Wie wird der kommende Winter?

1. November 2022

Seit wir wissen, dass alle Hoffnungen der deutschen Energiepolitik darauf beruhen, dass der kommende Winter doch bitte möglichst mild werden möge, damit die Gasvorräte möglichst lange reichen, richtet sich das Augenmerk verstärkt darauf, wie der kommende Winter werden wird.

So wird in den Medien und in Internetforen munter darüber spekuliert, wie es denn werden könnte.

Einer der Gesichtspunkte, der dabei oft berücksichtigt wird, ist das Auftreten eines La Nina Ereignisses im dritten Jahr in Folge. Auch die gegenwärtige extrem milde Herbstwitterung wird im Zusammenhang mit dem La Nina Ereignis gesehen.

La Nina Ereignisse sind das Gegenstück zu den El Nino Ereignissen über dem östlichen tropischen Pazifik. Bei El Nino Ereignissen werden warme Wassermassen durch einen Strömungswechsel über dem tropischen Pazifik an die Westküste Südamerikas transportiert und verändern über dem östlichen Pazifik auch die atmosphärischen Zirkulationsmuster mit teilweise weltweiten Auswirkungen, die aber besonders markant in den Anrainerregionen des Pazifiks sind.

Bei La Nina Ereignissen tritt das Gegenteil ein: Vor der Westküste Südamerikas werden kalte Auftriebswassermassen (im Humboldstrom) im tropischen Pazifik weit nach Westen geführt und verursachen anomal niedrige Temperaturen im östlichen Pazifik, was sich ebenfalls auf die atmosphärischen Zirkulationsmuster auswirkt.

Während es einen klaren statistischen und physikalisch nachvollziehbaren Zusammenhang zwischen La Nina und El Nino Ereignissen in den tropischen und den Anrainerregionen des Pazifiks gibt, fehlt ein derartiger Zusammenhang mit den atmosphärischen Zirkulationsmustern über dem Atlantik und über Europa.

Um es klar zu sagen: Es gibt keinen wie auch immer gearteten statistisch belegbaren Zusammenhang zwischen El Nino/La Nina (auch als ENSO Ereignisse bezeichnet) Ereignissen und dem Witterungsgeschehen, besonders mit der jahreszeitlichen Mitteltemperatur in Deutschland oder Mitteleuropa. Dies gilt auch, wenn man berücksichtigt, dass sich ENSO Ereignisse in den mittleren Breiten erst mit einer zeitlichen Verzögerung von ca. 3 – 6 Monaten auswirken; in den Tropen liegt dieser time - lag nur bei 0 – 3 Monaten.

Auch der Hinweis, dass wir jetzt das seltene Ereignis eines La Nina im dritten Jahr in Folge beobachten, ändert daran nichts, oder nur sehr wenig.

Seit den 1950er Jahren ist es insgesamt vier Mal vorgekommen, dass wir drei La Nina Jahre (definiert durch einen positiven Southern Oscillation Index SOI in den Wintermonaten, die entscheidend für das Auftreten des Phänomens sind, da es in der Regel um Weihnachten herum sein Maximum erreicht, deswegen der Name El Nino, das Kind, nämlich das Weihnachtskind). Dies waren die Jahre 1955 – 1957, 1974 – 1976, 1999 – 2001 und 2011 – 2013.

Abgesehen von der extremen Ausnahme 1956, als der Februar 9,4° zu kalt war und bedingt dadurch der Winter insgesamt deutlich zu kalt ausfiel, waren alle Winter milder als das langjährige Mittel, obwohl es teilweise innerhalb der Wintermonate Dezember – Februar sehr kalte Abschnitte gab, wie beispielsweise im Februar 2012.

Auch in den Herbstmonaten gibt es seit den 1950er Jahren keinen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen der ENSO Phase und den Mitteltemperaturen in Deutschland und Mitteleuropa.

In Zahlen: Der Korrelationskoeffizient zwischen der mittleren Wintertemperatur und der Winter ENSO Phase beträgt -.03 und mit der ENSO Phase im vorangegangen Herbst (wegen der zeitlichen Verzögerung) .04, also absolut insignifikant. Im Herbst ist diese Korrelation zwischen ENSO und Temperatur zwar leicht positiv mit .19, aber trotzdem weit von der Signifikanzgrenze entfernt.

Den einzigen signifikanten, aber trotzdem noch schwachen statistischen Zusammenhang zwischen ENSO Phasen und Witterungsparametern gibt es zu den Frühjahrsniederschlägen mit -.40, was bedeutet, La Nina Jahre sind im Frühjahr tendenziell trockener als El Nino Jahre und vice versa.

Die Quintessenz dieser Ausführungen ist, dass das dritte La Nina in Folge aller Wahrscheinlichkeit nach in Deutschland und Mitteleuropa von einem milden Winter begleitet werden wird, obwohl kürzere Kältephasen, wie Februar 2012, aber auch Februar 2021, nicht auszuschliessen sind.

Als zusätzlichen Aspekt könnte man noch eine der sog. Witterungsregeln des Witterungsforschers Franz Baur betrachten, der in den 1950er und 1960er Jahren statistische Zusammenhänge zwischen bestimmten Parametern der vorangegangenen Witterung mit solchen der Folgewitterung untersucht hat.

Eine dieser Regeln, die auch hier zitiert wurde, besagt, dass auf einen Oktober, der in Deutschland mindestens zwei Grad zu warm und auch zu trocken ist, mit hoher Wahrscheinlichkeit ein kalter Januar folgt.

Diese Regel hat sich aber in den letzten Jahrzehnten als nicht haltbar herausgestellt. So gab es allein seit dem Jahr 2000 zehn Oktober Monate, die mehr als 2° zu warm waren, die aber fast alle von zu milden Januaren und milden Wintern insgesamt gefolgt wurden. Einzige Ausnahme waren der Oktober 2005 und der nachfolgende Januar 2006.

Der diesjährige Oktober war extrem mild, deutlich mehr als 2° zu warm. Da die warmen Oktober Monate in den letzten Jahrzehnten fast ausnahmslos von milden Januaren gefolgt wurden, besteht auch deswegen kein Grund zu der Annahme, der kommende Januar und der Winter insgesamt (Dezember – Februar) würden zu kalt werden.

Die diesjährigen Zirkulationsanomalien über dem Atlantik und Europa während der Sommermonate waren zu extrem und haben sich nach einer Unterbrechung im September im Oktober fortgesetzt. Auch bis Mitte November ist den längerfristigen Wetterprognosen zufolge keine grundsätzliche Änderung der Großwetterlage über Europa, nämlich eine milde Südwestströmung zu erwarten.

Charakteristisch für diese Anomalien ist ein weit nach Norden verschobener und verstärkter Jetstream, der von der Ostküste Nordamerikas, über den Atlantik und Nordeuropa bis weit nach Russland hinein reicht.
Südlich davon umspannt ein weit nach Norden verschobener Hochdruckgürtel, in dessen Einflussbereich es zu warm und zu trocken ist, mit kleineren Unterbrechungen, fast die gesamte Nordhemisphäre.

Innerhalb dieses Hochdruckgürtels kann man eine wellenartige Struktur erkennen, die man, ähnlich wie im Trocken- und Hitzejahr 2018, einer Wellenzahl 5 zuordnen kann (s. z B. hier für den August 2022; andere Monate können hier durch Anklicken der entsprechenden Monate eingesehen werden).

In diesen Abb. ist die Abweichung des Geopotentials, ein Maß für den Luftdruck in 500 mb, in etwa 5,5 km Höhe gezeigt. Rote und gelbe Farben bedeuten dabei erhöhten und blaue Farben erniedrigten Luftdruck. Erhöhter Luftdruck geht mit trockener und wärmerer Witterung einher, niedrigerer Luftdruck mit kühlerer und feuchterer.

Inwieweit sich die gestiegene Treibhausgaskonzentration der Atmosphäre in diesen Anomaliemustern bemerkbar macht, soll hier nicht weiter erörtert werden. Diese Frage wird u. a. hier und hier hier eingehender diskutiert.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass unser Klima- und Energieminister Dr. Robert Habeck wohl vom Glück gesegnet sein wird, denn sein Wunsch nach einem milden Winter wird aller Voraussicht nach in Erfüllung gehen.

Natürlich ist nicht nur er vom Glück gesegnet, sondern in erster Linie wir alle, denn unsere Heizkostenrechnung wird durch einen milden Winter etwas bezahlbarer.



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