Klimawandel in Deutschland: Rolle des Treibhauseffektes30. Juli 2011Es gibt auf der Welt nur wenige Regionen, in denen der Klimawandel in den vergangenen Jahrzehnten vergleichbar stark zugeschlagen hat, wie in Deutschland, oder allgemeiner gesagt, in Mitteleuropa, oder Zentraleuropa bzw. in den angrenzenden Regionen.Der Klimawandel, genauer gesagt, der Temperaturanstieg, hat in den mittleren Breiten der Nordhemisphäre sein Maximum, und hier sind drei Gebiete bemerkenswert: Nordamerika, Europa und Ostsibirien/Ostasien. Während der Temperaturtrend im globalen Mittel etwa 0,15 °C pro Jahrzehnt betrug, insgesamt also etwa ein halbes Grad seit Mitte der Siebziger Jahre, war er in Europa etwa doppelt so hoch. Die Mitteltemperatur der vergangenen 10 – 20 Jahre lag etwa 1°C über dem Wert der vorangegangenen 40 – 50 Jahre und war damit höher als jemals zuvor in einem 10 – 20 Jahreszeitraum seit Beginn der Aufzeichnungen Mitte des 18. Jahrhunderts. Interessant ist auch, dass die Jahresmitteltemperatur von ca. 1950 bis Ende der 1980er Jahre keinen Trend aufwies, um das Jahr 1990 herum sprunghaft nach oben schnellte und zwischen 1990 und 2010 wiederum kaum einen Trend aufwies. Seit 1990 sind die Winter nicht mehr wärmer geworden, wohl aber die Sommerhalbjahre April – September. Dieser Verlauf soll hier anhand der sog. Baur’schen Klimareihe von Mitteleuropa dargestellt werden (Beilage zur Berliner Wetterkarte SO/19 und SO/20(1975). Die Baur’sche Temperaturreihe stellt den Mittelwert der Stationen De Bilt in den Niederlanden, Potsdam, Basel und Wien seit 1761 dar. Sie kann als repräsentativ für den Temperaturverlauf Mitteleuropas gelten, ihre Korrelation mit anderen Stationen Mitteleuropas liegt in der Regel bei r >= 0.8 – 0.9. (s. z. B. Weber, 1994a). Die Niederschläge Mitteleuropas werden durch 14 Stationen in Deutschland westlich der Oder beschrieben. Da der Niederschlag lokal und regional erheblich stärker variiert als die Temperatur, ist die Korrelation der Niederschläge mit anderen Stationen in Mitteleuropa erheblich geringer als bei der Temperatur. Die Baur’sche Niederschlagsreihe, die 1851 beginnt, kann deswegen zwar generelle und allgemeine Hinweise auf das Niederschlagsgepräge Mitteleuropas geben, lässt aber keine Aussagen über lokale und regionale Details zu. Die Klimaentwicklung in den letzten Jahrzehnten ist für die einzelnen Jahreszeiten in nachfolgenden Tabellen 1 und 2 gezeigt, als Abweichung 1990 – 1999 vom Mittelwert 1950 – 1989 und als Abweichung 2000 – 2009 vom Mittelwert 1950 – 1989 und als Abweichung von 1990 – 1999. Diese Form der Darstellung erscheint als etwas sinnreicher und stabiler als simple Trendrechnungen, bei denen man oft jedes gewünschte Ergebnis darstellen kann, je nachdem, welchen Zeitraum man auswählt. Anhand dieser Temperaturreihen kann man z. B. zeigen, dass es zwischen 1950 und 1989 keine signifikanten Trends gab, aber stark positive Trends zwischen 1950 und 1999, was ein Hinweis darauf ist, dass im Wesentlichen der Zeitraum 1990 – 1999 für die Erwärmung der letzten Jahrzehnte verantwortlich ist. Tabelle 1 Temperaturabweichungen in Mitteleuropa vom Mittel 1950 – 1989 (in °C)
Tabelle 2 Temperaturabweichungen im Vergleich zum vorangegangen Jahrzehnt (in °C) ------------------------------------------------------------
Einfache statistische Tests zeigen ebenfalls, dass sich die Zeiträume 1990 – 1999 oder 1990 – 2009 signifikant vom Zeitraum 1950 – 1989 unterscheiden. Gegenüber der Basisperiode 1950 – 1989 Zeitraum haben sich in den 1990er Jahren die Winter am stärksten mit 1,1 °C erwärmt, gefolgt von den Frühjahren mit knapp 1,0, den Sommern mit knapp 0,9 und einer geringen Abkühlung von -0,1 °C in den Herbstmonaten. Die gesamte Vegetationsperiode April – September war 0,68 °C wärmer. In den 2000er Jahren waren die Winter 1,3°, die Frühjahre 1,5, die Sommer 1,3 und die Herbste 0,9 °C und die Vegetationsperioden 1,35 °C wärmer als 1950 – 1989. Die Erwärmung des Klimas in Deutschland ist auch im letzten Jahrzehnt weiter voran geschritten, aber nun besonders im Sommerhalbjahr, während der Vegetationsperiode und vor allem im Herbst, der jetzt fast 1°C wärmer wurde. Besonders der Vergleich zum vorangegangen Jahrzehnt 1990 – 1999 zeigt diese jahreszeitliche Verlagerung: Die Winter waren zwar noch geringfügig, aber nicht mehr signifikant wärmer, die Frühjahre und Sommer ein halbes Grad, ebenfalls nicht signifikant, wärmer, die Herbste aber 1°C und die Vegetationsperiode ca. 0,7 °C wärmer, beides signifikant. Demzufolge hat sich die Geschwindigkeit der Erwärmung im Winter deutlich, im Frühjahr und Sommer erkennbar abgeschwächt, aber im Herbst verstärkt. Über die gesamte Vegetationsperiode gesehen war die Erwärmung in den 2000er Jahren etwa vergleichbar mit der Erwärmung in den 1990er Jahren. Bezogen auf den Basiszeitraum 1950 – 1989 war die Erwärmung in der frühen Vegetationsperiode April – Juni mit 1,6 °C am größten. Interessant sind die Veränderungen der mittleren Niederschläge, da in der öffentlichen Diskussion oft die Rede von zunehmenden Überschwemmungen und Dürren ist. Die hier vorliegenden Monats- und Jahreszeitenmittelwerte lassen zwar keine feinmaschige zeitliche und örtliche Auflösung zu, geben aber dennoch Hinweise auf überregionale katastrophale Überschwemmungs- und Dürreereignisse, da sich diese in der Regel auch in den Monatsmittel und sogar in den Jahreszeitenmittelwerten widerspiegeln. Die Veränderungen in den letzten Jahrzehnten im Vergleich zur Basisperiode 1950 – 1989 und zum vorangegangen Jahrzehnt sind in Tabellen 3 und 4 gezeigt. Tabelle 3: Abweichung der Niederschläge vom Mittel 1950 – 1989 (in l/m2)
Tabelle 4: Veränderung der Niederschläge im Vergleich zum vorangegangen Jahrzehnt (in l/m2) ---------------------------------------------------------------------
Man erkennt, dass in den 1990er Jahren die Winterniederschläge gegenüber der Basisperiode 1950 – 1989 leicht, die Herbstniederschläge deutlich erhöht waren, die Frühjahrs und Sommerniederschläge jedoch deutlich verringert waren und damit einem Muster folgten, das in einigen Modellrechnungen erwartet worden war. Allerdings trugen zur Niederschlagsabnahme im Frühjahr deutlich nur der Mai und im Sommer nur der August, und zur Niederschlagszunahme im Winter im Wesentlichen nur der Dezember bei, zum Anstieg im Herbst erkennbarer der September und Oktober. Dass es schwer ist, um nicht zu sagen unmöglich, Aussagen über längerfristige Trends abzuleiten, zeigt der Blick auf das abgelaufene Jahrzehnt 2000 - 2009, hier zunächst im Vergleich zur Basisperiode. Hier zeigt sich im Winter und Frühjahr keine erkennbare Veränderung mehr, im Sommer sogar eine leichte, aber nicht signifikante Zunahme, lediglich im Herbst haben die Niederschläge gegenüber der Basisperiode deutlich zugenommen. Auch in der Vegetationsperiode insgesamt haben die Niederschläge leicht zugenommen. Die Veränderungen in 2000 – 2009 gegenüber den 1990er Jahren zeigen eine deutliche Trendumkehr: Einer leichten Abnahme der Winter- und Herbstniederschläge steht eine deutliche Zunahme im Frühjahr und im Sommer gegenüber; sowie in der Vegetationsperiode insgesamt. Die Niederschläge schwanken offenbar von Jahrzehnt zu Jahrzehnt, weisen aber keinen klaren Trend auf; vor allem die Aussage, die Winter würden immer nasser und die Sommer immer trockener lässt sich vor dem Hintergrund der in den vergangenen Jahrzehnten aufgetretenen Schwankungen nicht aufrecht erhalten. In den zehn Jahren 2000 – 2009 war das Klima in Deutschland durch eine deutliche Erwärmung im Sommerhalbjahr geprägt, besonders in der frühen Vegetationsperiode April – Juni, sowie durch eine leichte Zunahme der Niederschläge vor allem gegenüber dem vorangegangenem Jahrzehnt, aber auch im Vergleich zur Basisperiode. Die Winter haben sich nur sehr geringfügig weiter erwärmt und sind etwas trockener geworden. Ist das Klima in Deutschland extremer geworden, d. h. haben sich die Gegensätze zwischen kalt und warm bzw. nass und trocken in den letzten Jahrzehnten verstärkt? Haben Stürme, Gewitter, Hagelschläge, Überschwemmungen und Dürren zugenommen? In der Fachliteratur gibt es zahlreiche Veröffentlichungen zu dieser Frage, auch die Klimastatusberichte des Deutschen Wetterdienstes DWD haben hierzu Stellung genommen. Das Bild ist eher uneinheitlich. Betrachten wir zunächst Extreme der einzelnen Monate und Jahreszeiten. In Abb. 1 Ist der Verlauf der Winterniederschläge der letzten 60 Jahre gezeigt. Im Trend hat es keine Zunahme gegeben, im Detail aber eine deutliche Abnahme extrem trockener Winter, und von den Ausnahmejahren 1994 und 1995 abgesehen keine Zunahme extrem nasser Winter. Die Schwankungsbreite in den vergangenen 15 Jahren war deutlich geringer als z. B. zwischen 1950 und 1970. Im Sommer (Abb. 2) ist in den vergangenen 60 Jahren eine leichte, aber nicht signifikante Abnahme zu verzeichnen, würde man stattdessen z. B. den Trend seit 1970 berechnen, würde man einen Anstieg sehen, was noch einmal die Willkürlichkeit von Trendberechnungen zeigt. Wichtig ist in Abb. 2, dass weder Dürresommer noch extrem nasse Sommer in den vergangenen 20 Jahren an Häufigkeit zugenommen haben. Der einzige extrem trockene Sommer seit 1990 war 2003, vor 1990 waren 1949, 1959, 1964, und vor allem 1976 und 1983 extrem trocken. Extrem nass waren lediglich 2002 und 2007, vor 1990 waren 1954, 1956, 1966, 1980 und evtl. noch 1987 als extrem nass einzustufen. Generell scheint auch bei den Sommerniederschlägen die Schwankungsbreite in den letzten zwei Jahrzehnten abgenommen zu haben. Das Klima ist weniger extrem geworden. Dies zeigt sich auch bei den Frühjahrsniederschlägen (Abb. 3). Im Trend keine Zunahme in den letzten 60 Jahren, extrem nasse Jahre in 1983 und 1994, extrem trockene in 1971, 1974, 1976, 1990, 1991 und evtl. noch 2003 (und 2011). Im Herbst trat eine leichte Zunahme auf, vor allem eine deutliche Abnahme extrem trockener Herbste und drei extrem nasse Ausreißerjahre in 1998, 2001 und 2002 dürften zu diesem Trend geführt haben. Auch hier war die Schwankungsbreite der letzten 20 Jahre geringer als 1950 – 1970. Der einzige Monat, in dem die Niederschläge in den letzten 60 Jahren im Trend signifikant angestiegen sind und in dem sich sowohl die Schwankungsbreite als auch das Auftreten extrem nasser Monate erhöht hat, ist der März. Im April und Juni haben die Niederschläge im Trend der letzten 60 Jahre abgenommen. Ingesamt betrachtet folgen die Niederschläge in den vergangenen Jahrzehnten kaum einem klaren oder eindeutigem Trend der durch Klimamodellrechnungen für Mitteleuropa vorgezeichnet wäre; insbesondere die häufig zitierte Zunahme der Winterniederschläge und das damit einhergehende Überschwemmungsrisiko lässt sich aus den Daten ebenso wenig herauslesen, wie die befürchtete Austrocknung Mitteleuropas in den Sommermonaten. Kurz gefasst: Wärmer ja., extremer nein.Viel Aufmerksamkeit wurde der Frage zugewandt, ob extreme Niederschlagsereignisse in Deutschland zugenommen haben oder in einem wärmeren Klima zunehmen werden. Generell hat sich die Auffassung verfestigt, Extremniederschläge würden in einem wärmeren Klima zunehmen, was üblicherweise damit begründet wird, dass wärmere Luft mehr Wasserdampf aufnehmen kann, der dann beim Ausregnen zu mehr Niederschlag und höheren Extremwerten führt, wenn sich die statistische Verteilung um den Mittelwert herum nicht ändert. Da ist zunächst einmal die nicht ganz triviale Frage zu beantworten, wie man extreme Niederschläge überhaupt definiert. Dass dies nicht ganz trivial ist, zeigt sich beispielsweise daran, dass man in der Fachliteratur über 20 verschiedene Definitionen für Extremniederschläge identifiziert hat. Auf den gleichen Datensatz angewandt, kann man mit einigen Definitionen eine Zunahme von Extremniederschlägen und mit anderen eine Abnahme „nachweisen“ (s. z. B. Sen Roy und Balling, 2009). Für Deutschland konnten beispielsweise Zolina et al (2008) für eine bestimmte Metrik extremer Niederschläge, nämlich der Überschreitungshäufigkeit so genannter 95 und 99 Perzentilwerte der täglichen Niederschlagssummen an über 2000 Niederschlagsbeobachtungsstationen in der Bundesrepublik Deutschland (West) zwischen 1950 und 2004 eine Zunahme im Winter, Frühjahr und Herbst, aber eine Abnahme im Sommer nachweisen. Eine andere Metrik, die sich aus den vom DWD veröffentlichten klimatologischen Werten für das Jahr herauslesen lässt, ist der Trend der maximalen Tagesmenge des Niederschlages eines jeweiligen Jahres an jeder der vom DWD aufgeführten Wetterstationen. Wenn diese maximalen Tagesniederschläge zunehmen, würden – jedenfalls dieser Definition zufolge - Extremniederschläge ebenfalls zunehmen. Abb. 4 zeigt den mittleren Trend der maximalen Tagesniederschläge an ca. 20 Wetterstationen in Deutschland, die verschiedene geografische Regionen repräsentieren, zwischen 1955 und 2002. Die Grafik endet in 2004 wegen der erschwerten Datenzugangs ab 2005. Für einzelne Stationen, wie z.B. Berlin - Dahlem zeigt sich auch bis 2010 kein Anstieg der maximalen Tagesniederschläge. Hier zeigt sich keine Zunahme, vielmehr ein Maximum in den 1960er bis in die 1980er Jahre, seither eher eine Abnahme. Auch eine Korrelation dieser Stationen mit der mittleren Jahrestemperatur zeigt keine Zunahme, in der Tendenz eher eine Häufung extremer Niederschläge bei geringen positiven Abweichungen, aber keine generelle Zunahme mit der Temperatur (Abb.5). Mit anderen Worten: Weder vom zeitlichen Trend noch von der Temperatur her gesehen gibt es eine Zunahme dieser Ereignisse, d. h. die Aussage „wenn es wärmer wird, nehmen Extremniederschläge zu“ lässt sich mit diesen Daten nicht belegen. Großräumige katastrophale Überschwemmungsereignisse und dadurch verursachte Schäden haben in den letzten Jahrzehnten weder in Deutschland (Mudelsee, 2003) noch in Europa (Barredo, 2009) zugenommen, obwohl in den Medien häufig wegen verschiedener Hochwasserereignisse wie 1994 am Rhein, 1997 an der Oder und 2002 an der Elbe ein gegenteiliger Eindruck erweckt wurde. Viel Aufmerksamkeit wurde der Frage zugewandt, ob Stürme in Deutschland zugenommen haben oder in einem wärmeren Treibhausklima zunehmen werden. Weber (1991) hatte auf eine generelle Abnahme der Sturmtage mit einer Windgeschwindigkeit größer als Stärke 8 seit den 1950er Jahren hingewiesen, andere Autoren, wie z. B. Schmidt und v. Storch (1993)konnten durch eine Analyse zeitlicher Trends in den Luftdruckfeldern über Europa ebenfalls zeigen, dass Stürme über Europa generell und Deutschland im besonderen langfristig nicht zugenommen haben. Gleiches gilt für Sturmschäden in Europa (Barredo, 2010). Eine Verknüpfung von Sturmtagen mit den mittleren Temperaturen des Winterhalbjahres, in dem die größte Anzahl der Stürme auftritt, zeigt ebenfalls keinen Zusammenhang (siehe Abb. 6). Die Modellergebnisse in dieser Frage sind eher uneinheitlich. Während einige Autoren in Klimamodellstudien die Auffassung vertreten, Stürme würden in Deutschland zunehmen, gelangen andere Autoren zu einem gegenteiligen Ergebnis. Grundsätzlich ist die Sturmhäufigkeit und Intensität in den mittleren Breiten an die Stärke des Nord – Süd Temperaturgradienten gebunden: nimmt dieser zu, nimmt die Sturmstärke zu – und umgekehrt. Generell soll Klimamodellstudien zufolge der Nord – Süd Temperaturgradient in einem Treibhausklima abnehmen, weil sich die Polregionen stärker erwärmen sollen als die mittleren Breiten, also müsste die Sturmintensität tendenziell abnehmen, obwohl es regional zu Unterschieden kommen könnte. Diese Frage tangiert auch indirekt das Problem, ob in einem wärmeren Klima kältere Winter in Deutschland und Europa wieder häufiger auftreten könnten (s. hier): nämlich über die so genannte NAO und AO, die Stärke der West-Strömung in den mittleren Breiten. Nimmt diese zu, könnten Stürme häufiger werden, nimmt sie ab, könnten kalte Winter wieder häufiger werden. Wir hatten hier bereits darauf hingewiesen, dass nach gegenwärtigem Erkenntnisstand keine Aussage weder in der einen noch in der anderen Richtung gemacht werden kann. Einige Autoren berichten über eine Zunahme schwerer Hagelunwetter in Süddeutschland und der Schweiz in den letzten Jahrzehnten (z. B. Schiesser, 2003; Kunz et al, 2009). Ob in einem wärmeren Klima in Deutschland Gewitter und Hagelschläge zunehmen werden oder bereits allgemein zugenommen haben, ist nicht schlüssig zu beantworten. In Abb. 7 ist die Häufigkeit der Gewittertage in Deutschland (Daten nach Jahreswerte des DWD) in Abhängigkeit von der Sommertemperatur für den Zeitraum 1955 – 2003 dargestellt. Abb. 7a Abb. 7b Tendenziell nimmt die Gewitterhäufigkeit in Norddeutschland mit steigenden Temperaturen ab, in Südwestdeutschland aber etwas zu. Der Grund dürfte darin liegen, dass hohe Sommertemperaturen in Deutschland generell mit hohem Luftdruck verbunden sind, der die Niederschlagstätigkeit allgemein unterdrückt, was besonders in Norddeutschland der Fall ist. Südwestdeutschland gerät generell häufiger in den Einflussbereich warmer Luftmassen unter Tiefdruckeinfluss, in denen die Gewittertendenz dann höher ist. Erinnert sei auch daran, dass Zolina et al (2008) in den Sommermonaten generell keine Zunahme extremer Niederschläge finden konnten. Überdies haben in den vergangenen Jahrzehnten so genannte Südwestwetterlagen zugenommen (siehe z. B. DWD Klimastatusbericht 2002, S. 166 - 172), mit denen verstärkt warme Luftmassen aus Südwesten nach Deutschland strömten, einer der Gründe für die Erwärmung hier, wie wir später sehen werden. Wenden wir uns nun der eigentlichen Frage zu, nämlich: Sind die beobachteten Klimaänderungen in Deutschland eine Auswirkung des globalen Klimawandels durch Treibhausgase? Die deutlichsten Klimaänderungen sind bei den Temperaturen in jeder Jahreszeit aufgetreten, sowohl die letzten 10 als auch die letzten 20 Jahre waren der wärmste 10 bzw. 20-Jahreszeitraum seit Beginn der Messungen im Jahre 1761 und wahrscheinlich noch davor, wenn man die Temperaturreihen von De Bilt bis 1708 und Berlin bis 1701 berücksichtigt. Bei den anderen Parametern, wie mittlerer oder auch extremer Niederschlag, sowie Sturmhäufigkeit waren die letzten beiden Jahrzehnte wahrscheinlich nicht ungewöhnlich sondern eher moderat. Wärmer halt, aber nicht extremer. Zumindest die Temperaturentwicklung scheint doch sehr stark auf Treibhausgase als Ursache hin zu weisen, jedenfalls wenn man andere Faktoren unberücksichtigt lässt. Wie wir gesehen haben, wirken die Treibhausgase in ihrer Summe (also nicht nur CO2, sondern auch Methan, Lachgas, FCKWs usw.) bereits heute mit etwa 70 – 75 % einer CO2 Verdoppelung (ca. 3 Wm-2 von 4 Wm-2), bei der im globalen Durchschnitt mit einem Temperaturanstieg von etwa 3°C gerechnet wird, bis heute etwa 2,0 – 2,4 °C, wegen der ozeanischen Verzögerung des Temperaturanstieges etwas weniger bei vielleicht 1,5 – 2,0 °C. In Mitteleuropa sollte der Temperaturanstieg etwa in diesem Rahmen liegen. Seit 1980 wuchs der Menschen gemachte THE etwa um ca. 1 – 2 Wm-2 an (nach Abb. 2.4, S. 56, BaU Szenarioprojektion IPCC 1990). Treibhausgase sind jedoch nicht der einzige anthropogene Faktor, der auf das Klima einwirkt. Seit IPCC SAR, (1995) wird darauf hingewiesen, dass ein Teil der Treibhauserwärmung durch den abkühlenden Effekt von Schwefelaerosolen, die durch die fossile Energienutzung neben dem CO2 ebenfalls in der Atmosphäre auftreten, maskiert wird. IPCC 2007 schätzt, dass im globalen Mittel etwa die Hälfte des THE nämlich ca. 1,6 Wm-2 hierdurch neutralisiert wird. Schwefelemissionen haben jedoch nur eine sehr kurze Verweildauer in der Atmosphäre und ihre abkühlende Wirkung tritt deswegen nur in der Nähe ihrer Quellregion sehr stark in Erscheinung, überwiegend in den stärker industrialisierten Regionen der Nordhemisphäre. In Europa, und besonders in Deutschland, führt die Berücksichtigung des Schwefels in der Atmosphäre seit 1980 zu einem anderen Ergebnis als im globalen Mittel. Durch die Luftreinhaltegesetzgebung der 1980er und 1990er Jahre in Deutschland und Europa (aber auch durch den industriellen Zusammenbruch Mittel- und Osteuropas nach dem Fall des Eisernen Vorhangs) sind die Schwefelemissionen seit 1990 dramatisch gesunken, sie betragen heute in Mitteleuropa nur noch ca. 10 – 20 % des Wertes in den 1980er Jahren (z. B. EEA, 2010). Deswegen ist in der Folge auch die Konzentration des abkühlenden Schwefelaerosols über Europa deutlich gesunken, und mithin die hierdurch verursachte Abkühlung. Der verringerte Schwefelgehalt in der europäischen Luft hat also die Erwärmung durch THG verstärkt. Verschiedene Autoren haben versucht, diesen Effekt zu quantifizieren. Man schätzt gegenwärtig, dass dieser verringerte Kühlungs- (oder verstärkte Erwärmungseffekt) seit 1980 ca. 2 – 3,5 W-m2 pro Jahrzehnt oder bis heute bis zu 10 W m-2 beträgt (z. B. Norris und Wild, 2007; State of Climate 2008, Abb. 2.33b, S. 41). Dies bedeutet aber, dass der Effekt des verringerten Schwefelgehaltes über Europa eine 5 – 10mal so hohe Erwärmung bewirken müsste, wie Treibhausgase. Das ist jedoch nicht alles. Wie wir gesehen haben, war die Erwärmung 2000 - 2009 im Sommerhalbjahr, in den Monaten April – September, besonders stark. Welche natürlichen Faktoren könnte es denn geben, die auch zu einer Erwärmung geführt haben könnten? Im Sommer lautet die Antwort eindeutig: Zunehmende Sonnenscheindauer. Man weiß, dass im Sommerhalbjahr die Temperatur sehr hoch mit der Sonnenscheindauer korreliert ist (s. z. B. Weber, 1994; Makowski et al, 2009). Man weiß ferner, dass die Sonnenscheindauer in Deutschland zwischen den 1950er und den 1980er Jahren abgenommen (z. B. Weber, 1990), seitdem aber wieder deutlich zugenommen hat (z. B. Power, 2003; Makowski et al, 2009). Der Strahlungseffekt der gestiegenen Sonnenscheindauer ist getrennt vom Rückstreueffekt durch Schwefelaerosole zu sehen (Power, 2003) und ist teilweise relativ schwierig von ihm zu trennen. Will heißen, auch wenn die Sonnenscheindauer unverändert geblieben wäre, wäre die Sonnenscheinintensität gestiegen, weil die Schwefelkonzentration zurückgegangen ist (z. B. Norris und Wild, 2007). Die gestiegene Sonnenscheindauer ist also ein zusätzlicher Faktor, der die Erwärmung Deutschlands im Sommerhalbjahr in den letzten 2 Jahrzehnten verstärkt hat. Er wird ebenfalls mit etwa 10 W m-2 abgeschätzt (s. z. B. Power, 2003; Makowski et al, 2009, Abb. 3), was ebenfalls erheblich über dem Effekt durch Treibhausgase liegt. Der Verlauf der Sonnenscheindauer im Sommerhalbjahr April – September ist beispielhaft für Berlin - Dahlem in Abb. 8 gezeigt. Man sieht, dass die Sonnenscheindauer seit den 1980er Jahren etwa 10 - 15% zugenommen hat und allein deswegen schon ein Erwärmungseffekt eingetreten sein sollte. Zu guter Letzt haben sich die atmosphärischen Zirkulationsverhältnisse über Europa und Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten ebenfalls in Richtung Erwärmung geändert: Vor allem im Sommerhalbjahr wurden West- und Nordwestströmungen durch Südwest- und Südströmungen abgelöst; Südströmungen haben in den letzten Jahrzehnten signifikant zugenommen. Statt kalter Luft vom Nordatlantik gab’s dann warme Luft aus dem Mittelmeer-Raum oder von der Iberischen Halbinsel (s. Abb.9) und generell mehr Hochdruckgebiete mit viel Sonne. Abb.9 Der enge, statistisch hochsignifikante Zusammenhang zwischen diesen Zirkulationsanomalien und der Temperatur im Sommerhalbjahr geht auch aus Abb. 10 deutlich hervor. Abb. 10 Man kann den komplexen Zusammenhang zwischen der Temperatur und anderen Parametern statistisch mit einer so genannten multiplen Regression beschreiben. Dies ist in der nachfolgenden Tabelle für die Monatsmitteltemperaturen und die Niederschlagsabweichungen vom langjährigen Mittelwert für den Zeitabschnitt 1970 – 2009 dargestellt. Die Faktoren, die in die multiple Regression eingeflossen sind: Strömungsparameter, die die Abweichung der Strömung in der mittleren Troposphäre über dem Ostatlantik und Westeuropa (500 mb, ca. 5,5 km Höhe) von den Mittelwerten beschreiben, Sonnenfleckenrelativzahl, ENSO Phase, Treibhausgasforcing nach IPCC, Sulfatrückgang nach Beobachtungen an deutschen Reinluftstationen. Tabelle 5: Erklärte Varianz R2 einer Regressionsanalyse und der Beitrag zur Reduzierung der Varianz durch Treibhausgase in Prozent
Gezeigt in dieser Tabelle ist die gesamte erklärte Varianz R2 durch Berücksichtigung aller Parameter sowie die Reduzierung dieser Varianz durch den Faktor Treibhausgasforcing. Man erkennt, das R2 im Allgemeinen recht hoch ist und bei 70 – 80 % liegt, dass aber die Reduzierung der Varianz durch den Faktor Treibhausgas-Forcing überwiegend sehr gering im kleinen einstelligen Bereich ist. Solare Parameter und auch ENSO scheinen ebenfalls nur eine geringe Rolle zu spielen. Ausschlaggebend für die Temperatur in Mitteleuropa sind nahezu durchweg Abweichungen der Strömungsparameter. Besonders anomale Südströmungen zwischen dem zentralen Atlantik und Mitteleuropa scheinen hochsignifikant mit der Temperatur hier verknüpft zu sein. Dies scheint auch für den Niederschlag zu gelten; bei Südströmungen sind die Niederschläge hier generell reduziert. Die Niederschläge reagieren aber empfindlicher als die Temperaturen auf Luftdruck- (bzw. 500 mb Geopotential-) abweichungen: Bei tiefen Druck über Mitteleuropa sind sie erhöht, bei hohem Druck verringert. Was bedeutet dies für die Frage, ob Treibhausgase für die Klimaänderungen in Deutschland verantwortlich sind? Betrachtet man die Größenordnung der einzelnen Parameter, würde man zur Auffassung neigen, der Treibhauseffekt hat zwar einen Beitrag zur Erwärmung geleistet, er war aber eher gering und sicher nicht ausschlaggebend. Allein der Erwärmungsbeitrag durch die zurückgegangene Schwefelabkühlung war um ein Mehrfaches größer, im Sommerhalbjahr war der Beitrag durch die Zunahme der Sonnenscheindauer ebenfalls um ein Mehrfaches größer als der Anstieg des Treibhauseffektes. Statistischen Analysen zufolge waren aber Zirkulationsparameter ausschlaggebend für den Temperaturanstieg. Man kann sich nun natürlich die Frage stellen, ob Treibhausgase nicht für die Veränderungen der Zirkulationsparameter verantwortlich sind. In einer Modellstudie haben z. B. Lo und Hsu (2010) versucht, den plötzlichen Temperaturanstieg in den mittleren Breiten der Nordhemisphäre um das Jahr 1990 herum, der auch in Deutschland zu einem Temperatursprung geführt hat und der durch ein plötzliches Umschwenken der AO in eine stark positive Phase erklärt werden kann, durch einen Treibhausgasanstieg zu modellieren. In keinem der Modelläufe mit den 22 IPCC Klimamodellen ist es ihnen gelungen, den plötzlichen Schwenk der AO in die positive Phase Ende der 1980er Jahre darzustellen, so dass sie die Schlussfolgerung ziehen, dieser AO und Temperatursprung sei Teil der natürlichen Variabilität des Klimasystems. Im Lichte der Klimabeobachtungen der letzten 250, wahrscheinlich 300 Jahre, jedenfalls seit Beginn regelmäßiger Messungen in Europa, waren die vergangenen 10 – 20 Jahre in Deutschland, mit Abstand die wärmsten. Was andere Klimaparameter betrifft, wie Niederschläge, Niederschlagsextreme, Überschwemmungen, Dürren und Stürme gehörten diese 20 Jahre in Deutschland eher zu den moderateren und weniger extremen. Wie gesagt: Wärmer ja, extremer nein. Wir erleben am eigenen Leibe mit, weswegen man wärmere Klimaperioden als Klimaoptima bezeichnet: Weil wärmer besser ist. Wir leben in einem modernen Klimaoptimum und wir sollten dies zu schätzen wissen. Wir wissen nicht, wie lange es noch andauert. Kann man jetzt daraus einen Klimatrend für die nächsten Jahrzehnte ableiten? Das wird eher schwierig werden, denn die grundlegende Ursache der Erwärmung Deutschlands in den vergangen Jahrzehnten sind nicht Treibhausgase, sondern andere Faktoren, die man sicherlich nicht ohne weiteres in die Zukunft extrapolieren kann und sollte. Diese Faktoren, wie verstärkte Westströmungen im Winter oder verstärkte Südströmungen im Sommer könnten sich jederzeit wieder in die entgegen gesetzte Richtung ändern, sodass es in den kommenden Jahrzehnten in Deutschland wieder kälter wird, obwohl der globale Treibhauseffekt weiter wirkt und stärker wird. Zirkulationsbedingte Faktoren könnten die Erwärmung abschwächen, wie in den Wintern (aber auch den Augustmonaten) 2000 – 2009, oder weiter verstärken wie in den Sommerhalbjahren 2000 – 2009. Die zusätzliche Erwärmung durch den Rückgang der Schwefel bedingten Abkühlung war ein einmaliger Faktor, der sich nicht wiederholen wird, denn die Schwefelemissionen in Mitteleuropa wurden bereits mehr als 90 % reduziert. Geht man davon aus, dass die globale Erwärmung seit den 1970er Jahren von ca. 0,15 °C pro Jahrzehnt vollständig durch Treibhausgase verursacht wurde (was zweifelhaft ist, s. hier ) und sich künftig in etwa dieser Größenordnung auch in Mitteleuropa auswirkt, könnte das Jahrzehnt 2040 – 2050 ungefähr ein halbes Grad wärmer werden als 2000 – 2009, etwas mehr, falls natürliche Faktoren die Erwärmung verstärken sollten, etwas weniger, falls diese sie abschwächen sollten. Über künftige Niederschlagsänderungen sind nach Bewertung der Trends in den vergangen Jahrzehnten derzeit keine belastbaren Aussagen möglich. Gleiches gilt für Extremereignisse, wie Überschwemmungen, Dürren und Stürme. Zudem liefern Klimamodellprojektionen dieser Parameter kein konsistentes Bild, das mit den Beobachtungen in Deutschland vereinbar wäre. Eine Projektion in die Zukunft nur auf Basis von Klimamodellszenarien stellt deswegen keine belastbare und mithin brauchbare Grundlage dar. Bis 2050 sollte man in Deutschland keine dramatischeren Klimaänderungen erwarten, als zwischen den 1970er und den 2000er Jahren. Befürchtungen, das Klima in Deutschland werde sich in den kommenden Jahrzehnten katastrophal verändern, entbehren deswegen einer belastbaren Grundlage. Im Gegenteil: Eine moderate Erwärmung von ca. einem halben Grad Celsius bis 2050 hätte mehr Vor- als Nachteile für nahezu alle Bereiche von Natur, Wirtschaft und Gesellschaft. Dramatische und außerordentlich kostspielige Maßnahmen, noch dazu auf Deutschland oder auch Europa beschränkt, um diesen Klimawandel abzuwenden, erscheinen deswegen eher deplaziert. Das Ausrufen einer „Großen Transformation“ der gegenwärtigen Energieversorgungssysteme in den Industriestaaten um diesen Wandel abzuwehren (s. WBGU hier) erscheint vor diesem Hintergrund wenig überzeugend, in erster Linie deswegen nicht, weil Climatruth den Klimapessimismus der „Klimaalarmisten“ (s. nochmal WBGU ) nicht teilt. Es gibt weitere Gründe, die an dieser Stelle nicht weiter erörtert werden sollen. |
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