Beschleunigt sich der Klimawandel?

10. April 2010

Eine interessante Debatte lässt sich seit einigen Jahren verfolgen, in verschärfter Form seit Veröffentlichung des letzten IPCC Berichtes Anfang 2007. Einige Wissenschaftler, Klimalobbyisten und Politiker vertreten die Auffassung, der Klimawandel habe sich in den letzten Jahren beschleunigt. OK, jeder hat das Recht auf seine eigene Meinung, aber vielleicht sollte man mal auf die Fakten schauen.

Von einem beschleunigten Klimawandel würde man sprechen, wenn einer oder mehrere Indikatoren des globalen Klimawandels sich in den letzten Jahren schneller verändert haben als in den vorangegangenen Jahren. Der wichtigste Indikator des Klimawandels ist die globale Mitteltemperatur. Die globale Mitteltemperatur ist seit etwa Mitte der 1970er Jahre gestiegen, im Trend etwa mit 0,15 Grad pro Jahrzehnt. Der Klimawandel hätte sich beschleunigt, wenn die Temperatur beispielsweise zwischen 1995 und 2005 stärker gestiegen wäre als zwischen 1985 und 1995, und da wieder stärker als zwischen 1975 und 1985. Jetzt kann man natürlich andere Zeiträume auswählen, längere oder kürzere, oder man kann einen anderen Anfangs- oder Endpunkt wählen. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Oder man kann auch Trends berechnen, wobei der Trend besonders davon abhängt, welche Anfangs- und Endpunkte für die Berechnung gewählt werden. Mit anderen Worten, jeder kann sich aus dem gleichen Datenkollektiv diejenigen Anfangs- und Endpunkte auswählen, die zu seiner Argumentation am besten passen. Je nach dem, wie man einen Trend aus diesen Daten berechnet, kann man zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen gelangen. In der Klimawissenschaft – vor allem in der politisch-ideologisch motivierten - ist das aber eher alltäglich und nährt gewisse Zweifel an der Redlichkeit dieser Forscher. Man fühlt sich etwas an die alte Weisheit erinnert: Glaube keiner Statistik, die Du nicht selbst gefälscht hast.

Das hört sich verwirrend an und soll deswegen an einigen Beispielen erläutert werden.

In der nachfolgenden Abbildung ist der Verlauf der globalen Mitteltemperatur seit 1856 gezeigt.


Verlauf der globalen Mitteltemperatur seit 1856












Gezeigt ist der Verlauf der globalen Mitteltemperatur als sog. 5-jähriges gleitendes Mittel. Diese Glättung wählt man häufig, um relevante Trends zu zeigen und nicht kurzfristige Schwankungen, die mit längerfristigen Klimaänderungen nichts zu tun haben.

Man erkennt in dieser Abbildung drei Phasen im Temperaturverlauf: Eine Erwärmungsphase zwischen 1910 und 1940, eine geringfügige Abkühlung zwischen 1940 und etwa 1975 und eine erneute Erwärmung seither.

Beschränken wir uns auf die Verlauf seit 1950, denn Abkühlungen oder Erwärmungen in der Zeit davor lasen sich nicht auf einen menschlichen Einfluss zurückführen. Berechnet man einen Trend von 1960 – 2009, bekommt man ein anderes Ergebnis, als wenn man den Trend von 1970 – 2009 berechnet oder von 1980 - 2009, 1990 – 2009, 2000 – 2009 oder 2000 – 2009. Das ist in der nachfolgenden Tabelle 1 gezeigt.


Tabelle 1

Globale Temperaturtrends abhängig vom Anfangs und Endpunkt der Trendberechnung in °C pro Jahrzehnt (Datenquelle: Jones et al, 2010)
1960 - 2009: + .13
1970 - 2009: + .16
1980 - 2009: + .15
1990 - 2009: + .16
1990 - 2002: + .30
1997 - 2009: - .02
1958 - 1976: - .07

Man kann auch 1990 – 2002 rechnen, dann bekommt man einen besonders grossen Trend. Der Trend ist deswegen groß, weil sich das Klima 1992 nach einem Vukanausbruch 1991 abgekühlt hatte und weil 1998 ein sehr starkes El Nino Ereignis aufgetreten ist, was das Klima ungewöhnlich stark erwärmt hat, also beides Effekte, die mit dem Menschen und Treibhausgasen nichts zu tun haben. Trotzdem wird dieser Zeitraum gelegentlich gern benutzt, um den besonders großen Einfluss des Menschen „nachzuweisen“.

Das sind natürlich Taschenspielertricks, mit denen man vielleicht diejenigen hinters Licht führen kann, die von der Sache nichts verstehen, wie zB einen ahnungslosen Journalisten.

Wie absurd dieses Spielchen ist, zeigt auch die letzte Zeile in obiger Tabelle, dem Trend 1958 – 1976, der hier als Beispiel angefügt ist: Nämlich Abkühlung von etwa 0.07 °C pro Jahrzehnt und nicht Erwärmung. Auf der anderen Seite wird häufig argumentiert, das Klima hätte sich in den letzten 10 Jahren abgekühlt, was als Argument gegen die Treibhausthese angeführt wird. Wenn man von dem sehr warmen El Nino Jahr 1998 ausgeht und als Endpunkt das kalte La Nina Jahr 2009 wählt, sollte man an sich schon erwarten, dass es kühler geworden ist. Die fehlende Erwärmung der letzten 10 Jahre ist genauso wenig ein Argument gegen die Treibhausthese, wie die Erwärmung 1990 – 2002 ein Argument für sie ist. Nur Eines kann man mit Sicherheit nicht sagen: dass sich die Erwärmung in den letzten Jahren beschleunigt habe. Sie hat sich vielmehr abgeschwächt.

Kurzfristige Trends sind wenig relevant für die Frage, ob ein Treibhauseffekt wirkt oder nicht, sondern nur längerfristige.

Einfacher, robuster und aussagekräftiger für die Klimafrage ist es, aufeinanderfolgende 10-Jahresmittelwerte mit einander zu vergleichen. Also zB das Mittel 1970 – 1979 mit dem Mittelwert 1980 – 1989, 1990 – 1999 und 2000 – 2009. Das Ergebnis ist in der nachfolgenden Tabelle 2 gezeigt.


Tabelle 2

Temperaturen und Differenzen pro Jahrzehnt (Datenquelle: Jones et al, 2010)

Abweichung der globalen Mitteltemperatur in °C vom Mittel 1961 – 1990/Differenz zum vorangegangenen Jahrzehnt in °C
1960 - 1969: -.064
1970 - 1979: -.059 .005
1980 - 1989: +.127 .186
1990 - 1999: +.259 .132
2000 - 2009: +.409 .150

Siehe da: Die größte Erwärmung der letzten Jahrzehnte fand zwischen den 1970er und den 1980er Jahren statt, von den 80er auf die 90er Jahre war sie deutlich geringer und von den 90ern auf die 2000er war sie etwas, aber nicht signifikant größer als im Jahrzehnt zuvor, aber geringer als zwischen den 70ern und den 80er Jahren. Das Klima hat sich weiter erwärmt, aber die Erwärmung hat sich nicht beschleunigt.

Vor allen Dingen ist die Erwärmungsrate, die Differenz zwischen den Jahrzehnten, nicht Aufsehen erregend groß und liegt bei etwa 0,15 – 0,16 Grad pro Jahrzehnt in den hier verwendeten Daten, etwa in der gleichen Größenordnung wie zwischen 1910 und 1950, als ein Einwirken des Treibhauseffektes noch nicht geltend gemacht werden konnte. Sie ist mit etwa 0,13 Grad pro Jahrzehnt in den Satellitenmessungen etwas geringer, die allerdings nicht die Temperaturen am Erdboden, sondern in der gesamten Atmosphärenschicht zwischen dem Erdboden und etwa 9 km Höhe messen (in der sogenannten Troposphäre), was aber recht wichtig ist für die Beurteilung der atmosphärischen Dynamik. Wichtig in diesem Zusammenhang ist ferner, dass allen Klimamodellrechnungen zufolge der Erwärmungstrend im globalen Mittel in der Troposphäre zumindest genau so groß ist wie am Erdboden. In den Tropen, in geografischen Breiten bis zu etwa 30 Grad vom Äquator entfernt, ist er sogar deutlich größer.

Manchmal wird der Erwärmungstrend ab 1950 berechnet. Dann wird argumentiert, bis ca. 1980 sei die Erwärmung gering, und hätte sich anschließend beschleunigt, dies sei ein Hinweis auf die Beschleunigung der Erwärmung.

Das ist ein sehr eigenartiges Argument, weil die globalen Mitteltemperaturen zwischen ca. 1950 und 1976 geringfügig (siehe dazu auch die letzte Zeile in Tabelle 1) und in der Nordhemisphäre der Erde sogar deutlich gesunken sind, was in den 1970er Jahren Befürchtungen aufkeimen ließ, wir gehen einer neuen Eiszeit entgegen. Damals ist darüber sehr viel geschrieben worden, und - genau wie heute die globale Erwärmung - war die Abkühlung damals intensiver Forschungsgegenstand.

Klar ist natürlich, dass eine Abkühlung nicht den Treibhausgasen geschuldet werden kann: die Abkühlung trat aber ein, obwohl die Treibhausgaskonzentration auch zwischen 1950 und 1976 deutlich anstieg, etwas problematisch für die Treibhausthese.

Jedenfalls ist klar, dass man nicht von einer Erwärmung des Klimas seit 1950 oder in den letzten 50 Jahren sprechen kann, sondern nur von einer Erwärmung in den letzten 30 – 35 Jahren, in denen es auch wirklich wärmer geworden ist. Aber innerhalb dieser Erwärmungsperiode ist es halt zu keiner Beschleunigung gekommen, wie manchmal behauptet wird.

Gelegentlich macht sich der Eindruck breit, die Berechnung des Erwärmungstrends seit 1950, der eine Abkühlungsphase zwischen 1950 und 1976 umfasst, ist ein semantischer Trick um über die Abkühlungsphase zwischen 1950 und 1976 hinwegzutäuschen und um eine „Beschleunigung der Erwärmung“ „nachzuweisen“