Mai 2018: Nach extremen April kam es fast noch extremer

1. Juni 2018

Auf den extrem warmen, trockenen und sonnigen April folgte in diesem Jahr ein fast noch extremerer Mai: Besonders im Norden war es extrem warm, sonnig und trocken.

In der Kombination dieser beiden Frühlingmonate – zwei extrem warme Monate gleich hintereinander - haben wir klimatologisches Neuland betreten: Solange Messungen aus Deutschland und Mitteleuropa vorliegen hat es sowas noch nie gegeben.

Laut DWD lag die Mitteltemperatur um 3,9°C über dem langjährigen Mittel und stellte damit den Rekord von 1889 ein.

Ein Blick auf die langjährige Mitteleuropa Temperaturreihe von Franz Baur, die bis 1761 zurückreicht, zeigt zwar, dass es vor 1889 mehrere Mai – Monate gegeben hat, die noch wärmer als 1889 (+ 3,4°) waren (1811: +3,8; 1833: +3,6; 1868: +3,9), aber die Kombination zweier aufeinander folgender extrem warmer April und Mai Monate hat es auch seit mindestens 1761 nicht gegeben.

In folgenden Jahren hat es sowohl im April als auch im Mai eine Abweichung von mehr als 2°C gegeben:

1800, 1862, 1865, 1993, 2000, 2007, 2009, 2011 und 2018.

Die Baur Werte für den April zeigen eine Abweichung von + 5,3°C gegenüber dem langfristigen Mittel, mit Abstand der höchste Wert der gesamten Reihe, gefolgt vom April 1800 mit + 4,8°C.

Die von der FU Berlin veröffentlichten Baur Zahlen liegen zwar für den Mai nicht vor, aber man kann mit Sicherheit davon ausgehen, dass auch diese Werte sehr hohe Abweichungen zeigen werden; mit Sicherheit mehr als 3°C gegenüber dem Mittel 1761 – 1970.

Damit ist unsere Mai - Vorhersage, die wir im Nachtrag zur April – Vorhersage etwas verspätet am 20. Mai abgegeben haben, voll und ganz eingetroffen.

Und weil es so gut geklappt hat, legen wir gleich nochmal nach:

Auf Grundlage der jetzt vorliegenden Vorhersagen der verschiedenen Wetterdienste sagen wir vorher, dass die Mitteltemperaturen der ersten 10 Junitage um mindestens 3°C über den langjährigen Mittelwerten liegen werden und dass der Juni insgesamt um mindestens 1,5°C zu warm werden wird.

Wichtig für die weitere Sommerwitterung wird dabei sein, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit die Voraussetzungen für die Anwendung der Witterungsregel 81 von Franz Baur erfüllt sein werden:

Wenn die mittlere Temperatur in Berlin und Umgebung in der ersten Junihälfte um mehr als 2°C über dem Regelwert liegt, kann mit hoher Wahrscheinlichkeit erwartet werden, dass die Gesamtniederschlagsmenge in Deutschland im Hochsommer (Juli und August) über dem Regelwert liegt.

Wir hatten bereits hier mit einem zu feuchten Hochsommer gerechnet, aufgrund der Tatsache, dass in den vergangenen 5 Jahrzehnten auf einen mindestens 2°C zu warmen April nahezu ausnahmslos ein niederschlagsreicher Hochsommer folgte.

Die jetzt bevorstehende sehr warme erste Junihälfte und der Zusammenhang mit der Baur Regel 81 scheint diese Erwartung zu bestätigen.

Aus klimatologischer Perspektive ist natürlich die wichtigste Frage, ob das Auftreten zweier extrem warmer Monate hintereinander ein Hinweis auf den menschen gemachten Klimawandel ist, d. h.ob ein Zusammenhang mit anthropogenen Treibhausgas Emissionen besteht.
Man kann fast sicher sein, dass diese Diskussion in den Medien geführt werden wird – in unseren “Qualitätsmedien” mit absehbaren Ergebnissen.

Zumindest muss man aber im Zuge einer Treibhausgas bedingten Erwärmung mit zunehmend wärmeren Monaten rechnen.

Wir hatten bereits vor einiger Zeit darauf hingewiesen, dass in Deutschland und in Mitteleuropa in den letzten Jahrzehnten ein Erwärmungsmaximum in den Monaten April – Juni aufgetreten ist.
Wir hatten dieses Erwärmungsmaximum weniger durch einen Treibhausgas – Anstieg in der Atmosphäre erklärt, sondern durch eine Zirkulationsumstellung über dem Ostatlantik und Europa.

Besonders im April ( Wieso gibt es eigentlich kein Aprilwetter mehr? ) wurde die früher vorherrschende kühle Nordwest- bis Nordströmung durch eine warme Südwest- bis Südströmung ersetzt. Eine ähnliche Erklärung haben wir hier für die Erwärmung der Sommermonate in den letzten Jahrzehnten gegeben.

Als eine mögliche Erklärung für diese Anomalien der atmosphärischen Zirkulation hatten wir auf Arbeiten in der Fachliteratur verwiesen, in denen gezeigt wurde, dass die sog. Planetarischen Wellen in der Atmosphäre unter bestimmten Vorraussetzungen in einen Resonanzmodus eintreten können, bei dem die Verteilung von Tief- und Hochdruckgebieten über einen längeren Zeitraum hinweg ortsfest bleibt, was in den jeweiligen Regionen zu extremen Witterungserscheinungen führen kann.
Dies soll überwiegend im Sommerhalbjahr und in den mittleren Breiten bei einer Wellenzahl von 5 bis 8 auftreten. Bei einer Wellenzahl von 5 würden entlang eines Breitenkreises dann fünf Wellentäler (Tiefs) und fünf Wellenberge (Hochs) auftreten, usf.

Zudem hat sich einigen Arbeiten zufolge die Stärke der Westströmung im Sommer abgeschwächt. Dies würde bedeuten, dass sog. Low – Index Wetterlagen häufiger würden, bei denen es in hohen Breiten (in den polaren Regionen, ca. 60 – 80°N) höheren Luftdruck und in den. mittleren Breiten (ca. 30 – 50°N) niedrigeren Luftdruck geben würde. Klassische Beispiele hierfür sind das “Islandhoch” und das “Azorentief”, also die Umkehrung der normalen Luftdruckverhältnisse.

Einhergehend mit Low Index Wetterlagen und ortsfest verharrenden Zirkulationsmustern (Resonanzmodus) treten sog. Blockierungswetterlagen gehäuft auf.

Bei diesen Wetterlagen ist, wie man aus dem Vorangegangenen schon ableiten kann, die normale Westströmung in unseren Breiten nicht nur abgeschwächt, sondern durch ein sog. blockierendes Hochdruckgebiet völlig blockiert.

Die Westströmung ist dann oft aufgespalten ( Split – Flow) in einen Zweig nördlich der Blockierung, etwa entlang des 60. bis 70. Breitenkreises und in einen Zweig südlich der Blockierung etwa entlang des 35. bis 45. Breitenkreises.

Häufig wird dieses blockierende Hochdruckgebiet südwestlich und südöstlich von Tiefdruckgebieten flankiert, sodass die Strömungsverteilung dem griechischen Buchstaben Omega ähnelt, weswegen man auch von einem Omega – Block spricht.

Wenn ein derartiges blockierendes Hoch über Mitteleuropa liegt, dann treten demzufolge häufig Tiefs über dem östlichen Mittelmeer und weitere über der Iberischen Halbinsel und dem Ostatlantik auf. In diesen Situationen herrscht dann dort ungewöhnlich kühles und feuchtes Wetter und in Mitteleuropa ungewöhnlich warmes und trockenes Wetter. Das feuchte Wetter setzt sich dabei oft noch bis nach Süd- und Südwestdeutschland durch.

In diesen Situationen treten dann etwa entlang des 40. Breitenkreises 6 bis 7 Wellen auf und können zusammen mit der Blockierung nördlich davon längere Zeit ortsfest verharren. In höheren Breiten, nördlich von etwa 60°N tritt dann oft eine stationäre Welle 3 oder 2 auf.
Dies scheint auch in diesem Jahr der Fall zu sein.

Die Westströmung über dem Nordatlantik und Europa ist bereits seit März blockiert.

Blockierungswetterlagen im Winter, wenn statt milder Westwinde kalte Nordostwinde wehen, sind in Deutschland kalt. So war es dann auch im März 2018.

Im April stellte sich dann eine Blockierung der Westwindströmung ein, bei der aus Süden und Südosten trocken- warme Luft herangeführt wurde. Diese Wetterlage hielt auch im Mai noch an und verstärkte sich eher noch. Der Hochdruckblock erstreckte und erstreckt sich immer noch bzw. wird immer wieder regeneriert, von Island über das Europäische Nordmeer und Skandinavien nach Ost- und Mitteleuropa. Dieser Hochdruckblock in höheren Breiten ist Teil einer stationären Rossby- Welle mit Wellenzahl 3 oder vielleicht auch 2.

Die Tiefdruckgebiete ziehen dann aus Neufundland kommend nicht wie normalerweise zwischen dem 50. und 60. Breitenkreis nach Osten sondern südlich an diesem Block vorbei etwa entlang des 40. Breitenkreises in Richtung Azoren und Iberische Halbinsel und breiten sich dann nach Frankreich, Italien und dem Balkan aus.

Diese Strömungsblockierung ist die Ursache für die extrem stabile Wetterlage und die extrem hohen Temperaturabweichungen sowohl im April als auch im Mai. Sie ist stabil seit nunmehr etwa zwei Monaten und voraussichtlich noch weitere 10 – 15 Tage.

Die nächste Frage ist, ob sich derartige Wetterlagen durch den Treibhausgasanstieg in der Atmosphäre häufen sollen. Einige Arbeiten in der Fachliteratur legen das nahe.

Die Frage ist also, ob Blockierungswetterlagen über Europa in der warmen Jahreszeit bereits zugenommen haben und/oder ob sie weiter zunehmen sollen.

Insgesamt sind die wissenschaftlichen Erkenntnisse hierzu aber eher gespalten; überwiegend scheint die Auffassung vorzuherrschen, dass es weder von der Beobachtungsseite noch von der Modellierungsseite belastbare Hinweise dafür gibt, dass Blockierungen über Europa oder dem Ostatlantik zugenommen haben oder künftig zunehmen sollen.

Um diese Frage hier zu prüfen betrachten wir für die Monate des Sommerhalbjahres 1970 – 2017 den Trend des Geopotentialfeldes über Europa entlang des 60. Breitenkreises und den Trend des Gradienten der monatlichen 500 mb Geopotentialabweichungen sowohl über West- als auch über Osteuropa zwischen dem 45. und dem 60. Breitenkreis. Datengrundlage sind die monatlichen Klimaberichte des Meteorologischen Instituts der FU Berlin.

In der Meteorologie wird sehr oft mit der 500 mb (oder auch 500 hPa) Fläche gearbeitet, weil sich hiermit der Strömungszustand der Atmosphäre sehr gut darstellen lässt.

Monatsmittelwerte zu betrachten reicht in diesem Zusammenhang in einer ersten Analyse aus, weil sich längere Blockierungsepisoden deutlich in den Monatsmittelwerten zeigen, s. z. B. April 2018, April 2011 oder April 2009, alles extrem warme April Monate in Deutschland.

Nimmt der Gradient mit der Zeit ab, könnte das ein Hinweis auf zunehmende Blockierungsaktivität sein. Nimmt der Gradient zu, dann ist die Westströmung mit der Zeit stärker geworden und es gibt keinen Hinweis auf zunehmende Blockierungsaktivität.

Der 45. und der 60. Breitenkreis wurden gewählt, weil in der Regel zwischen diesen beiden Breitenkreisen der stärkste Luftdruck (und Geopotential) Gradient auftritt und weil sich blockierende Hochdruckgebiete besonders deutlich in starken positiven Abweichungen bei 55 – 60 Grad Nord zeigen.

Das Ergebnis dieser Analyse zeigt für die Monate Mai bis August einen Anstieg oder zumindest keine Veränderung des Geopotentialfeldgradienten zwischen 45 und 60°N - weder über Westeuropa noch über Osteuropa. Auch das Geopotentialfeld bei 60°N zeigt keinen zunehmenden Trend, also keinen Hinweis auf zunehmende Häufigkeit von Blockierungswetterlagen.

Mit anderen Worten: Die Stärke der Westströmung hat in den letzten Jahrzehnten zwischen 1970 – 2017 über Europa im Sommerhalbjahr leicht zu-, aber nicht abgenommen. Es gibt demzufolge keine Hinweise darauf, dass Blockierungswetterlagen zwischen Mai und August jetzt häufiger auftreten, als vor einigen Jahrzehnten.


Eine genauere Analyse zeigt auch, weswegen die Stärke der Westwindströmung zugenommen hat:

Der Temperaturtrend und der Trend des 500 mb Geopotentialfeldes entlang des 45. Breitenkreises war in den vergangenen Jahrzehnten im Sommer deutlich größer als in 60°N (besonders über Osteuropa im Juli und August und über Westeuropa im Juni), weswegen der Gradient (und die Westströmung) zugenommen haben. Die Höhe des 500 mb Feldes ist proportional zur mittleren Temperatur der Schicht zwischen dem Erdboden und einer Höhe von ca. 5,5 km. Wenn sich diese Schicht erwärmt, steigt auch die Höhe der 500 mb Fläche.

Über Europa bestätigt sich demzufolge nicht, was einige Autoren vermutet haben, nämlich eine Abnahme der Stärke der Westwinddrift. Grundlage dieser Vermutung war die Annahme, dass sich die Polarregionen im Sommer deutlich stärker erwärmen, als die mittleren Breiten. Das mag so sein, wenn man das gesamte Breitenkreismittel von 0 bis 360° betrachtet, trifft aber nicht für die 500 mb Fläche über Europa von 0 bis 30° Ost zu.

Eine Ausnahme bildet lediglich der September. Hier ist es sowohl über West- als auch über Osteuropa zwischen 45 und 60°N zu einer Abnahme des Luftdruck bzw. des Geopotentialfeldgradienten in 500 mb und in 60°N zu einem Anstieg des 500mb Geopotentialfeldes gekommen, weswegen in diesem Monat eine Zunahme der Blocking Aktivität eingetreten sein könnte.

Zusammenfassend sind die extremen Witterungsanomalien im April und Mai 2018 als eine Folge extremer Anomalien der atmosphärischen Zirkulation über Europa und dem Ostatlantik zu erklären: nämlich ein semi- permanentes blockierendes Hochdruckgebiet, das sich von Island über das Europäische Nordmeer und Skandinavien bis nach Mittel- und Osteuropa erstreckt.

Dieses Hoch wurde (und wird weiterhin) im Südwesten, Süden und Südosten von Tiefdruckgebieten flankiert, weswegen es dort generell recht feucht und auch für die Jahreszeit eher kühl ist, Anomalien, die genau entgegengesetzt sind zu den bei uns beobachteten.

Es gibt keine Hinweise darauf, dass Blockierungswetterlagen über Europa in den letzten Jahrzehnten häufiger geworden sind oder dass sie künftig wegen des anthropogenen Klimawandels häufiger werden.

Deswegen kann man auf Grundlage unseres gegenwärtigen wissenschaftlichen Verständnisses ebenfalls nicht die extreme Witterung der Monate April und Mai 2018 dem anthropogenen Klimawandel bzw. dem gestiegenen Treibhausgasgehalt in der Atmosphäre zuschreiben.