Das Stockholm – Syndrom

30. Mai 2016

Als Stockholm – Syndrom bezeichnet man lt. Wikipedia

„ein psychologisches Phänomen, bei dem Opfer von Geiselnahmen ein positives emotionales Verhältnis zu ihren Entführern aufbauen. Dies kann dazu führen, dass das Opfer mit den Tätern sympathisiert und mit ihnen kooperiert“

In dieser Position befindet sich derzeit die deutsche Industrie: Die Klimapolitik hat die Industrie in Geiselhaft genommen und die Industrie entwickelt Sympathie für die Position der Politik und kooperiert mit ihr – jedenfalls offiziellen Verlautbarungen zufolge.
Denn der politische und gesellschaftliche Druck auf die Industrie ist einfach zu groß, als dass sie die Ziele der Klimapolitik offen in Frage stellen könnte.

So kommt es dann zu Stellungnahmen wie diesen:
Der Präsident des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI) verkündet:

„Der Weg in eine weitgehend CO2-freie Energieversorgung der Zukunft ist richtig und unumkehrbar“

obwohl er eigentlich genau wissen sollte, dass dies aus heutiger Sicht in den nächsten Jahrzehnten sicherlich nicht möglich sein wird.

Seine Forderung nach einer grundsätzlichen Reform der Förderung erneuerbarer Energien nach dem EEG ist sicher richtig und die Novellierung des EEG 2016 ist ein erster Schritt in diese Richtung.

Aber warum muss man die von der Politik vorgegebenen Floskeln dazu immer wiederholen, obwohl man weiß, dass eine Energiewende, wie wir sie durchführen, keine Vorbild- sondern allenfalls eine Abschreckungsfunktion hat?

Weil man sich nicht traut, offene und ehrliche Worte zu sagen, um in der öffentlichen (vor allem in der veröffentlichten) Meinung und in der Politik nicht anzuecken.
Das führt dann schlussendlich dazu, dass man beim unaufrichtigen Wort genommen wird, und eine Position unterstützt, die man eigentlich gar nicht unterstützen will oder kann. Nämlich die deutsche Wirtschaft im Rahmen einer „Energiewende“ bis 2050 vollständig – oder nahezu vollständig – zu de – karbonisieren. So wird die Wirtschaft quasi in Geiselhaft genommen.

Aufschlussreich und lesenswert in diesem Zusammenhang ist ein Artikel der ehemaligen RWE Mitarbeiterin Christine Sturm, in dem sie die Energiewende zwar implizit begrüßt, aber auf „Probleme bei der Umsetzung“ hinweist.

Zumindest bremst sie den in einigen liberalen amerikanischen Medien verbreiteten Enthusiasmus aus, die Deutschland als Vorbild preisen und die deutsche „Energiewende“ als „done deal“ darstellen. Denn ganz so sei es ja nicht.

Teilweise zunächst etwas verklausuliert, aber schlussendlich doch sehr deutlich wird erkennbar, woran es hapert:

- But this energy transition has come at a high cost and created not only winners

- (…) the utilities now totter on the brink of dissolution;

- Nor is there a guarantee that efforts so far will make Germany hit its decarbonization targets. In fact, it looks like the country will miss its goals for 2020 and 2050.

Bezogen auf die Situation der großen Stromerzeuger:

- In the early phases of the transition towards renewable energies, utilities strongly opposed the renewable energy acts—as well as other Energiewende regulations—and tried to reverse the legislation through lobbying. Although this opposition was often interpreted as unwillingness to cope with new technologies, I would argue that this reaction was mainly driven by technical and economic reasons.

- But realizing that the Zeitgeist wouldn’t allow them to reverse these policies, and recognizing that there was a comfortable way to make profits without taking risks (by taking advantage of the generous renewable energy tariffs), utility companies changed their strategies. They embraced the Energiewende and massively invested in renewables.

- The accelerated deployment of renewables induced major changes in the electricity mix and led to a significant price reduction on the electricity wholesale markets, substantially diminishing the utilities’ returns from sales of conventional power.

- Furthermore, given their strategic importance for the economy, utilities were subjected to command-economy tactics, such as not being allowed to phase out plants that hurt their balance sheets, in order to deliver backup power for times of no sunshine and low wind.

- What all this means is that despite their position as the backbone of the entire German economy, utilities were sacrificed for the greater good on the Energiewende altar, and it pretty much looks like their sacrifice was not sufficient to meet Germany’s ambitious decarbonization goals.

- (…) the problem of generating electricity on cloudy and windless days could only be managed because utilities were obliged to cover these intermittencies by maintaining and running fossil power plants as backup source, in an uneconomic mode.

Um kurz zusammenzufassen: Die „Energiewende“ hat nicht nur einige kleinere Probleme, sondern grundsätzliche große Probleme:

- Die Energiewende ist sehr teuer

- Das Geschäftsmodell der EVUs ist kaputt; die Zwangseinspeisung Erneuerbarer senkt die Preise an der Strombörse

- Die EVUs stehen am Rand der Pleite

- Sie müssen ihre traditionellen Kraftwerke aber laufen lassen, wenn die Sonne nicht scheint und kein Wind weht, verdienen aber kein Geld damit

- Sie versuchen sich mit dem Ausbau Erneuerbarer zu retten: Das Abgreifen von Subventionen ist ein sicheres Geschäftsmodell

- Die EVUs werden auf dem Altar der Energiewende geopfert

- Die De – Karbonisierungsziele (-40% bis 2020 und -80% bis 2050) sind kaum erreichbar

Vergessen hat die Autorin nur, darauf hinzuweisen, dass durch diese „Energiewende“ wegen des europäischen Emissionshandelssystems überhaupt keine CO2 Emissionen in der Stromerzeugung eingespart werden, was vor allem die angelsächsischen Medien anscheinend überhaupt nicht begreifen.

Vielleicht etwas deutlicher hätte sie auch noch machen sollen, dass EVUs Wirtschaftsunternehmen sind, deren Aufgabe darin besteht, Geld zu verdienen und nicht, die klima - ideologischen Vorstellungen des Staates umzusetzen – auf Kosten der EVUs. Das kann und wird nicht gutgehen.

Aber trotzdem verkünden sie öffentlich, die „Energiewende“ sei natürlich eine tolle Sache…..langsam wird es mal Zeit, sich aus der eisernen Umklammerung des Stockholm – Syndroms zu befreien.

Immerhin wurden in diesem Artikel doch einige offene Worte gesprochen, die man sich von den Industrie - Verbänden auch mal wünscht, statt: Ja, wir finden die Energiewende ganz toll, aber……vielleicht gibt es doch noch einige klitzekleine Probleme……..