Klimaschocker 2023: Eine neue Hockeystick – Kurve?9. November 2023 (Tag der deutschen Geschichte)Das Jahr 2023 begann klimatologisch eher unauffällig. Die globalen Mitteltemperaturen schwankten geringfügig um den Mittelwert der letzten Jahrzehnte und waren bis Mai, unter dem Einfluß des auslaufenden La Nina Ereignisses, sogar eher leicht zu kühl.In einigen Regionen, wie im Westen der USA, lagen sie monatelang deutlich unter den Normalwerten, in anderen, wie in Europa, vor allem über ganz Eurasien, deutlich über den Normalwerten. Im Westen der USA lagen die Niederschläge erheblich über den Normalwerten; an vielen Orten wurde der nasseste Winter seit einigen Jahrzehnten registriert. Über Europa und Eurasien zeigt sich ein eher durchwachsenes Bild; einige Monate und Regionen waren eher zu feucht, andere eher zu trocken (s. die Darstellung der einzelnen Monate hier). 2023 begann als Schlussphase eines La Nina Ereignisses (Kaltphase über dem tropischen Ostpazifik), in dem die Temperaturen vor allem in den gesamten tropischen Regionen – aber auch global - unter den langjährigen Normalwerten liegen. Im Frühjahr fand ein Übergang zu einem El Nino Ereignis statt (Warmphase über dem tropischen Ostpazifik) in dem die Temperaturen besonders in den tropischen Regionen – aber auch global – über den langjährigen Mittelwerten liegen. Dieser Übergang zu einem El Nino Ereignis dauert in der Regel etwa sechs bis acht Monate und erreicht seinen Höhepunkt üblicherweise im Spätwinter (Januar bis März) des darauffolgenden Jahres. Anders als bei El Nino Ereignissen in der Vergangenheit war die Erwärmung der Troposphäre sowohl in den Tropen als auch global zwischen dem noch von La Nina beeinflussten Frühjahr und dem von El Nino beeinflussten Herbst (September – Oktober) ungewöhnlich heftig und war bereits im September größer, als normalerweise zum Höhepunkt eines El Nino Ereignisses im Spätwinter des Folgejahres. Im September und Oktober 2023 erreichten die positiven globalen Temperaturabweichungen die größten seit 1979 gemessenen Werte und lagen deutlich über den Maximalwerten der Super El Ninos 1997 – 1998 und 2015 – 2016. Dies legt die Vermutung nahe, dass die kräftige Erwärmung zwischen Frühjahr und Herbst 2023 nicht nur die Folge des El Nino Ereignisses war, sondern noch andere Ursachen hatte. Zur Illustration des Ausmaßes dieser Erwärmung zeigen wir hier den Vergleich mit den Erwärmungsraten beim Übergang von einem La Nina zu einem El Nino Ereignis in der Vergangenheit auf Basis der UAH Satellitendaten Version 6.0der Universität von Alabama, Huntsvillle (die die Temperaturen der gesamten Troposphäre von etwa 2 – 9 km Höhe darstellen), einem der leicht zugänglichen Standarddatensätze und für die Tropen die Meeresoberflächentemperaturen ONI im tropischen Pazifik des amerikanischen Wetterdienstes NOAA. Gezeigt sind in der nachfolgenden Tabelle in °C die ONI Temperaturanstiege zwischen dem Dreimonatsmittel Februar - April und August - Oktober für jedes der El Nino Ereignisse seit 1979 (dem Beginn der Satellitenmessreihe), wobei für ein El Nino Ereignis die Definition der NOAA angewendet wird (fünf Monate in Folge mit Meerestemperaturabweichungen von mehr als einem halben Grad C) und die Temperaturdifferenz für diese Zeiträume in den UAH Satellitendaten Version 6.0.
Siehe nachfolgende Erläuterungen im Text Man erkennt aus dieser Zusammenstellung, dass es zwar vergleichbare Erwärmungsraten wie 2023 bei den Meeresoberflächentemperaturen ONI gegeben hat, wie zB 1982, 1997 und 2015, aber keine auch nur annähernden Erwärmungsraten in der freien tropischen Troposphäre mit 1,02°. Sogar in den Super El Ninos 2015 und 1997 lagen sie in den Tropen nur bei 0,62 bzw 0,48° zwischen März und September. Die globalen Mitteltemperaturen haben sich in der Vergangenheit in El Nino Jahren zwischen März und September kaum signifikant verändert, oder sind sogar geringfügig gesunken, wie 2002 und 2018. Im Vergleich dazu stiegen sie in 2023 um 0,68° an, was in den letzten Jahrzehnten noch nicht einmal annährungsweise beobachtet wurde. Ferner ist auffällig, dass die troposphärischen Temperaturen in den Tropen deutlich weniger stark angestiegen, oder in den 1980er und 1990er Jahren sogar etwas gesunken sind, als die Meeresoberflächentemperaturen im östlichen tropischen Pazifik. Dies ist wohl durch das bekannte Phänomen zu erklären, dass die positiven Temperaturabweichungen durch El Nino einige Monate brauchen, um sich in der gesamten tropischen Troposphäre durchzusetzen. Dies zeigt sich in der Spalte “JFM”, in der für die El Nino Jahre der zusätzliche Temperaturanstieg zwischen August – Oktober und Januar - März des Folgejahres aufgeführt ist. Die Werte variieren von El Nino Ereignis zu El Nino Ereignis, liegen bei starken El Nino Ereignissen, wie 1982/83, 1997/98 und 2015/16 in der tropischen Troposphäre bei etwa einem halben Grad, bei moderateren Ereignissen bei etwa 0,1 – 0,3°C, wobei es in einigen Fällen sogar vorgekommen ist, dass die Abweichungen zwischen Herbst und Winter des Folgejahres etwas gesunken sind, wie 1986/87 und 2014/15. Im Hinblick auf die Abweichungen der globalen Mitteltemperaturen im Zeitraum Januar – März des Folgejahres zeigt sich ein ähnliches Bild. In den 1980er und 1990er Jahren ist es sogar vorgekommen, dass die Erwärmung in den Wintermonaten des Folgejahres im Vergleich zu August – Oktober abgenommen hat, wie 1986/87, 1991/92 und 1994/95. Seit Ende der 1990er Jahre ist die zusätzliche Ewärmung jedoch durchweg positiv und lag zwischen +0,11 und 0,47, im Mittel etwa zwischen +0,2 und 0,4 Grad. Da 2023 ein moderat starkes Ereignis ist, sollte man durchaus mit einem weiteren Temperaturanstieg in der tropischen Troposphäre von 0,2 – 0,4° C Anfang 2024 rechnen. Ähnliche Werte sollte man auch in den UAH Satellitendaten der globalen Mitteltemperatur erwarten. Gegenüber den Werten von +0,68 im August - Oktober 2023 kann man im Januar – März 2024 mit einem weiteren Temperaturanstieg von etwa +0,2 bis 0,4 °C +/- 0,1 ° C rechnen, was alle bislang beobachteten Werte in den Schatten stellen würde. In der globalen Mitteltemperatur wird die gesamte Auswirkung des El Nino Ereignisses jedoch erst im weiteren Verlauf der ersten Jahreshälfte 2024 sichtbar, da die El Nino Wärmeanomalie etwa 3 – 6 Monate braucht, um sich global auszubreiten. Wie man an der Spalte UAH Global erkennt, war der Einfluss von El Nino auf die globale Mitteltemperatur in der Vergangenheit in der El Nino Frühphase eher gering; teilweise herrschten noch negative Abweichungen trotz Erwärmung der Tropen vor. Allerdings nicht in 2023. Dieses Mal kam es parallel zum extrem starken Temperaturanstieg in den Tropen zu einem extrem starken Anstieg der globalen Mitteltemperatur, der, wenn die Vergangenheit eine einigermaßen zuverlässige Richtschnur ist, bis in die erste Jahreshälfte 2024 andauern und sich sogar noch verstärken wird. Weswegen könnte dies ein neuer “Hockeystick “ werden? Die berühmt – berüchtigte Hockey – Stick Kurve trat Ende der 1990er Jahre in die Klimadiskussion ein. Sie war das Ergebnis einer Rekonstruktion der globalen Mitteltemperatur der letzten 1000 Jahre auf Grundlage sog. Proxy Daten, Daten die aus indirekten Stellvertreterdaten, die ein Maß für die Temperatur in den Zeiträumen darstellen, in denen es noch keine direkten Thermometermessungen gab, wie zB Baumringanalysen. Vereinfacht ausgedrückt: Wenn es wärmer ist, wachsen Bäume besser, die Baumringe sind dicker. Diese Analysen haben gezeigt, dass es zwischen 1000 AD und etwa 1850 AD keine Klimaschwankungen gab, danach bis heute ein kräftiger Temperauranstieg einsetzte, der dem menschlichen Einfluss auf das Klima zugeschrieben wurde. Diese Temperaturkurve sah etwa so aus, wie ein Hockey Stick, daher der Name. Gegen diesen Hockey Stick wurde sehr viel Kritik vorgebracht, weil er zahlreichen anderen Erkenntnissen widersprach, vor allem dem relativ gut abgesicherten Mittelalterlichen Wärmeoptimum ca. 1000 – 1200 AD und der Kleinen Eiszeit ca. 1450 – 1850 AD. Die ganze Debatte mündete in einen ideologischen Glaubenskrieg zwischen Klimaforschern, der auch heute nicht beigelegt zu sein scheint. Klar Stellung bezog zB der deutsche Klimaforscher Hans von Storch in einem Spiegel Interview im Oktober 2004: Die (Hockey Stick) Kurve ist Quatsch. Ob es sich bei der gegenwärtigen kräftigen Erwärmung in 2023 um einen Hockey Stick handelt, wird sich daran zeigen, wie die Temperaturentwicklung nach El Nino weitergeht. In der Wissenschaft scheint man sich einig zu sein, dass El Nino zwar einen Beitrag zur globalen Erwärmung zwischen Frühjahr und Herbst 2023 geleistet hat, aber in keiner Weise das gesamte Ausmaß, möglicherweise noch nicht einmal den größten Teil, dieser Erwärmung erklären kann. Verblüffend ist zudem, dass fast die ganze erste Jahreshälfte vom vorausgegangenen La Nina Ereignis beeinflusst wurde und entweder leicht zu kühl oder nur mäßig zu warm war. Erst ab Mai/Juni und besonders ab Juli kam es zu einer kräftigen Erwärmung in fast allen Teilen der Erde (s. die Tabelle hier ), die vorläufig im September und Oktober gipfelte. Natürlich stellt sich sofort die Frage: Wenn El Nino nur zum Teil für die kräftige Erwärmung verantwortlich war und ist, was dann? Ein Erklärungsversuch stammt von James Hansen (einem bekannten Klimaalarmisten) und Mitarbeitern. Hansen ist im Juni 1988 dadurch bekannt geworden, dass er während einer extremen Dürre in den USA, diese auf den Treibhauseffekt zurückführte und postulierte, derartige Dürren würden an Häufigkeit und Schwere künftig zunehmen. Wie das aber nun so ist mit Vorhersagen, die die Zukunft betreffen: Sie sind schwierig. Seit 1988 hat es in den USA keine vergleichbar schwere Dürre mehr gegeben. Auch Hansens 1989er Vorhersage, der Westside Highway in New York werde durch den Meeresspiegelanstieg in den kommenden 20 – 30 Jahren überschwemmt, hat sich als krasse Fehlvorhersage herausgestellt, denn nichts dergleichen ist eingetreten. Trotz Hansens überschaubarer Treffsicherheit bei seinen Klimaprognosen hat seine vorliegende Analyse doch einige Meriten. Hansen beschreibt die Entwicklung des aktuellen El Ninos im Vergleich zu vorangegangenen El Ninos in etwa so, wie wir es hier getan haben. Sein Hauptargument zur Erklärung des starken Temperaturanstieges in 2023 ist die Nichtberücksichtigung des abkühlenden Einflusses von Schwefelaerosolen auf das Klima. Die Konzentration von Schwefelaerosolen habe aber in letzter Zeit durch Luftreinhaltemaßnahmen besonders in China und in der ozeanischen Schiffart (Schiffsdieselmotoren werden oft mit schwefelhaltigem Schweröl betrieben) abgenommen, weswegen der abkühlende Effekt abgenommen habe, was zu einer Verstärkung der Erwärmung geführt habe. Der genaue Betrag dieses abkühlenden – und jetzt erwärmenden Effektes - sei aber im Gegensatz zur Wirkung von Treibhausgasen, die genau bekannt sei, unbekannt. Nun ist es allerdings so, dass die qualitative Auswirkung (und auch Versuche zur Quantifizierung) von Schwefelaerosolen auf das Klima schon seit dem 2. IPCC Bericht 1996 bekannt sind und auch hier auf diesen Seiten schon häufiger beschrieben wurden (s. zB hier hier und hier. Besonders die Luftreinhaltemaßnahmen in Europa haben seit den 1980er Jahren zu einer deutlichen (-80 bis 90%) Verringerung der Schwefelaerosolkonzentrationen in Europa geführt, was seit den späten 1980er Jahren zu einem deutlichen Erwärmungseffekt, vor allem in den Sommermonaten, geführt hat. Verschiedene Autoren haben versucht, diesen Effekt zu quantifizieren und gelangen generell zu Werten von etwa 1 – 4 W/m2 pro Jahrzehnt, also etwa 3 – 12 W/m2 seit 1990. Diese Werte liegen etwa um den Faktor 10 höher, als der Effekt von Treibhausgasen, der mit ca. 0,3 W/m2 pro Jahrzehnt angegeben wird. Die chinesischen Schwefelemissionen sinken seit etwa Ende der 2000er Jahre mit der Einführung von Entschwefelungsanlagen in Kraftwerken (wie zB. h ier darglegt). Die Schiffsdieselemissionen sinken jedoch erst seit wenigen Jahren. Es fällt demzufolge schwer, einen starken globalen Temperaturanstieg etwa um die Jahresmitte 2023 durch Schwefelemissionsminderungen zu erklären, die im Falle von Europa vor etwa 30 Jahren und im Falle Chinas vor ca 10 – 15 Jahren stattgefunden haben. Die Senkung der Schiffsemissionen könnte in den letzten Jahren einen Einfluss gehabt haben, der allerdings schwer zu quantifizieren ist und sich wohl auch nicht gerade im Sommer 2023 besonders stark gezeigt hat. Schiffe durchqueren Ozeane, über denen die Luft ultrarein, fern von kontinentalen Luftverschmutzungsquellen ist. Relativ geringe Aerosolmengen können dort als Kondensationspartikel dienen, an denen sich Wolken bilden, die eine rückstreuende Wirkung auf die Sonneneinstrahlung haben. Verringert sich diese Aerosolkonzentration, dann verringert sich die Wolkenbildung und es wird weniger Sonnenlicht zurückgestreut, was zu einer Erwärmung führt. Aber es ist schwierig, diesen Effekt in Abwesenheit von entsprechenden Messungen zu quantifizieren. Wir hatten hier jedoch einige Arbeiten zitiert, die mit Satelliten auch über den Ozeanen einen Anstieg der kurzwelligen Sonneneinstrahlung gemessen haben, der auf zurückgehende Wolkenbedeckung zurückgeführt wurde. Die Aerosolkonzentration wurde als konstant angenommen. Aber auch dies würde lediglich für einen langfristigen Erwärmungstrend sprechen, der bereits seit mehreren Jahrzehnten aktiv ist, liefert aber keine überzeugende Erklärung für den heftigen globalen Temperaturanstieg um die Jahresmitte 2023. Gelegentlich wird der Ausbruch des Hunga Tonga Vulkans Anfang 2022, der große Mengen von Wasserdampf emittiert haben soll (Wasserdampf ist das wichtigste und wirksamste Treibhausgas in der Erdatmosphäre) als Ursache für die Erwärmung Mitte 2023 genannt. Auch dies kann man als Ursache für die Erwärmung in 2023 verwerfen, denn dieser Effekt kann allenfalls in der ersten Jahreshälfte 2022 gewirkt haben, zumal, wie Hansen zeigt, die gleichzeitige Emission von Aerosolen in die Stratosphäre den erwärmenden Effekt des Wasserdampfes überkompensiert haben soll. Die generelle Hintergrunderwärmung durch Treibhausgase wirkt zwar kontinuierlich weiter, aber aus der bisherigen globalen Temperaturhistorie seit Beginn der Messungen ist nicht erkennbar, dass es bedingt durch Treibhausgase quasi Bocksprünge im Temperaturverlauf gegeben hat, zumal – und in soweit hat Hansen mit seiner Analyse recht – der abkühlende bzw jetzt erwärmende Effekt von Aerosolen (Rückgang der Aerosolkonzentration in den letzten Jahrzehnten) zumindest regional und sub - kontinental etwa zehnmal so groß ist, wie der von Treibhausgasen. Deswegen gibt es aus Sicht heute keine zufriedenstellende Erklärung für den drastischen globalen Temperaturanstieg um die Jahresmitte 2023 herum, was aus klimawissenschaftlicher Perspektive wenig zufriedenstellend ist. Es braucht wohl weitere Forschungsarbeiten, um diesen Sachverhalt aufzuklären. |
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