Wann wird´s mal wieder richtig Sommer?



12. Juni 2012

Einigen wird vielleicht noch das Lied von Rudi Carrell aus dem Jahre 1975 in Erinnerung sein, in dem er fragte: Wann wird´s mal wieder richtig Sommer, wie er früher einmal war, von Mai bis September?

Die Frage war nach dem Sommer 1974 durchaus nachvollziehbar, denn 1974 war einer der kühlsten, sonnenscheinärmsten und regnerischsten Sommer der vorangegangenen Jahrzehnte, obwohl Rudi dem Sommer 1975 Unrecht tat, denn die Sommer 1975 (und auch 1976) waren nicht nur recht warm und sonnig, sondern - wie 1976 – auch teilweise sehr heiß und extrem trocken.

Das führt uns zur Frage: Wie sind die Sommer der Gegenwart (in den letzten 10 - 20 Jahren) eigentlich im Vergleich zu den vorangegangenen Jahrzehnten?

Wir hatten hier hier bereits festgestellt, dass in Deutschland sowohl die Sommer (Juni – August) als auch die Sommerhalbjahre April – September in den letzten Jahrzehnten etwa 1,0 – 1,5 °C wärmer geworden sind.

Wir wollen jetzt aber nicht nur die Mitteltemperaturen betrachten, sondern weitere Indikatoren, mit denen man oft die „Güte“ eines Sommers zu beurteilen versucht.
Häufig betrachtet man hierzu die Anzahl der so genannten Sommertage, das sind Tage mit einer Höchsttemperatur von 25°C oder mehr, also Tage, die man landläufig als angenehm warm bezeichnen würde, und an denen man vielleicht ins Freibad gehen kann, an einen See, oder abends grillen könnte.
Dann gibt es noch die so genannten „Heißen Tage“ mit einer Höchsttemperatur von 30°C oder mehr. Das würden einige schon als unangenehm empfinden, besonders wenn diese Temperaturen mit drückender Schwüle verbunden sind.

Wie hat sich die Häufigkeit dieser Tage nun in den vergangenen Jahrzehnten verändert?

Wir betrachten dazu die zeitliche Entwicklung sowohl der Sommer- als auch der Heißen Tage an vier Wetterstationen in Deutschland zwischen 1953 und 2011, die, wenn auch nicht als repräsentativ, dann zumindest als indikativ für die Entwicklung gelten können.
Wir haben dazu Essen für Nordwestdeutschland, Berlin für Nordostdeutschland, Karlsruhe für Südwestdeutschland und Braunschweig als indikativ für die norddeutsche Tiefebene ausgewählt.

Die Ergebnisse sind zunächst in Abb. 1 – 4 a für die Sommertage gezeigt. In dieser Abbildung ist kein linearer Trend eingezeichnet, sondern eine so genannte „Least Square“ Kurve, die die zeitliche Veränderung der Werte besser nachzeichnet als ein einfacher linearer Trend.
Die Abbildung lässt an den einzelnen Stationen vergleichbare Veränderungen erkennen:
Bis etwa 1990 lässt die Zahl der Sommertage keinen Trend erkennen, obwohl von Jahr zu Jahr erhebliche Schwankungen aufgetreten sind. So sind z. B. in Berlin in den „Sommerlosen“ Jahren 1954, 1956, 1958, 1962, 1974, 1977 und 1987 weniger als 20 Sommertage beobachtet worden, aber in den „schönen“ Sommern 1953, 1971, 1982 und 1983 mehr als das Doppelte davon.
In Essen und in Braunschweig war die Schwankungsbreite zwischen den Sommerlosen Jahren und den schönen Sommern noch erheblich stärker ausgeprägt:
Lag die Zahl der Sommertage in Essen beispielsweise in den oben genannten Jahren zwischen mageren 5 und 15, so lag sie in den schönen Sommern bei knapp 40 und darüber, also bei etwa dem Vierfachen, aber etwa vergleichbar hoch wie in Berlin, wohl ein Hinweis darauf, dass die „schlechten“ Sommer in Nordwestdeutschland besonders schlecht waren, die guten aber sowohl in Nordwestdeutschland als auch in Nordostdeutschland vergleichbar gut. In Braunschweig verhielt es sich ähnlich.
Ein etwas anderes Muster war in Südwestdeutschland zu beobachten, hier gezeigt am Beispiel Karlsruhe.
Auch in den „schlechten“ Sommern gab es ca. 30 Sommertage, also mindestens doppelt so viele wie in dem nur 350km weiter nördlich gelegen Essen, während die „schönen“ Sommer mit mindestens dem Doppelten, mindestens 60, teilweise mit über 70 aufwarten konnten – und erheblich mehr als sowohl Essen als auch Berlin.

Immerhin: Es muss ja einen Grund geben, weswegen der Wein in Südwestdeutschland gedeiht, in Norddeutschland aber nicht.

Dann geschah um das Jahr 1990 herum Beachtliches: Wie man an der Least Squares Ausgleichskurve erkennen kann, nahm die Zahl der Sommertage im Vergleich zu den vorangegangenen Jahrzehnten deutlich zu. Die Abb. zeigt jedoch nicht nur die generelle Zunahme in der Häufigkeit von Sommertagen an allen Stationen, sondern auch welche Veränderungen im Detail stattgefunden haben.

Das Bemerkenswerteste ist nicht die Zunahme der Jahre mit besonders vielen Sommertagen, sondern die starke Abnahme von Jahren, in denen besonders wenige Sommertage aufgetreten sind.
Verallgemeinernd würde man sagen, die Zahl sehr schlechter Sommer hat in den letzten beiden Jahrzehnten deutlich abgenommen.
Dies hört man auch gelegentlich von einigen Winzern, die meinen, seit 1988 keinen wirklich schlechten Jahrgang mehr gekeltert zu haben.

So hat es z. B. in Braunschweig seit 1987 kein Jahr mehr gegeben, in dem weniger als 20 Sommertage beobachtet wurden, in Essen seit 1988 kein Jahr mehr mit weniger als 15, in Karlsruhe gar seit 1987 kein Jahr mehr mit weniger als 58 Sommertagen und in Berlin seit 1988 – mit Ausnahme von 1998 – kein Jahr mehr mit weniger als 30 Sommertagen. In Berlin wurde zudem – anders als an den anderen hier betrachteten Stationen - ein starker Anstieg der Jahre mit besonders vielen Sommertagen beobachtet.

Abb. 1a
Abb.1b
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Abb. 2a
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Abb. 2b
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Abb. 3a t
Abb. 3b
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Abb. 4a
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Abb. 4b
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In Abb. 1 – 4 b ist der Verlauf der „Heißen Tage“ gezeigt. Heiße Tage treten wesentlich seltener als Sommertage auf. In den Jahrzehnten vor 1990 hat es an den norddeutschen Stationen sogar viele Jahre gegeben, in denen entweder gar keiner oder nur ein Heißer Tag aufgetreten ist.
Vor 1990 gab es z. B. in Essen nur ein Jahr, in dem mehr als 10 Heiße Tage auftraten, nämlich 1976. In Berlin schwankte das Auftreten von Heißen Tagen etwa zwischen 1 – 2 in den Jahren mit kühlen Sommern und ca. 10 in den Jahren mit warmen Sommern, eine doch beachtliche Schwankungsbreite.
In Südwestdeutschland, Karlsruhe, bot sich vor 1990 wie bei den Sommertagen ein etwas anderes Bild: Es gab nur wenige Jahre mit weniger als 5 Heißen Tagen, die in etwa den Jahren mit 0 bis 2 Heißen Tagen in Norddeutschland entsprechen.
In den heißen Jahren sind dann in Karlsruhe etwa 20 bis 25 Heiße Tage aufgetreten, ca. doppelt so viele wie in Norddeutschland, auch dies wieder ein Hinweis darauf, dass in Südwestdeutschland ein völlig anderes Klima herrscht, als in Norddeutschland.


Die genauen zahlenmäßigen Veränderungen an den einzelnen Stationen in den letzten Jahrzehnten sind in der Tabelle 1 gezeigt. In dieser Tabelle sind die Mittelwerte für 1953 – 1988 und 1989 – 2011 gezeigt. In den letzten Spalten dieser Tabelle sind die prozentualen Veränderungen zwischen den jeweiligen Zeitabschnitten dargestellt.

Tabelle 1: Sommertage und Heiße Tage in Deutschland zwischen 1953 und 2011

Sommertage 1953 – 1988 Sommertage 1989 - 2011 Heiße Tage 1953 - 1988 Heiße Tage 1989 - 2011 %Änderung Sommertage 1989-2011/ 1953-1988 %Änderung Heiße Tage 1989-2011/ 1953-1988
Berlin 31,8 44,9 5,5 10,2 +41% +85%
Braunschweig 24,1 35,4 3,2 7,1 +47% +121%
Essen 20,8 29,8 2,6 5,6 +43% +115%
Karlsruhe 50,0 71,2 11,1 22,8 +42% +105%
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Zwischen 1953 – 1988 und 1989 – 2011 hat die Zahl der Sommertage generell um ca. 40 – 47 % zugenommen, die der heißen Tage jedoch um 85 – 121 %. Die Zunahme ist an allen Stationen statistisch hochsignifikant.
Darüber hinaus kann man zusätzlich noch die Veränderungen in der Häufigkeit derjenigen Tage betrachten, die Sommertage, aber keine heißen Tage waren. Da ein heißer Tag auch ein Sommertag ist, da er sowohl wärmer als 25°C als auch wärmer als 30°C ist, wäre es interessant, nur die Veränderung derjenigen Sommertage zu betrachten, die keine heißen Tage waren. Dies ist in Tabelle 2 gezeigt.

Tabelle 2: "Angepaßte" Sommertage (Sommertage zwischen 25 und 30°C) in Deutschland zwischen 1953 und 2011

Sommertage 1953 – 1988 Sommertage 1989 - 2011 %Änderung Sommertage 1989-2011/ 1953-1988
Berlin 26,3 34,7 +32%
Braunschweig 20,9 28,3 +35%
Essen 18,2 24,2 +33%
Karlsruhe 38,9 48,4 +24%
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Während die Häufigkeit aller Sommertage ca. 40 – 47 % zugenommen hat, ist die Häufigkeit der Sommertage zwischen 25 und 30°C nur um ca. 30 % gestiegen. Das heißt, die Zahl heißer Tage ist prozentual wesentlich stärker angestiegen, als die Zahl warmer Sommertage.
Das Klima in Deutschland ist im Sommer also tatsächlich extremer geworden, was viele Verfechter der These, dass Klimaextreme in einem wärmeren Klima zunehmen werden oder bereits zugenommen haben, freuen dürfte.

Allerdings: Dass Wärmeextreme in einem wärmeren Klima zunehmen werden, dürfte eher trivial sein oder im Rahmen der Erwartungen liegen. Was keineswegs trivial ist, obwohl es vielfach – besonders in den Medien – immer wieder behauptet wird, ist die Frage, ob Dürren, Stürme, Überschwemmungen und dergleichen zunehmen. Für Deutschland und Europa generell kann man dies verneinen ( s. hier ).

Aus Abb. 1 – 4 a kann man ebenso wie aus Abb. 1- 4 b ersehen, dass die Zahl warmer und heißer Tage um das Jahr 1990 herum deutlich angestiegen ist, seither aber kaum noch zugenommen hat.
Um genauer zu prüfen, ob es seit den 1990er Jahren zu einem weiteren Anstieg heißer oder warmer Sommertage gekommen ist, vergleichen wir den Zeitraum 1989 - 1999 mit dem Zeitraum 2000 – 2011 in Tabelle 3.

Tabelle 3: Sommertage und Heiße Tage in Deutschland zwischen 1989 und 2011

Sommertage 1989 – 1999 Sommertage 2000 - 2011 Heiße Tage 1989 - 1999 Heiße Tage 2000 - 2011 %Änderung Sommertage 2000-2011/ 1989-1999 %Änderung Heiße Tage 2000-2011/ 1989-1999
Berlin 43,7 46,1 9,8 10,6 nicht signif. nicht signif.
Braunschweig 34,5 36,1 6,9 7,2 nicht signif. nicht signif.
Essen 31,0 28,3 6,0 5,1 nicht signif. nicht signif.
Karlsruhe 69,3 73,0 22,9 22,7 nicht signif. nicht signif.
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An den hier betrachteten Stationen ist es seit den 1990er Jahren zu keinen signifikanten Veränderungen mehr gekommen, an einigen zu einer geringfügigen Ab- an anderen zu einer geringfügigen Zunahme heißer oder warmer Sommertage.

Die Zahl warmer und heißer Sommertage hat in Deutschland im letzten Jahrzehnt - im Vergleich zum vorangegangenen Jahrzehnt - kaum oder nicht zugenommen, obwohl die Sommerhalbjahre (April - September, heiße und warme Sommertage treten natürlich nur im Sommerhalbjahr auf, deswegen ist auch nur die Temperatur im Sommerhalbjahr relevant) 2000 – 2009 im Vergleich zu 1990 – 1999 deutlich wärmer geworden sind, nämlich um knapp 0,7°C, aber im Hinblick auf warme und heiße Sommertage eben nicht extremer, dies trotz des extrem heißen Sommers 2003.
Das bedeutet jedoch, dass man keinen einfachen Zusammenhang zwischen steigenden Sommertemperaturen und zunehmender Häufigkeit warmer und heißer Sommertage konstruieren kann.

Der stufenartige Charakter der Erwärmung der letzten Jahrzehnte um das Jahr 1990 herum zeigt sich auch dann sehr deutlich, wenn man den Zeitabschnitt 1989 – 1999 mit 1953 – 1988 vergleicht (hier nicht gezeigt).
Die prozentualen Veränderungen sind in etwa vergleichbar mit denen zwischen 1953 – 1988 und 1989 – 2011, was wieder die stufenartige Erwärmung um das Jahr 1990 herum unterstreicht. Alle Differenzen sind statistisch hoch signifikant. D. h., was an Zunahme von warmen und heißen Sommertagen in den vergangenen Jahrzehnten gelaufen ist, lief zwischen 1953 – 1988 und 1989 – 1999 ab, und seither kam kein weiterer signifikanter Anstieg hinzu.
Deswegen wäre es wenig sinnvoll, eine lineare Trendextrapolation von 1953 – 2011 oder 1970 – 2011 ausgehend bis z. B. 2040 oder 2050 durchzuführen und zu behaupten, künftig gäbe es eine wie auch immer geartete Zunahme heißer oder warmer Sommertage, wenn allein schon in 1999 – 2011 keine Zunahme mehr auftrat, obwohl die Sommertemperaturen sogar noch weiter gestiegen sind ( s. z. B. hier ).

Dort hatten wir ebenfalls die Ursachen für die Erwärmung der Sommerhalbjahre in Mitteleuropa benannt, nämlich eine generelle Verstärkung der südlichen Strömungskomponente über Mittel- und Westeuropa in den vergangenen Jahrzehnten. Bei den anthropogenen Faktoren war die Abnahme der Schwefel bedingten Abkühlung über Europa seit 1980 mehrere Male so groß wie die Treibhaus bedingte Erwärmung, weswegen Treibhausgase nur eine untergeordnete Rolle gespielt haben können, was auch das Ergebnis der statistischen Analysen ( hier ) ist.
Daraus ergibt sich die Frage, ob es auch zwischen der Häufigkeit von Sommer- bzw. Heißen Tagen und Zirkulationsparametern über dem Ostatlantik und Europa Zusammenhänge gibt.
Ja, es gibt sie, wie eine statistische Analyse zeigt. Es gibt eine hohe positive Korrelation zwischen der Anzahl sowohl der Sommer als auch der heißen Tage und dem Luftdruck über dem nördlichen Mitteleuropa, als auch eine signifikante negative Korrelation zwischen der Nord – Süd Luftdruckdifferenz über Mitteleuropa, und dem Luftdruck über den Azoren und über Island.
Mit anderen Worten: Hoher Luftdruck im Sommer und eine geringe Luftdruckdifferenz über Mitteleuropa (abgeschwächte Westwindströmung) sind positiv mit der Anzahl von Sommertagen assoziiert. Ein starkes Azorenhoch andrerseits führt über Mitteleuropa im Sommer generell zu einer verstärkten Westströmung, weswegen dann hier kühles Wetter mit einer verringerten Zahl von Sommertagen vorherrscht. Ein verstärktes Islandtief im Sommer (negative Luftdruckanomalien) scheint oft (aber nicht, wenn es nicht mit einem verstärkten Azorenhoch zusammentrifft) mit einer verstärkten Südwestströmung über Westeuropa einherzugehen, was dann in Mitteleuropa zu warmer Witterung Anlass geben würde.

Kehren wir an den Ausgangspunkt zurück, nämlich Rudi Carrell´s Frage: Wann wird´s mal wieder richtig Sommer? Rudi musste zwar nicht allzu lange warten, denn sowohl 1975 als auch 1976 waren sehr schöne Sommer, aber 1977 – 1981 waren im wesentlichen schon wieder Jahre ohne Sommer.

Aus heutiger Sicht muss man sagen: Früher, also in den 1950er, 1960er und auch 1970er Jahren gab es nur wenige richtig schöne Sommer, sondern nach heutigen Begriffen häufiger grottenschlechte Sommer mit wenigen warmen und schon fast überhaupt keinen heißen Sommertagen in Norddeutschland.
Fast möchte man hoffen, dass die Treibhauserwärmung weiter fortschreitet, damit uns das Schicksal der grottenschlechten Sommer der 1950er und 1960er Jahre in den nächsten Jahrzehnten erspart bleibt.