Glaubenskrieg Energiepolitik3. April 2011 Nach dem Wahlerfolg der Grünen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz am 27. März 2011 wird sich die energiepolitische Situation in Deutschland dramatisch zuspitzen: Absehbar ist eine Rückabwicklung des „Ausstiegs aus dem Ausstieg“ aus der Kernenergie, wenn nicht sogar ein beschleunigter Ausstieg im Vergleich zum Ausstiegsgesetz aus der rot-grünen Schröder/Fischer Zeit. Die Politik der Bundesregierung ist zwischen zwei Fronten gefangen: Einerseits hat sie - von oben - eine rasche Dekarbonisierung der deutschen Volkswirtschaft auf den Weg gebracht, um klimapolitische – um nicht zu sagen: klimaideologische - Vorgaben umzusetzen, wofür ein Festhalten an der CO2 Emissionsfreien Kernenergie wünschenswert wäre. Andrerseits wird - von unten - so immenser Druck auf die Politik gegen ein Festhalten an der Kernenergie ausgeübt, dass ein Festhalten nicht länger möglich erscheint. Zentrale Strategie der Energie- und Klimapolitik der Bundesregierung ist die Zielvorgabe im Energiekonzept vom September 2010 (die sich inzwischen auch in der „Roadmap 2050“ der EU Kommission vom 8. März 2011 widerspiegelt), bis 2050 die CO2 Emissionen um mindestens 80% zu senken. Teil der Umsetzung dieser Strategie war die Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke, wogegen bereits damals eine Protestwelle anlief. Die Bundesregierung begab sich seinerzeit auf eine schmale Gratwanderung: Einerseits will sie zügig die völlige Umstellung der Energieversorgung Deutschlands auf erneuerbare Energien herbeiführen, und befindet sich damit politisch in Übereinstimmung mit den Grünen, weiß aber, das dies nicht ganz so schnell möglich ist, wie viele es sich wünschen und dass dies zudem mit erheblichen Kostenbelastungen für Wirtschaft und vor allem für die Bürger verbunden sein wird. Da die Wirtschaft die immensen Kostenbelastungen durch eine forcierte Umstellung auf Erneuerbare fürchtet, die ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit gefährdet, hat sich die Bundesregierung zur Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke entschlossen, da hierdurch die Strompreise relativ niedrig gehalten werden können, was der Strom verbrauchenden Wirtschaft etwas Luft verschafft. Die Stromerzeuger hingegen fahren im Vergleich zur vorherigen Gesetzeslage Extra-Gewinne ein, die die Politik aber teilweise wieder einkassieren will, um Erneuerbare noch stärker als ohnehin schon zu fördern. Obwohl in der Energiewirtschaft jeder weiß, dass das Energiekonzept der Bundesregierung (Zielvorgabe 100 % Strom aus erneuerbaren bis 2050) sogar technologisch (von den Kosten ganz zu schweigen) aus heutiger Sicht kaum eine realistische Chance auf Umsetzung hat, bewahrte die Energiewirtschaft Ruhe, weil sie mit den Extragewinnen aus der Laufzeitverlängerung ruhig gestellt wurde und keinen öffentlichen Streit wünschte. Dieser fein austarierte Kompromiss ist jetzt durch die neue Lage und den absehbaren beschleunigten Ausstieg aus der Kernenergie gefährdet. Die Bundesregierung und Deutschland wird nun vor der Aufgabe stehen, die Stromversorgungslücke des durch den Druck der Öffentlichkeit beschleunigten Ausstiegs aus der Kernenergie und der von der Regierung verfügten Dekarbonisierung der Energieversorgung zu erträglichen Kosten für Wirtschaft und Bürger zu schließen. Zwei ideologisch verhärtete Lager stehen sich gegenüber: Einerseits die stark exportabhängige deutsche Wirtschaft, deren Hauptanliegen in der Energiepolitik eine sichere Versorgung zu bezahlbaren und wettbewerbsfähigen Preisen ist, und andrerseits das grün-alternative Lager, das stark emotionalisiert aus der Kernenergie, aber auch, weniger stark emotionalisiert, aus der fossilen Energieversorgung aussteigen will. Der beabsichtigte Ausstieg aus der fossilen Versorgung wird auch vom konservativen Lager betrieben, zwischen ihm und dem grün-alternativen gibt es hier überraschenderweise nur wenig Dissens; allenfalls in der Geschwindigkeit des beabsichtigten Ausstiegs und anderen, eher marginalen Details. Das Problem: Beide Lager argumentieren von einer nicht-kommensurablen Werteskala aus, und reiben sich wie tektonische Platten starr gegeneinander, was, wie man weiß, wenn die Spannung zu groß wird, zu einem Erdbeben führt. Die Werteskala der Wirtschaft lautet: Kosten, Kosten, Kosten und an die Wettbewerbsfähigkeit denken. Ein Ausstieg aus Kernenergie und fossiler treibt die Kosten für die Wirtschaft und verringert ihre Wettbewerbsfähigkeit. Die Werteskala des grün-alternativen Lagers lautet: Daran denken, was die Menschen wollen, egal, ob das durch Angst, Panik, Irrationalität ausgelöst wurde, Kosten verursacht, oder nicht. Und die eigenen ideologischen Ideen umsetzen. Für die grüne Energiepolitik bedeutet das: Sofort raus aus der Kernenergie, so schnell wie möglich raus aus der fossilen Energie. Kosten sind dabei irrelevant. Denn, so lautet das Credo: Wir können zügig auf erneuerbare Energien umstellen, die Grünen wollen bereits in 2030 die Stromversorgung zu 100 % auf erneuerbare umstellen, das konservative Lager erst 2050. Und hier setzt der Glaubenskrieg ein: Die grüne Forderung nach einer vollständigen Umstellung auf erneuerbare in kürzester Zeit ist nicht nur eine politische Forderung wie viele andere, von denen man weiß, das sie verhandelbar sind und sowieso nicht wie gefordert umgesetzt werden, wie etwa eine Lohn und Gehaltsforderung der Gewerkschaften, sondern sie glauben fest daran. Viele Grüne, denen man sagen würde: „Das geht so nicht“ würden einem ein überzeugtes: Bullshit! entgegenschleudern. Es ist der fest verankerte Glaube und die Überzeugung des grünen Lagers, dass eine rasche vollständige Umstellung der Energieversorgung Deutschlands auf Erneuerbare nicht nur erforderlich, sondern auch problemlos zu akzeptablen Kosten möglich ist, der die Energiepolitik Deutschlands in den nächsten Jahren prägen wird. Was die Grünen in den Augen großer Bevölkerungsteile im Gegensatz zu den etablierten Parteien sympathisch macht, nämlich ihre Ehrlichkeit und ihre wahre Überzeugung und ihr Glaube an die Sache sind auch gleichzeitig ihr größtes Handicap: Nämlich ein Festhalten am Glauben auch wenn die Fakten dagegen sprechen. Das ist in der Religion und in ideologisierten Systemen akzeptabel, sogar zwingend erforderlich, in einer modernen Demokratie des 21. Jahrhunderts eher nicht. Der Glaube ist die Grundlage ihrer Politik, nicht Rationalität und Fakten. Und deswegen werden sich die tektonischen Platten in der Energiepolitik aneinander reiben: Glaube und Irrationalität des grünen Lagers vs. Rationalität und Kostenorientierung in der Wirtschaft, zwei nicht miteinander kommensurable Werteskalen. Denn eine vollständige Umstellung auf erneuerbare ist aus heutiger Perspektive noch nicht einmal technologisch machbar, von den exorbitanten Kosten ganz zu schweigen, egal, was vielfach behauptet wird ( s. z. B. Robert Bryce: Power Hungry), der mit zahlreichen grünen Mythen einer erneuerbaren Energieversorgung reinen Tisch macht). Wenn Energiepolitik zunehmend durch den Glauben und weniger durch Fakten geprägt wird, zeichnen sich für die Gesellschaft erhebliche Probleme ab. Wenn zudem der Glaube durch die Überzeugung untermauert wird, man sei moralisch überlegen, weil nicht materialistisch, wie die Wirtschaft, kann das in Forderungen münden, die demokratisch legitimierte gesellschaftliche Ordnung generell infrage zu stellen und eine neue Gesellschaftsordnung zu verlangen, egal ob das in einer Demokratie umsetzbar ist oder nicht. Wir sind davon nicht mehr allzu weit entfernt (s. z.B. hier). Der Glaube und die Überzeugung moralisch überlegen zu sein und andern deswegen vorschreiben zu wollen, ja zu müssen, wie sie sich zu verhalten und ihr Leben gestalten zu haben, bergen auch die Wurzeln der Tyrannei in sich. Der schier endlose Strom moralisierender Botschaften regierungsamtlicher Institutionen wie BMU, UBA aber auch des Sachverständigenrates für Umweltfragen SRU und anderer Organisationen, die an realitätsferne propagandistische Gehirnwäsche vergangener - und untergegangener - politischer Systeme erinnern, zeigt, wo es lang geht. Die selbsternannten gesellschaftlichen Eliten der grün-alternativen Illuminati und Cognoscenti entfernen sich immer weiter nicht nur von der Kostenorientierung der Industrie und Wirtschaft sondern auch von den Sorgen und Nöten der Durchschnittsbürger; wenn sie diese überhaupt noch zur Kenntnis nehmen, dann verachten sie sie wohl eher, weil sie sich ihren Vorstellungen von einem „Masterplan zur Transformation der Gesellschaft“ widersetzen und in den Weg stellen werden. Ist der Weg zur Tyrannei, zur demokratisch nicht legitimierten Herrschaft der Illuminati und Cognoescenti in einer Öko- und/oder Klimadiktatur wirklich noch so weit? Liest man Beiträge wie diesen hier , dann drängt sich der Verdacht auf, es geht nicht um die Rettung des Weltklimas oder um die Rettung des deutschen Volkes vor dem Atomtod, sondern um die Geltendmachung und die Legitimation eines Machtanspruches der Cognoscenti und Illuminati auf der Grundlage ihrer vermeintlichen höheren Erkenntnis und moralischen Überlegenheit - sie haben die Wahrheit für sich gepachtet und wie andere darüber denken ist unerheblich. Die Festlegung der Rahmenbedingungen in der Energiepolitik (raus aus Kernkraft und Kohle, rein in Erneuerbare, Kosten sind egal, bezahlen wir sowieso nicht, sondern diejenigen, die wir verachten, nämlich die Wirtschaft und der Durchschnittsbürger) ist dabei das Mittel zum Zweck. Der Konsens in Sachen Dekarbonisierung innerhalb der politischen Eliten aller Parteien ist nämlich weiter gediehen, als es wegen des Atomdissenses zwischen schwarz-gelb und rot-grün den Anschein hat. Denn die Überzeugung, man müsse die gesamte Energieversorgung innerhalb der nächsten Jahrzehnte auf Erneuerbare umstellen, egal zu welchen Kosten, ist in allen politischen Lagern Konsens. Sie hat sich bereits im Energiekonzept 2050 der Bundesregierung vom September 2010 und auch in der Road Map 2050 der EU Kommission niedergeschlagen. Differenzen bestehen lediglich im Zeitplan: Die Grünen wollen’s schneller als die Konservativen. |
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