markt das sein wird, ist nicht bekannt. Ob dieser Markt in den bereits bestehenden Zertifikatemarkt des EU-ETS eingebunden werden soll, ist ungewiss, da dieser Markt aus einer komplexen Europäischen Gesetzesregelung resultiert, die wohl kaum noch einmal aufgebohrt werden wird, nur um ein zusätzliches, nationales Handelssystem zu integrieren. Die Kosten für den Erwerb der Zertifikate werden dann vom Produzenten oder Händler auf den Produktpreis aufgeschlagen.
Heizöl und Erdgas werden also teurer. Danke liebe Bundesregierung.

Was ist nun, wenn der Bedarf an Heizöl und Erdgas höher ist, als die staatlich zugeteilte Menge an Zertifikaten hierfür?
Für den Fall muss der Produzent oder Händler Zertifikate am Markt käuflich erwerben und wird den Preis hierfür ebenfalls auf den Produktpreis aufschlagen. Heizöl und Erdgas werden in diesem Fall also noch teurer.
Allerdings wirkt sich die erhöhte Nachfrage nach Zertifikaten auf den Preis aus, der Marktpreis steigt und mithin auch der Preis, zu dem der Staat die zuzuteilenden Zertifikate dann veräußern wird. Also eine automatische Preisspirale für Zertifikate bei hohem Bedarf. Bis der Preis so hoch wird, dass die Leute entweder anfangen zu frieren, dicke Pullover zu tragen, in den Süden auszuwandern, wie auch immer, das Ziel der Rationierung wird in jedem Fall erreicht.

Trotz aller Nachteile ist dieses System aber immer noch fairer als eine staatlich verordnete Zwangssanierung des Gebäudebestandes. Denn durch die CO2/Brennstoffrationierung wird das klimapolitische Ziel auf jeden Fall erreicht - und zu minimierten Kosten.

Gefährlich wird´s nur, wenn ein klimapolitisches Instrumentenwirrwarr auf den Bürger losgelassen wird: Nämlich: Ökosteuer, Mineralölsteuer, ordnungsrechtliche Vorgaben zur Sanierung, ordnungsrechtliche Vorgaben hierfür und dafür, ohne Ende und ohne Verstand, wie es leider in der Klimapolitik Deutschlands bereits heute der Fall ist, und was zu Recht z. B. von Hans Werner Sinn kritisiert wurde.

Nehmen wir an, die Zertifikatspreise für eine Tonne CO2 liegen bei etwa 15 EUR, was bis vor kurzem noch der Fall war, der Höchstwert 2006 betrug ca. 30 EUR. Bei einem Emissionsfaktor für Heizöl (hier) von 2,67 kg/l betragen die CO2 Emissionen für den Jahresverbrauch eines Einfamilienhauses von 2000 l 5340 kg, und bei 15 EUR pro t CO2 belaufen sich dann die Zusatzkosten durch Zertifikate auf 80 EUR pro Jahr oder 4 Cents pro Liter.

Steigt der Zertifikatepreis, steigen auch die Zusatzkosten entsprechend.

Die Kosten für die Fassadendämmung eines Einfamilienhauses, ausgedrückt in Kosten pro eingesparter t CO2, liegen demgegenüber mit mehreren Hundert EUR um etwa eine Zehnerpotenz höher.

Sollte der Gesetzgeber also eine zwangsweise Gebäudesanierung verlangen, so wäre dies mit dramatisch höheren Kosten verbunden, als eine CO2 Minderung über einen Zertifikatehandel. Deswegen ist ein Zertifikatehandel ordnungsrechtlichen Massnahmen zur Zwangssanierung des Gebäudebestandes vorzuziehen.

Was wir allerdings erleben werden, wenn die Vergangenheit eine halbwegs verlässliche Richtschnur darstellt, ist – jenseits jeglicher ökonomischer Vernunft - eine Überlagerung verschiedener Instrumente, wie z. B. ein Sanierungszwang und ein Zertifikatehandel.