Jamaika – FDP und Grüne: Passt das zusammen?

2. Oktober 2017

Die SPD und ihr Kanzlerkandidat Martin Schulz haben sich wegen ihres schlechten Wahlergebnisses überraschend als beleidigte Leberwurst in die Schmollecke zurückgezogen und wollen keine Neuauflage der GROKO, sondern in die Opposition gehen.

Dass sie damit sehr viele Wähler an der Nase herumgeführt haben, die SPD wegen ihrer erfolgreichen Arbeit in der GROKO gewählt haben( z. B. Mindestlohn, Rente mit 63 etc), auch wenn sie wussten, dass St. Martin kaum eine Chance hatte, als Kanzler aus der Wahl hervorzugehen, scheinen sie dabei übersehen zu haben.

Sie scheinen ebenfalls zu übersehen, dass man als Mitglied einer Regierung mehr gestalterisch auf die Politik einwirken kann, als in der Opposition. Eine sehr eigenartige und historisch falsche Entscheidung der SPD.

Wie dem auch sei, et is wie et is, und et kütt wie et kütt, wie man in Kölle sacht.

Jetzt stehen die Zeichen jedenfalls auf Jamaika. Für uns Anlaß, das Wahlprogramm der FDP im Klima- und Umweltbereich zu analysieren, um zu sehen, ob und wie das mit dem Klima- und Energieprogramm der Grünen zusammen past.

Das Programm der Grünen hatten wir bereits hier analysiert und wegen der überzogen klimaideologischen Ausrichtung eher kritisch bewertet. Vor allem die Forderungen nach der Sofortstillegung der 20 “schmutzigsten” Kohlekraftwerke, dem völligen Aus bis 2030 und der Zwangseinführung der Elektromobilität ab 2030 hatten wir abgelehnt.

Nachfolgend haben wir aus dem Klima- und Energieprogramm der FDP die wichtigsten Punkte aufgeführt und kommentiert, auch auf Kompatibilität mit den Forderungen der Grünen:

1. Der EU-Emissionshandel als marktwirtschaftliches Steuerungsinstrument zur kosteneffizienten Vermeidung von Emissionen muss gestärkt aus der bevorstehenden Reform hervorgehen und auf weitere Sektoren (zum Beispiel Wohnen und Verkehr) ausgedehnt werden.

Kommentar: Entspricht einer Forderung der deutschen Industrie. Ist im Prinzip besser als die gegenwärtige Klimapolitik, birgt aber andere Gefahren. Hier müssten einige grundsätzliche Gegensätze überwunden werden, aber es könnte machbar sein. Mehr siehe unten.

2. Auch für die erneuerbaren Energieträger müssen in Zukunft die Regeln des Marktes mit allen Chancen und Risiken gelten. Denn nachhaltige und subventionsfreie Geschäftsmodelle lassen sich nur im technologieneutralen Wettbewerb unter marktwirtschaftlichen Bedingungen durchsetzen. Deshalb sollen künftig nicht Gesetze und durch die Politik festgelegte Ausbauziele darüber entscheiden, mit welchem Energieträger und welcher Technologie zur Energieversorgung beigetragen wird. Anstelle weit in eine ungewisse Zukunft geplanter Ausbauziele für erneuerbare Energieträger soll das Auswahlverfahren des Marktes die Leitplanken der Investitionen in Netz und Kraftwerkskapazitäten setzen.

Kommentar: Völlig richtige Forderung der FDP. Grundsätzliche Unterschiede zur Philosophie der Grünen, die mehr auf scharfes Ordungsrecht setzen, die FDP mehr auf die Kräfte des Marktes

3. Deshalb wollen wir das Dauersubventionssystem des EEG mit Einspeisevorrang und -vergütung beenden. Anlagen mit Förderzusage genießen Bestandschutz

Kommentar: Völlig richtige Forderung der FDP. Siehe vorheriger Punkt; vermutlich wollen die Grünen das EEG als zentrales Instrument zur Förderung erneuerbarer Energien weiterführen

4. Vor allem die Energieerzeugung durch Windkraftanlagen stößt bei immer mehr Menschen auf Widerstand, weil damit oftmals eine drastische Einschränkung der Lebensqualität für die Anwohnerinnen und Anwohner sowie massive Eingriffe in die Natur und das Landschaftsbild verbunden sind. Deshalb sind die gesetzlichen Mindestanforderungen an die Errichtung solcher Anlagen so zu ändern, dass bei zunehmender Größe von Windkraftanlagen und einer damit verbundenen stärkeren Belastung auch der Abstand zur nächsten Wohnbebauung, zu Brutstätten etc. entsprechend steigt. Das sehen wir mit der sogenannten 10H-Regel gewährleistet

Kommentar: Völlig richtige Forderung der FDP. Ob die 10H Regel aber die Verschandelung der Natur- und Kulturlandschaften beenden kann, ist fraglich. Siehe vorheriger Punkt; die Grünen setzen sich für den massiven Ausbau der Erneuerbaren ein, vor allem auch der Windkraft. Natur- und Landschaftsschutz sind für sie in dem Zusammenhang eher irrelevant

5. Wir Freie Demokraten wollen mit dem EU-Emissionshandel als zentralem Steuerungsinstrument im Klimaschutz die Innovationskraft der Märkte nutzen.

Kommentar: Völlig richtige Forderung der FDP, das Emissionshandelssystem ist ökonomisch effizienter, als nationales Ordnugsrecht. Siehe Punkt 1, hier könnte Übereinstimmung erzielt werden

6. Deshalb wollen wir als ersten Schritt den EU-Emissionshandel durch eine Ausweitung auf weitere Sektoren stärken und damit fit für zukünftige Kooperationen mit anderen internationalen Emissionshandelssystemen machen

Kommentar: Allgemein richtige Forderung der FDP. Siehe den vorherigen Punkt; dies ist auch eine zentrale Foderung der Industrie (BDI), trotzdem könnte Einigung erzielt werden.

7. Dauersubventionssysteme wie das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) behindert die Durchsetzung neuer Ideen und müssen deshalb abgeschafft werden.

Kommentar: Völlig richtige Forderung der FDP. Wird mit den Grünen schwierig zu machen sein

8. Denn wir sehen in staatlicher Investitionslenkung, wie beispielsweise der zwangsweisen Einführung von Elektroautos durch ein Verbot von Verbrennungsmotoren, keine geeignete Klimaschutzstrategie

Kommentar: Völlig richtige Forderung der FDP, ist aber eine zentrale Forderung der Grünen; Konflikte sind vorprogrammiert

9. Wir wollen marktwirtschaftliche Anreize und keine Verzichts- und Verbotsideologie mit staatlicher Gängelung. Nationale Alleingänge wie den Klimaschutzplan 2050 lehnen wir ab. Er schreibt für einzelne Sektoren in Deutschland konkrete Einsparziele vor, ohne einen wesentlichen Klimaeffekt zu haben. Zudem sind gemeinsame europäische Klimaziele festgelegt. Das heißt, dass jede Tonne in Deutschland zusätzlich gespartes CO2 in anderen europäischen Ländern zusätzlich ausgestoßen werden kann. Alleingänge Deutschlands in der Klimapolitik sind also ökologisch wirkungslos. Daher müssen die Klimaziele Deutschlands wieder an die gemeinsamen europäischen Ziele angeglichen werden

Kommentar: Völlig richtige Forderung der FDP, der Klimaschutzplan 2050 gehört in den Mülleimer, die Grünen sind allerdings auf nationale Minderungsziele und Alleingänge fixiert, erhebliches Konfliktpotential

Zusammenfassende Bewertung und Kommentierung:

Grundsätzlich herrscht zwischen FDP und Grünen Übereinstimmung hinsichtlich der Vorgaben der internationalen Klimapolitik (z. B. Pariser Klimaabkommen, EU – Klimapolitik).

Dissenz herrscht über die klimapolitischen Instrumente: Die FDP will diese Ziele mit marktwirtschaftlichen Vorgaben erreichen, die Grünen mit stringentem nationalem Ordungsrecht.[/bold]

Sowohl die momentane deutsche Klimapolitik und die von den Grünen geforderte Verschärfung - besonders der Klimaschutzplan 2050 - setzen auf stringentes Ordnungsrecht und staatliche Gängelung, was die FDP ablehnt.

Die Fordungen der FDP sind im Vergleich dazu grundsätzlich richtig, weil sie sie auf den marktwirtschaftlichen Teil des Europäischen Emissionshandelssystems EU – ETS setzen.

Der deutsche Sonderweg einer Energiewende – Subventionierung des Ausbaus erneuerbarer Energien in der Stromerzeugung – mindert keine CO2 Emissionen, die über das hinausgehen, was im Europäischen Emissionshandelssystem EU – ETS ohnehin erreicht wird, kostet die deutschen Stromverbraucher aber zwischen 25 und 30 Mrd. EUR pro Jahr. Ein derartiges System ist eindeutig ineffizient und muss abgeschafft werden – die Forderung der FDP ist richtig.

Die deutsche Klimapolitik ist durch das EU - ETS bereits seit 2005 in den europäischen Rahmen eingebunden. Das EU ETS definiert eine europäische Obergrenze für die CO2 Emissionen aus Industrieanlagen (das ist eine stringente planwirtschaftliche, aber keine marktwirtschaftliche Vorgabe), räumt den Emittenten aber dahingehend Flexibilität ein, wie sie ihre Obergrenzen einhalten können oder wollen – das ist der marktwirtschaftliche Teil.

Ein Emissionshandelssystem ist also keineswegs ein rein marktwirtschaftliches System zur Einhaltung klimapolitisch festgelegter Emissionsminderungen.

Den ordnungsrechtlichen Teil – nämlich dass ein Emissionshandelssystem strikte Emissionsobergrenzen festlegt und deswegen im besonderen Masse dazu geeignet ist, stringente klimapolitische Vorgaben einzuhalten – sollten auch die Grünen begreifen, denn sie haben das System unter Trittin zwischen 2001 und 2004 ja mit ausgearbeitet und eingeführt.

Deswegen besteht an dieser Stelle Einigungspotential zwischen der FDP und den Grünen. Denn Emissionen lassen sich sehr stringent sowohl mit einem Emissionshandelssystem als auch mit Ordnungsrecht mindern – nur in einem Emissionshandelssystem lassen sich die Kosten der Zielerreichung minimieren, bei einem ordnungsrechtlichen Ansatz nicht.

Die Forderung der FDP, das europäische Emissionshandelssystem auch auf andere Bereiche, wie den Verkehr und die Wärmebereitstellung im Haushaltsbereich auszuweiten, ist eine Forderung der Industrie, die wir bereits hier kommentiert haben.

Grundsätzlich ist das systematisch relativ einfach machbar – man müßte allerdings den komplexen Gesetzgebungsprozess der EU durchlaufen, der mehrere Jahre in Anspruch nehmen würde.

Die FDP plädiert für die Ausweitung des Handelssystems auf den Verkehr anstelle einer Zwangseinführung der Elektromobilität ab 2030, die von den Grünen für unverzichtbar gehalten wird.

Auf den ersten Blick scheint das ein unüberbrückbarer Gegensatz zu sein, der eine Einigung zwischen Grünen und FDP unmöglich machen könnte.

Wenn die Grünen allerdings begreifen, wie dramatisch eine Ausweitung des Handelssystems auf den Verkehr wirken kann, könnten sie ihre Meinung sehr schnell ändern – so wie andere Leute ihre Meinung über die Vorteile eines Handelssystems.

Das EU – ETS schreibt eine Emissionsminderung von 21% bis 2020 gegenüber 2005 vor; gegenwärtig wird an einer Weiterentwicklung bis 2030 gearbeitet. Ziel ist eine Emissionsminderung von 43% gegenüber 2005. Bis 2050 sollen die Emissionen EU-weit um 80% reduziert werden.

Um diese Ziele zu erreichen, wird das CO2 Emissionsbudget gegenwärtig um 1,74% p. a. verringert und ab 2021 um 2,2% p. a. Die Einhaltung dieses Budgets wird über die jeweils pro Jahr zugeteilten Emissionszertifikate überprüft.

Auf den Verkehr und Haushalte übertragen würde das eine jährliche Reduzierung der verfügbaren Menge an Benzin, Heizöl oder Erdgas bedeuten.

Administrativ am einfachsten wäre eine Zuteilung/Erwerb von Emissionszertifikaten durch die Mineralölkonzerne und Erdgasunternehmen. Der Preis für den Erwerb der Zertifikate wird auf den Benzin-, Heizöl- oder Erdgaspreis aufgeschlagen, so wie bereits jetzt die Mineralölsteuer.
Wird weniger Benzin verbraucht als für das jeweilige Jahr zugeteilt, werden Emissionsrechte frei. Verbraucht man mehr, müssen Emissionsrechte zugekauft werden, deren Preis auf den Benzin-, Heizöl- oder Erdgaspreis aufgeschlagen wird.

Autofahren und eine warme Wohnung werden mit diesem System also teurer – fragt sich nur, um wieviel.

Bis 2030 sollen mit diesem System die Emissionen europaweit um 40% reduziert werden. Das könnte sich als schwierig herausstellen. In diesem Fall könnte der Preis für Emissionsrechte senkrecht durch die Decke gehen und fossile Energieträger könnten sich dramatisch verteuern, sodass Autofahren und eine warme Wohnung unbezahlbar werden. Autofahren und warme Wohnung nur für Reiche?

Also wird weniger Auto gefahren, weniger geheizt – das CO2 Budget wird aber auf jeden Fall eingehalten.

Wenn man mit diesem System 80% Minderung erreichen will, könnte sich irgendwann mal herausstellen, dass wegen der extrem hohen Emissionspreise gar nichts mehr mit fossilen Energien läuft, sondern nur noch mit den Erneuerbaren – soweit sie denn überhaupt verfügbar sind.

Die Sonne scheint ja recht selten in Deutschland und der Wind weht auch nicht immer. Trotzdem hätte das Emissionshandelssystem dann die Erneuerbaren in den Markt gepresst, auch wenn sie die Rolle der fossilen Energien, die sie verdrängt haben, in keiner Weise ersetzen können.

Die CO2 Minderungsziele würden dann nur durch eine starke Reduzierung der wirtschaftlichen Aktivität erreicht. Die Folge wäre bei uns wirtschaftlicher Zusammenbruch, Massenarbeitslosigkeit, soziales Elend usw.

Warum? Weil es (noch) keine Energieform gibt, die den gleichen Nutzungs – Komfort, die gleiche Leistungsdichte zu vergleichbaren Kosten bereitstellt, wie die fossilen Energieträger.

Ein Emissionshandelssystem setzt die Dekarbonisierung (und die Abschaffung) der Wirtschaft lediglich effizienter um, als das Ordungsrecht. Die Grünen werden das irgendwann begreifen und dann wird es kein Halten mehr geben mit Jamaika.

Die Frage wird nur sein, wie fest sie sich an ihre ideologischen Positionen klammern (Sofortabschaltung von 20 Kohlekraftwerken, völliges Aus der Kohle bis 2030, Aus für den Verbrennungsmotor ab 2030 und Festhalten am EEG – Subventionsmechanismus). Da müssen wohl weiter viele Pfründe bedient werden. Die Überwindung ideologischer Gräben könnte schwierig werden.

Die FDP hingegen hat noch nicht begriffen, dass mit den sog. marktwirtschaftlichen Instrumenten, wie das EU - weite Emissionshandelssystem, das im Kern natürlich ein besonders effizientes planwirtschaftliches Instrument ist, die deutsche Wirtschaft bis 2050 zielgerichtet abgeschafft wird, weil keine Energieform erkennbar ist, die die Rolle der fossilen Energieträger einnehmen könnte.

Deswegen wird unsere Auffassung wieder untermauert, dass nicht der Klimawandel Wohlstand, Wachstum und Beschäftigung bedroht, sondern die Klimapolitik.

Auch mit der FDP Position, die zwar auf den ersten Blick besser erscheint, als die gegenwärtige Klimapolitik, wird schlußendlich das Industrieland Deutschland abgeschafft:

Denn dafür ist nicht die Wahl des klimapolitischen Instrumentes entscheidend, sondern das stringente Minderungsziel bis 2050, nämlich mindestens 80%.

Die Entscheidung, die Nutzung fossiler Energieträger bis 2050 aufzugeben, obwohl man überhaupt nicht weiß, wodurch man sie ersetzen kann, es sei denn mit heute nicht absehbaren Energietechnologien, muss man als abenteuerlich bezeichnen, obwohl das von der Klimapolitik so gefordert wird.

Es scheint, als hätte man nur die Wahl zwischen zwei dystopischen Zukunftsszenarien: das der Wirtschaftskatastrophe oder der Klimakatastrophe.

Wobei wir wissen, dass die Wirtschaftskatastrophe mit Sicherheit kommt, wenn wir bis 2050 unsere Wirtschaft vollständig oder fast vollständig dekarbonisieren wollen, die Klimakatastrophe aber nicht, auch wenn die CO2 Emissionen und die Temperaturen weltweit weiter ansteigen wie bisher.

Denn die weltweiten CO2 Emissionen haben sich in den letzten Jahren abgeflacht, die weltweiten Temperaturen steigen nur etwa halb so schnell, wie Klimamodelle berechnen (mit ca. 0,15° pro Jahrzehnt, also 1,5° in 100 Jahren.

Ein 2 Grad Ziel, wie in Paris vereinbart, würde auch dann eingehalten, wenn der weltweite Emissionstrend weiter wie bisher verläuft. Eine 80%ige Minderung bis 2050 um ein 2 Grad Ziel einzuhalten, ist deswegen überhaupt nicht erforderlich. Es wird langsam Zeit, sich von diesen klimaideologischen Vorgaben zu verabschieden.

Das wird man aber wohl erst dann tun, wenn man merkt, wie man seine Volkswirtschaften durch Klimaideologie ruiniert.

Also was machen wir? Unsere Wirtschaft runieren und eine wirtschaftliche und soziale Katastrophe herbeiführen, nur um klimaideologische Zielvorgaben einzuhalten?