Das Anti – Kohle Lamento



31. Januar 2014


In den vergangenen Wochen hat sich die ökosozialistische Kampfpresse verstärkt auf die Kohle eingeschossen.
Anfang Januar war der große Aufreger, dass in 2013 in Deutschland die CO2 Emissionen aus der Braunkohle - Stromerzeugung gegenüber 2012 angestiegen sind – trotz „Energiewende“ (in Wahrheit wegen der Energiewende, was aber viele nicht zu begreifen scheinen).
Jetzt ist man in einem Spiegel Online Beitrag zur Erkenntnis gelangt, dass der „Klimakiller“ Kohle weltweit vor einer Renaissance steht.
Schnellmerker: Die Renaissance ist schon seit über 10 Jahren im Gange. Und bereits seit 2005 haben die weltweiten CO2 - Emissionen der Kohle die des Öls überrundet.
Die CO2 - Emissionen aus dem Kohleeinsatz sind zudem in den letzten Jahrzehnten lediglich kurzzeitig während der Rezessionen Anfang der 1980er und der 1990er Jahre gesunken, aber ansonsten immer gestiegen.

Die Gründe für das Comeback der Kohle hat der Autor korrekt beim Namen genannt: Kohle ist im Vergleich zu Öl und Gas preiswert und regional weithin gestreut verfügbar, anders als Öl und Gas, das zu einem großen Teil in politisch unsicheren Regionen gefördert wird.
Das wird sich voraussichtlich auch künftig wenig ändern, sodass für viele Länder die Kohle der Energierohstoff der Wahl bleiben wird.

Der Smog in Peking wird als eine Folge der Kohlenutzung in China dargestellt – sicher korrekt, wenn man den Einsatz in Kleinfeuerungsanlagen betrachtet.
Was den Kohleeinsatz in Kraftwerken anbelangt, hat in China bereits vor einigen Jahren ein Umdenken eingesetzt, und seit 2006 werden Kohlekraftwerke auch in China entschwefelt .

In Europa sollen die Abgase aus Kohlekraftwerken für viele Tausend vorzeitige Todesfälle verantwortlich sein.

Wer das behauptet, weiß entweder nicht, wovon er redet oder er hat sich noch nie mit einem Toxikologen darüber unterhalten.
Einige Epidemiologen behaupten dies in der Tat, aber es gibt keinen in der Toxikologie anerkannten Wirkungsmechanismus, durch den bei den gegenwärtigen, im Vergleich zur Vergangenheit extrem niedrigen Schadstoffkonzentrationen derartige Wirkungen darstellbar sind.

So etwas wie in China hat es hier vielleicht letztmalig während der Londoner Smogepisode 1952 oder evtl. noch während der Smogepisode im Ruhrgebiet im Dezember 1962 gegeben.

Zum Schutz der menschlichen Gesundheit wurden europaweit stringente Luftqualitätsgrenzwerte eingeführt – und es gibt in Deutschland keinen Ort, an dem diese Grenzwerte wegen eines Kohlekraftwerks überschritten werden.
Kohlekraftwerke werden seit den 1960er Jahren zu mehr als 99% entstaubt, seit den 1980er und 1990er Jahren zu über 90% entstickt und entschwefelt.
Auch aus diesem Grunde hat sich die Luftqualität in Deutschland in den vergangenen 30 Jahren dramatisch verbessert und ist jetzt wahrscheinlich besser, als je zuvor seit dem späten Mittelalter, als die Energieversorgung auf der Basis von Holz und Holzkohle erfolgte, ähnlich wie jetzt in vielen Ländern der Dritten Welt.

Zu behaupten, in Deutschland und in Europa stellten Kohlekraftwerke ein Gesundheitsrisiko wegen der Luftverschmutzung dar, ist reine Polemik und Propaganda. Ein Blick auf die langfristigen Luftqualitätstrends hierzulande dürfte Aufklärung darüber verschaffen (s. z. B. hier ).

Der Blick auf die CO2 Emissionstrends aus der Kohle weltweit und insbesondere in China unterstreicht allerdings das Dilemma einer ehrlichen Klimapolitik: Die Antwort auf eine mögliche Gefährdung des Weltklimas liegt sicherlich nicht darin, koste es was es wolle, hierzulande eine „Energiewende“ durchzuführen, die noch dazu keine einzige t CO aus der Stromerzeugung mindert, und, auch wenn sie es täte, zu keinerlei messbaren Auswirkungen auf das Klima führen würde, sondern den Kohleeinsatz, dort, wo er aus einer Reihe von wirtschaftlichen und energiepolitischen Gründen stattfindet, effizient zu gestalten (d. h. die CO2 Emissionen pro kWh Strom zu minimieren) und auch zu prüfen, inwieweit CCS (Carbon Capture and Storage) möglich ist.
CCS sollte in Deutschland eigentlich eingeführt werden, scheiterte aber am Widerstand der betroffenen Bürger, in deren Nähe unterirdische CCS Einlagerungen erfolgen sollten.

Wieso werden in Deutschland nicht trotz sondern wegen der Energiewende die CO2 Emissionen aus Kohlekraftwerken weiter steigen?

Die Antwort wurde im Wesentlichen schon hier gegeben.

Im ersten Schritt der „Energiewende“ sollen bis 2022 alle Kernkraftwerke stillgelegt werden. Diese Kraftwerke erzeugen heute noch ca. 100 TWh Grundlaststrom, d. h. Strom, der immer vefügbar ist, egal, zu welcher Tages- und Nachtzeit, im Sommer und Winter, egal, ob es regnet oder schneit oder ob die Sonne scheint.
Die Stromerzeugung aus Erneuerbaren soll bis 2025 in etwa verdoppelt werden, von gegenwärtig ca. 140 TWh auf dann ca. 280 TWh. Die Hauptlast soll bei Wind und Sonne liegen, die heute etwa 70 TWh bringen und dann ca. 120 TWh dieser zusätzlichen 140 TWh erbringen sollen.

Wind und Sonne sind aber nicht grundlastfähig, s. z.B. hier . Deswegen wird es (überwiegend) Zeiten geben, in denen von den 100 TWh, die bis 2022 wegfallen sollen, entweder nur sehr wenig oder gar nichts durch Erneuerbare erzeugt wird, wenn z. B. kein Wind weht oder die Sonne nicht scheint, wie z. B. nachts.
Wie soll der Strombedarf von 100 TWh dann gedeckt werden? Er kann dann nur durch fossile Kraftwerke gedeckt werden, d. h. die CO2 Emissionen werden steigen – nicht trotz, sondern wegen der „Energiewende“.

Jetzt sagen Kritiker dazu: Wir müssen ja den Strom nicht aus Braunkohle erzeugen, wir können ja auch Gaskraftwerke nehmen, die pro kWh Strom weniger als die Hälfte CO2 emittieren.

Grundsätzlich ist das natürlich richtig. Aber nun ist es so, dass die Stromerzeugung in Deutschland - noch – privatwirtschaftlich organisiert ist.
Ein Stromerzeugungsunternehmen verfügt in der Regel über einen Kraftwerkspark aus Kernkraft (bald nicht mehr), aus Braunkohle-, Steinkohle- und Gaskraftwerken.
Und jedes dieser Unternehmen beschäftigt seine Kraftwerke so, dass die Betriebskosten minimiert und die Erträge maximiert werden. Die Kraftwerke werden in diesem Sinne im Rahmen der sog. „Merit – Order“ beschäftigt.

Die Kosten eines Kraftwerkes setzen sich u. a. aus den Kapitalkosten, den Betriebskosten, aus den Brennstoffkosten und – in Europa aus den Kosten für Emissionsrechte des Europäischen Emissionshandelkssystems EU – ETS zusammen.
Jeder Kraftwerksbetreiber muss für seine CO2 Emissionen Zertifikate in ausreichender Höhe erwerben und den Behörden vorweisen können. Wenn ein Kraftwerksbetreiber entscheiden muss, welches Kraftwerk er einsetzt, um Strom zu erzeugen, muss er seine Kosten betrachten.
Wenn die Kosten für Braunkohle plus Emissionsrechte geringer sind als die Kosten für Gas plus Emissionsrechte, wird er ein Braunkohlekraftwerk beschäftigen, wenn Gas plus Emissionsrechte billiger ist, als Braunkohle plus Emissionsrechte, wird er ein Gaskraftwerk beschäftigen.
In der Realität ist die Situation etwas komplexer, weil die Kosten, um ein Braunkohlekraftwerk hochzufahren, erheblich höher sind, als ein Gaskraftwerk hochzufahren.
Deswegen werden Braunkohlekraftwerke üblicherweise in der Grundlast, Gaskraftwerke in der Spitzenlast gefahren.
Nun ist der Gaspreis in Europa extrem hoch, weil er vertraglich an den Ölpreis gebunden ist.
Braunkohlegewinnung ist vergleichsweise günstig. Der Preis für Braunkohle ist niedrig.

Ferner ist der Preis für europäische Emissionsrechte gegenwärtig sehr niedrig, vorwiegend deswegen, weil Ende des Jahres 2008, als die zulässigen Emissionsmengen, um das politisch vereinbarte Minderungsziel von -21% bis 2020 gegenüber 2005 zu erreichen, festgelegt wurden, niemand mit der Wirtschaftskrise in den darauffolgenden Jahren und dann noch mit der Euro – Krise rechnete, durch die die Wirtschaft, besonders der Mittelmeeranrainerstaaten, brutal abstürzte.
Schwächere Wirtschaft bedeutet weniger Energienachfrage bedeutet weniger fossile Energie bedeutet weniger CO2 Emissionen.
Deswegen wurde dann in den vergangenen Jahren weniger CO2 emittiert, als man 2008 glaubte, und man brauchte dementsprechend auch weniger CO2 Zertifikate. Deswegen fiel der Preis.

Summiert man nun den Brennstoffpreis für Braunkohle plus den Zertifikatepreis, dann war dieser Preis 2013 geringer als der für Gas plus Zertifikate. Deswegen stieg die Stromerzeugung aus Braunkohle.
Das Wundersame ist nun, dass zwar die CO2 Emissionen in Deutschland dadurch gestiegen sind, aber nicht in Europa, weil die Emissionen der Stromerzeugung europaweit durch das Handelssystem gedeckelt sind. Die politisch vereinbarte europäische Emissionsobergrenze wird nicht verletzt, weil die Mehremission in Deutschland durch eine Minderemission anderswo in Europa kompensiert wurde.
Deswegen ist es absurd zu behaupten, durch die Mehremission durch Braunkohle in Deutschland würden die Emissionen insgesamt steigen.

Man kann Grundlasterzeugung durch Kernkraft nicht 1: 1 durch unstete, unzuverlässige Erzeugung durch Erneuerbare ersetzen, mal ganz unabhängig von den Kosten. Sondern man kann sie im Wesentlichen nur durch Grundlasterzeugung ersetzen. Und das ist nun mal die Braunkohle, es sei denn, der Zertifikatepreis stiege so stark an, dass mit Braunkohle wirtschaftlich kein Strom mehr erzeugt werden kann.

In dieser Situation befinden wir uns aber gegenwärtig nicht. Das ist einer der Gründe dafür, weswegen Umweltlobbygruppen Zertifikate weiter verknappen wollen, um den Preis hochzutreiben, damit die Stromerzeugung mit Gas sich wieder rechnet – und die mit Braunkohle nicht.

Das hat aber nichts mehr damit zu tun, dass die Emissionsminderungen im Rahmen des EU – ETS nicht erreicht werden, sondern damit, dass die Klima- und Energieideologen im Grunde das bestehende System verschärfen wollen.

Wie man es auch dreht und wendet, das System erfüllt seine Funktion, den 2008 politisch festgelegten Minderungspfad einzuhalten, exakt. Denn das Ziel der Emissionsminderung wird durch die ordnungsrechtliche Vorgabe einer Emissionsobergrenze auf jeden Fall eingehalten - egal, ob der Preis für Emissionsrechte hoch oder niedrig ist. Egal, ob man das Minderungsziel mit technischen Massnahmen erfüllt, durch Produtionsrücknahme, oder durch Zukauf von Zertifikaten, der Emissionshandel erreicht die politischen Zielvorgaben.

Alle Argumente, der Preis für Emissionsrechte sei zu niedrig, um einen technologischen Wandel anzutreiben, sind nachgekartet. Im Wesentlichen laufen sie auf die Auffassung hinaus, die in 2008 festgelegten Emissionsobergrenzen seien nicht stringent genug gewesen, denn wären sie schärfer gewesen, lägen die Preise für Emissionsrechte jetzt höher.

Dadurch wird das Pferd von hinten aufgezäumt: Wer das fordert, hat nicht begriffen, dass in dem Emissionshandelssystem die Emissionsminderungen nicht durch hohe Preise für Emissionsrechte erreicht werden, sondern durch die ordnungsrechtliche Festlegung von Emissionsobergrenzen in Form von Zertifikaten, die für die Emission von CO2 benötigt werden (s. auch hier ).

Wenn das System nach 2020 weitergeführt wird, so wie in der Richtlinie angelegt (s. Erwägungsgründe 4 und 5 in der Richtlinie 2009/29/EG), stellt sich die Frage nach einer Verschärfung gar nicht mehr, denn es wird durch die Fortentwicklung nach 2020 automatisch weiter verschärft – möglicherweise wie jetzt - um -1,74% pro Jahr. Dann ist es irrelevant, einen hohen Preis für Emissionsrechte zu fordern, um einen Technologiewechsel herbei zu zwingen, da durch die verschärften Emissionsgrenzwerte die Emissionen weiter sinken werden - egal, ob durch knapper werdende Emissionsrechte der Preis nach 2020 steigen oder sinken wird.

Wie dem auch sei, wenn bis 2022 ca. 100 TWh Atomstrom aus dem System genommen werden, wird es Zeiten geben, wenn Erneuerbare, die bis dahin weiter ausgebaut werden sollen, wenig oder gar nichts dazu beitragen, diese Lücke zu füllen, weswegen sie von fossilen Kraftwerken gefüllt werden wird. Die CO2 Emissionen in Deutschland werden dann weiter steigen gegenüber heute – nicht trotz, sondern wegen der „Energiewende“.