Epochale Dürre in Deutschland und weiten Teilen Eurpas: Zeichen für den vom Menschen verursachten Klimawandel?

21. August 2022

Zum vierten Mal innerhalb der letzten fünf Jahre wird Deutschland von einer schweren Dürre – oder zumindest sehr trockener Witterung - im Sommerhalbjahr heimgesucht. Zum zweiten Mal innerhalb weniger Jahre – zuletzt 2018 – fallen Flüsse und Seen trocken, Wasser wird teilweise sehr knapp, Natur, Mensch und Wirtschaft leiden unter der extremen Dürre.

Anders als 2018 handelt es sich diesmal um eine pan – europäische Dürre. Also nicht nur Mitteleuropa ist betroffen, sondern weite Teile Europas von Portugal, Spanien, Frankreich, England, die Benelux Staaten, Ungarn, Polen bis hin nach Osteuropa.

Aber nicht nur Europa leidet unter einer epochalen Dürre, sondern auch weite Teile des Westens der USA; so hat der Lake Meade an der Grenze zwischen Arizona, Nevada und Utah einen historischen Niedrigwasserstand erreicht, ebenso der für die regionale Wasserversorgung wichtige Lake Powell. Die dortige Dürre herrscht nunmehr bereits seit mehreren Jahren. Wenig überraschend wird darüber diskutiert, genauso wie 2018 und 2019, ob dies ein Zeichen für den menschengemachten Klimawandel sei.
Für viele Beobachter und Kommentatoren gilt es als erwiesen, dass die extremen Dürren der letzten Jahre ganz eindeutig eine Folge des anthropogenen Klimawandels seien.

Ebenso wenig überraschend ist allerdings, dass die Ursachenanalyse für die schweren Dürren der letzten Jahre nicht ganz so einfach ist.

Wie kommt es zu schweren Dürren im Sommerhalbjahr?

In der Meteorologie wird zwischen verschiedenen Typen von Dürren unterschieden; auch gibt es mehrere Definitionen für jede Art dieser Dürren.

Grundsätzlich ist aber allen Typen von Dürren gemeinsam, dass die Hauptursache ein erhebliches Niederschlagsdefizit ist. Also nicht hohe Temperaturen per se, sondern mangelnde Niederschläge. Hohe Temperaturen und trockene Luft, starke Sonneneinstrahlung verstärken Dürren wegen der hohen Verdunstung vom Erdboden, die bei diesen Bedingungen auftritt.

Als Hauptursache sowohl für extreme Hitzewellen als auch für extreme Dürren hat man in der Meteorologie Anomalien in der atmosphärischen Zirkulation identifiziert.

So konnten wir beispielsweise für die extremen Hitzewellen der Jahre 2019, aber auch 2022, zeigen, dass extreme Temperaturen (Höchsttemperaturen über 35°) in West- und Mitteleuropa durch ein längere Zeit ortsfestes Tiefdruckgebiet zwischen Portugal und den Azoren verursacht werden, an dessen Vorderseite auf dem kürzesten Landwege trockene Heißluft aus der Sahara zunächst nach Spanien, dann nach Frankreich, die Benelux – Staaten, nach England und nach Deutschland und weiter nach Osten transportiert wird.

Im Seegebiet zwischen Portugal und den Azoren liegt im Sommer normalerweise das Azorenhoch, an dessen Nordflanke kühle und feuchte Luft nach West- und Mitteleuropa fließt, die hier die früher typische kühle und regnerische Sommerwitterung verursacht hat.

Dieses Sommer - Zirkulationsmuster hat sich in den letzten Jahrzehnten grundsätzlich gewandelt. Statt einer kühlen West- bis Nordwestströmung treten nun häufiger eine warme Südwest- bis Südströmung auf – und wesentlich mehr Hochdruckgebiete, die teilweise längere Zeit über Europa verharren. Die früher häufigeren - und Regen spendenden - Tiefdruckgebiete sind über Europa nach Norden und Westen verdrängt worden.

Dies beschreibt im Grunde genommen die Hauptursache der Dürren in Mitteleuropa und anderen Teilen Europas:

Persistente Hochdruckgebiete, die sich immer wieder regenerieren und Regen spendenden Tiefdruckgebieten den Weg versperren.
Dies war auch die Ursache für die Hitze und Dürre Episoden 1947, 1959, 1976, 1983, 1994, 1995, 2003, 2006, 2010, 2013, 2015, 2018 und 2019 deren Länge und Schwere allerdings variierten.

In Hochdruckgebieten herrscht absinkende Luft vor, durch die Wolken aufgelöst werden. Wenn Wolken aufgelöst werden, nimmt die Sonnenscheindauer zu.

Womit wir gleich beim zweiten wichtigen Faktor wären, der für die beharrlichen Dürren der letzten Jahre verantwortlich ist.

Wenn die Sonnenscheindauer zunimmt, treten zwei Faktoren ein:

Erstens, im Sommerhalbjahr April – September ist die Temperatur hochgradig mit der Sonnenscheindauer korreliert. Je mehr die Sonne scheint, desto wärmer ist es, was mit der Lebenserfahrung übereinstimmt: Ein sonniger Sommertag ist in der Regel wärmer, als ein wolkenverhangener.

Der entscheidende Faktor ist, dass durch erhöhte Sonneneinstrahlung sich auch der Erdboden mehr erwärmt und mehr Feuchtigkeit vom Boden verdunstet.

Das verstärkte Auftreten von Hochdruckgebieten im Sommerhalbjahr hat also nicht nur dazu geführt, dass es erheblich weniger geregnet hat, sondern auch dazu, dass die Sonnenscheindauer deutlich angestiegen ist, dass es dadurch wärmer geworden ist und dass durch die höhere Sonneneinstrahlung mehr Wasser vom Erdboden verdunstet, was den Boden austrocknet, dadurch die Dürre verschärft.

Die Sonnenscheindauer hat im Sommerhalbjahr in vielen Regionen der Welt, besonders aber in Europa und in Deutschland, in den letzten Jahrzehnten um ca. 10 – 20% zugenommen.

Das Austrocknen des Erdbodens führt dann schließlich dazu, dass die einstrahlende Sonnenenergie nicht mehr dazu verwendet wird, Wasser vom Erdboden zu verdunsten, sondern dazu, den trockenen Erdboden weiter zu erwärmen, was die Hitze und Dürre nochmals verschärft.

Wir sehen also, dass die unmittelbare Ursache von Hitze und Dürre in Deutschland und Europa atmosphärische Zirkulationsanomalien sind, nämlich das verstärkte und häufigere Auftreten von Hochdruckgebieten, die einerseits zu Trockenheit, andrerseits zu sonnenscheinreicherer Witterung und dadurch verursacht wärmerer Witterung geführt hat, verstärkt durch gelegentliche Heißluftextrusionen aus der Sahara an der Vorderseite von ortsfesten Tiefs im Seegebiet zwischen Portugal und den Azoren.

In diesem Jahr, 2022, bestimmte seit Juni ein Hochdruckblock, der von der Iberischen Halbinsel über Frankreich, die Alpenländer, Deutschland, Polen, Teilen des Balkans bis nach Osteuropa reichte, die Witterung in weiten Teilen Europas mit Hitze und vor allen Dingen mit Trockenheit, bis hin zu dramatischer Dürre.

Die Zirkulationsanomalien waren dieses Jahr, wie auch 2018, nicht auf Europa beschränkt, sondern waren ein pan – nordhemisphärisches Phänomen.

Denn, wie 2018, ist auch dieses Jahr die Westströmung, der Jet – Stream also, von seiner Normalposition entlang etwa des 50. Breitenkreises weit nach Norden verschoben, bis fast zum 58 – 60. Breitenkreis, dies nicht nur über Europa, sondern vom Pazifik aus über Kanada, den gesamten Atlantik bis nach Osteuropa.

Dies kann man in den hier gezeigten Vorhersagekarten durch die in Rot dargestellten positiven Anomalien des 500 hPa Niveaus sehen, die erhöhten Luftdruck darstellen und die etwa entlang des 50. Breitenkreises entlang laufen – mit Unterbrechungen, z. B. über Ostkanada.

(andere Regionen anklicken).

Im 500 hPa Niveaus liegt der Jetstream etwa entlang der 570 hPa Linie, und man sieht, dass weite Teile des Nordatlantiks und Europas weit südlich dieser Linie liegen, im Bereich positiver Anomalien, nämlich unter Hochdruckeinfluß, fern von den Regen spendenden Tiefs, die im Sommer etwa an der 570 hPa Linie entlang ziehen.

Die Frage, die man sich bei der Ursachenanalyse als nächstes stellen muss, ist, werden diese Zirkulationsanomalien durch vom Menschen emittierte Treibhausgase verursacht?

Zu dieser Frage hat es zahlreiche Untersuchungen mit Klimamodellen gegeben, in denen man versucht hat herauszufinden, ob und wie sich die Strahlstromposition (Jetstream) in einem mit Treibhausgasen angereicherten Klima verändert und ob sich die Verteilung und das Auftreten von Grosswetterlagen hierdurch ebenfalls ändert.

Die Ergebnisse sind generell nicht besonders eindeutig und nur wenig erhellend.

Allgemein wird davon ausgegangen, dass sich der Strahlstrom bei einer Verdoppelung des CO2 Gehaltes in der Atmosphäre (oder bei anderen Rechnungen mit dem sog. RCP8.5 Szenario, das aber als unrealistisch hoch angesehen wird), bis Ende dieses Jahrhunderts, ca. 2 Breitengrade nach Norden verlagert, zu wenig, um im Rahmen der natürlichen Schwankungsbreite statistisch signifikant zu sein.

Ähnlich sieht es mit der Häufigkeitsverteilung von Grosswetterlagen in einem durch CO2 erwärmten Klima aus. Die Häufigkeitsverteilung von Großwetterlagen in einem wärmeren Klima soll sich innerhalb der natürlichen Schwankungsbreite des gegenwärtigen Klimas bewegen.

Das heißt, von der Klimamodellierungsseite gibt es keine überzeugenden und belastbareren Hinweise darauf, dass die beobachteten Veränderungen der Zirkulationsmuster, die schlußendlich die unmittelbare Ursache der in letzter Zeit beobachteten Hitze- und Dürreperioden sind, durch die steigende Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre verursacht wurden.

Eine ausführlichere Diskussion möglicher Veränderungen von atmosphärischen Zirkulationsmustern als Folge des Treibhausgasanstiegs findet sich hier.

Die nächste Frage, die von Interesse ist: Haben Dürren in Deutschland und Europa im langfristigen Vergleich zugenommen, insbesondere im Zuge der Erwärmung der letzten Jahrzehnte?

Auch hierzu hat es eine Reihe von Studien und Untersuchungen gegeben, wie z. B. hier bereits zitiert.

In dieser Arbeit wurden europäische Dürretrends zwischen 1851 und 2018 analysiert. Das Ergebnis ist, dass Dürren nicht häufiger oder schwerwiegender geworden sind. Vielmehr gab es in den meisten Regionen Europas, die hier betrachtet wurden, in der Vergangenheit schwerere oder genauso schwere Dürren, wie in den vergangenen Jahrzehnten.

In den Worten der Autoren:

Our study stresses that from the long-term (1851– 2018) perspective there are no generally consistent trends in droughts across Western Europe.

Und weiter:

This also indicates that anomalous drought episodes observed in Western Europe in the past two or three decades have several precedents, at least since 1850. This finding holds despite different climatic conditions prevailing in the region. For example, the increase of SPI ( d. h. geringere Dürrehäufigkeit und –stärke) values was generally the dominant pattern in some regions of Northern Europe, with less frequent and severe drought events. In Southern Europe, although the tendency towards more humid conditions was less evident, the long-term trend analysis did not suggest any tendency towards more severe droughts.

Dürren in Deutschland seit 1851 sind u. a. hier aufgelistet; auch daraus geht hervor, dass es in der Vergangenheit wesentlich schwerere Dürren gegeben hat, als in den letzten Jahren (Gezeigt sind die Niederschlagsabweichungen vom langjährigen Mittel in l/m2, in Deutschland auf Grundlage der Datenerhebung von Franz Baur):

In folgenden Jahren trat hiernach ein extrem trockener Sommer auf (aufgelistet nach dem extremsten zuerst):

1911: - 119.0

1983: - 113.0

1976: - 105.0

1904: - 99.0

2003: - 85.0

1887: - 82.0

1869: - 81.0

Für die gesamte Vegetationsperiode April – September ergibt sich folgendes Bild:

1911: - 150.0

1959: - 134.0

1947: - 120.0

1976: - 114.0

1919: - 108.0

1929: - 103.0

1921: - 103.0

2003: - 98.0

1904: - 94.0

1868: - 93.0

1857: - 87.0

1865: - 86.0

1874: - 82.0

1934: - 80.0

In einer bis zum Jahr 1000 AD zurückreichenden Analyse von Dürretrends auf der Basis von sog. Proxy Daten haben Ionita et al, 2021 herausgefunden, dass die europäischen Dürren der letzten Jahrzehnte im Vergleich zu sog. Megadürren im 15. bzw. zu Beginn des 19. Jahrhunderts eher moderat waren, was sich bereits im Titel der Veröffentlichung niederschlägt: Past megadroughts in central Europe were longer, more severe and less warm than modern droughts.

Schließlich hier noch ein Hinweis auf einen Kommentar des Extremwetterforschers Roger Pielke Jr.

Pielke geht der Frage nach, inwieweit der Weltklimarat IPCC auf Grundlage von Klimamodellrechnungen für Mittel- und Westeuropa künftig mit zunehmenden Dürren rechnet und ferner ob Dürren nach den Erkenntnissen des IPCC in Europa in den vergangen Jahrzehnten zugenommen haben.

Im Ergebnis decken sich die Einschätzungen des IPCC, wie von Pielke dargelegt, mit den hier präsentierten Forschungsergebnissen: Dürren haben in Mittel- und Westeuropa in den vergangenen Jahrzehnten nicht zugenommen; deswegen können sie auch nicht wegen steigender Treibhausgasemissionen zugenommen haben.

Auf der Grundlage von Klimamodellrechnungen ist es derzeit auch nicht möglich vorher zu sagen, ob Dürren in West- und Mitteleuropa künftig häufiger und extremer werden sollen, oder nicht.

Vielleicht sollte man voreiligen Kommentatoren, Medien, Politikern aber auch Wissenschaftlern mal empfehlen, sich mit der Fachliteratur auf diesem Gebiet vertraut zu machen, bevor sie in der Öffentlichkeit mit vorgefassten Meinungen vorpreschen und Dinge behaupten, die zwar dem allgemeinen öko – radikalen Narrativ folgen, aber nicht den wissenschaftlichen Erkenntnisstand in seiner ganzen Breite widerspiegeln.