Treibt der Emissionshandel die Energiewende an?

23. September 2018

Es regnet, ich kann draussen nichts machen. Zeit, wieder mal einen ketzerischen Beitrag gegen die Klimakatastrophe und die Energiewende zu schreiben.

Kürzlich wurde auf SPON folgender Beitrag veröffentlicht, in dem es heißt, die steigenden CO2 Preise treiben die Energiewende voran

SPON: Spektakuläre Wende am deutschen Strommarkt: Steigende CO2-Preise machen alte Kohlemeiler weniger rentabel. Das Aus des dreckigen Energieträgers könnte sich dadurch beschleunigen.

Abgesehen von der platten Anti – Kohle Polemik, die in den grün – alternativen Medien allerdings seit einiger Zeit Standard ist, zeigen die Autoren, dass sie nicht begriffen haben, wie Energiewende und Emissionshandel funktionieren.

Der EU – weite Emissionshandel ist ein Instrument, dem alle Energieerzeugungsanlagen (oberhalb einer bestimmten Größe) in der EU unterliegen. Dabei werden die Emissionen nicht durch den Handel reduziert, oder dadurch, dass der Preis für Emissionsrchte hoch oder niedrig ist, sondern durch die ordnungsrechtlich festgelegte Emissionsobergrenze, definiert durch die begrenzte Ausreichung von Emissionszertifikaten, die ein Anlagenbetreiber für seine Emissionen, die genau überprüft werden, zugeteilt bekommt, bzw. erwerben muss.

Die Emissionsobergrenze für den Zeitraum 2012 – 2021 wurde im Jahre 2008 planwirtschaftlich festgelegt. Eine Planwirtschaft kann aber nicht voraussehen, wie sich die Zukunft tatsächlich entwickelt.

Denn in den Jahren nach 2008 kam auf einmal die Finanz- und Wirtschaftskrise, bzw. die Eurokrise, die Wirtschaft brach ein und es stellte sich heraus, dass die Unternehmen der europäischen Industrien wesentlich weniger Zertifikate brauchten, als man im Jahre 2008 glaubte und zuteilte.

Die Preise für die Zertifikate fielen, aber es wurde deswegen nicht mehr CO2 emittiert, sondern trotzdem weniger, eben weil die Wirtschaft schwach war. Schwache Wirtschaft, weniger Energieverbrauch, weniger Zertifikate werden gebraucht, die Preise fallen. So einfach ist das.

Der Emissionshandel funktioniert natürlich unabhängig davon, ob die Zertifikatspreise niedrig oder hoch sind, weil es in diesem System planwirtschftlich festgelegter Emissionsobergrenzen gleichgültig ist, weswegen die Emissionen sinken: Egal, ob durch Einführung emissionsärmerer Technologien oder durch Produktionsrücknahme. Der Emissionshandel ist da blind. Die Preise für Emissionsrechte sind nur die variable Größe.

Es ist nicht die Aufgabe des Emissionshandels darüber zu entscheiden, wie die Emissionen gesenkt werden, er soll nur sicherstellen, dass sie gesenkt werden – und dass sie zu den geringstmöglichen Kosten gesenkt werden.

Das ist der Charme des Emissionshandels: Er garantiert die Einhaltung des umweltpolitischen Ziels – bei gleichzeitiger Minimierung der Kosten. Deswegen wurde er überhaupt eingeführt.

Die Preise für die Zertifikate sind nun in den vergangenen 12 Monaten von ca. 7 EUR auf ca. 20 EUR gestiegen, haben sich etwa verdreifacht.

Bezogen auf die CO2 Emissionen pro kWh eines Braunkohlekraftwerkes, das knapp 1 kg CO2 pro kWh emittiert (moderne Anlagen deutlich weniger) würde das bei einem CO2 Preis von 10 EUR pro t zu Kosten von ca. 1 Cent pro kWh führen, also bei 20 EUR pro t CO2 zu 2 Cent pro kWh.

Die CO2 Minderungskosten in einem Braunkohlekraftwerk würden also durch den Emissionshandel heute pro kWh 2 Cent betragen, in Steinkohlekraftwerken etwa ein Viertel weniger bei ca. 1,5 Cent.

Im Rahmen der “Energiewende” werden durch das EEG bzw. die daran gekoppelten Zusatzkosten, wie Netzumlage usw. den privaten Stromverbrauchern pro kWh Strom, der in den EEG Anlagen erzeugt wurde, erheblich mehr in Rechnung gestellt. Auf den Gesamtstrom bezogen, den Privathaushalte verbrauchen, d. h., egal, ob der Strom erneuerbar oder konventionell erzeugt wurde, werden die Verbraucher mit ca. 7 Cent pro kWh belastet. Auch deswegen sind in Deutschland die Strompreise mit die höchsten in ganz Europa.

Würden also durch die Energiewende Emissionen aus Kohlekraftwerken eingespart (was im Wesentlichen nicht der Fall ist, da durch die Energiewende, d. h. insbesondere durch den Ausbau von Wind- und Sonnenstrom überwiegend nur die CO2 – freie Stromerzeugung der Kernkraftwerke ersetzt wird, die bis 2022 sukzessive vom Netz genommen werden), so wären die Kosten dafür um ein Mehrfaches höher als die Minderungskosten, die im Rahmen des Europäischen Emissionshandelssystems EU – ETS entstehen.

Die deutsche Energiewende ist also ein höchst ineffizientes Instrument zur CO2 Einsparung im Kraftwerksbereich.
Ein Instrument, das noch dazu sein Ziel einer Emissionsminderung im Kraftwerksbereich verfehlt, weil derzeit im Wesenlichen lediglich die stillgelegte Kernkraftkapazität teilweise ersetzt wird.


Sie kann niemals ganz ersetzt werden, weil Kernkraft in der sogenannten Grundlast gefahren wird, d. h. Strom bedarfsgerecht erzeugt wird, der immer gebraucht wird. Wind und Sonne können diese Grundlast niemals ersetzen, weil die Sonne nicht immer scheint (nachts grundsätzlich nicht) und der Wind auch nicht immer weht.

In diesen Situationen muss die Grundlast von fossil gefeuerten Kraftwerken, meist von der Braunkohle, übernommen werden.

Machen steigende CO2-Preise alte Kohlemeiler weniger rentabel? Wird das Aus des dreckigen Energieträgers sich dadurch beschleunigen? wie SPON meint?

Auf den ersten Blick könnte man das meinen. Die Entscheidung darüber, welches Kraftwerk beschäftigt (sprich zur Stromerzeugung eingesetzt ) wird, findet in der Energiewirtschaft im Rahmen der sogenannten Merit Order statt.
Dabei findet diese Entscheidung im Dreieck Brennstoffpreis – CO2 Preis – Strompreis statt. Ein hoher CO2 Preis allein führt nicht unbedingt dazu, von der CO2 reichen Braunkohle auf das CO2 arme Erdgas umzusteigen, wenn der Erdgaspreis so hoch ist, dass der Erdgaseinsatz so teuer ist, dass kein kostendeckender Erlös erzielt werden kann. Im umgekehrten Fall könnte es sich nicht rechnen, ein Braunkohlekraftwerk zu beschäftigen, wenn der CO2 Preis sehr hoch ist, obwohl der Braunkohlepreis erheblich niedriger als der Erdgaspreis ist (immer pro Energieeinheit gerechnet).

Hinzu kommen jedoch weitere Faktoren. Wenn ein Braunkohlekraftwerk bereits amortisiert ist, also kein Kapitaldienst mehr geleistet werden muss, kann es durchaus gewinnbringend betrieben werden, obwohl die CO2 Preise sehr hoch sind. Es könnte dann trotzdem gegenüber einem Gaskraftwerk konkurrenzfähig sein, wenn dieses sich erst noch amortisieren muss (noch abbezahlt werden muss).

Der wichtigste Faktor hingegen kommt noch. Es ist ein grundsätzlicher Konstruktionsfehler des Emissionshandelssystems im Bereich der Stromerzeugung.

Das Emissionshandelssystem geht in der Theorie davon aus – wie es die Autoren des SPON Beitrages zutreffend darstellen – dass hohe CO2 Preise zu einem Shift von CO2 intensiver Energieerzeugung zu CO2 armer Energieerzeugung führen.

Das könnte so funktionieren, wenn es zwischen den einzelnen Stromerzeugern eine Konkurrenzsituation gäbe. Das ist aber nicht der Fall. Der deutsche Strommarkt wird von einem Oligopol beherrscht, das für ca. 80% der (fossilen) Stromerzeugung verantwortlich ist. Die marktbeherrschende Stellung der grossen Unternehmen führt dazu, dass die Kosten für die Emissionsrechte, die die Kraftwerksbetreiber erwerben müssen, nicht die Unternehmen tragen, sondern von ihnen auf den Strompreis aufgeschlagen werden. D. h. nicht die Unternehmen tragen die Kosten des Emissionshandels (oder der CO2 Minderung), sondern die Stromverbraucher. Deswegen liegt die Entscheidung darüber, ob CO2 im Strombereich reduziert wird, letztendlich beim Stromverbraucher und nicht beim Stromerzeuger. Erst wenn CO2-armer Strom günstiger eingkauft werden kann, als CO2-reicher Strom, wird er sich am Markt, d. h. beim Verbraucher durchsetzen.

Die Energiewende hebelt dies jedoch dadurch aus, dass Erneuerbarer Strom zu deutlich höheren Kosten zwangseingespeist und der private Verbraucher gezwungen wird, dies über seine Stromrechnung zu bezahlen - ein planwirtschaftliches System.

In anderen Bereichen der Wirtschaft, die dem Emissionshandel unterliegen, und die miteinander im Wettbewerb stehen, muss sich das Unternehmen fragen, inwieweit es die Kosten für Emissionsrechte auf den Produktpreis aufschlagen kann, um noch wettbewerbsfäfig zu bleiben. Nicht so in der oligopolartigen Energiewirtschaft.

Mit anderen Worten: Die Unternehmen der Energiewirtschaft können frei nach der alten norddeutschen Weisheit verfahren: Wat schert meck dat?

Warum sollen sie ihre alten (und zumeist voll amortisierten) Kohlekraftwerke abschalten, nur weil sie jetzt höhere Kosten für Emissionsrechte haben, wenn sie diese Kosten einfach auf ihre Kunden überwälzen können?

So geschehen bereits in der ersten Phase des Emissionshandelssystems 2005 – 2008, was damals zu großer Verstimmung in der Politik führte, da die Emissionsrechte kostenfrei zugeteilt wurden, von den Strom erzeugenden Unternehmen aber zu Marktpreisen in den Strompreis eingepreist wurden, den Unternehmen also durch den Emissionshandel gigantische “Windfall Profits” entstanden sind.

Das ist jetzt anders, da die Emissionsrechte in einem kostenpflichtigen Auktionsverfahren erworben werden müssen.

Wer Glück hatte und sich bereits in den letzten Jahren an den Terminmärkten mit Emissionsrechten zu günstigen Preisen eingedeckt hat, der kann das Spiel jetzt wiederholen und die aktuellen Marktpreise für Emissionsrechte in den Strompreis einpreisen und schöne Extragewinne machen.

Eine Ausweitung der Stromerzeugung mit Erdgas wird es – solange in der Energiewirtschaft (noch) die Gesetze der freien Marktwirtschaft gelten – nur dann geben, wenn der Betrieb der jetzt existierenden Erzeugungsanlagen auf Kohlebasis teurer wird, als der Betrieb von Gasanlagen (Turbine oder Erdgasmotor). Diese Anlagen müssten neu gebaut werden; zwischen Planung, Genehmigung, Bau und Inbetriebnahme würden mehrere Jahre vergehen.

Wahrscheinlich würde es sich beim Bau von Neuanlagen um neue Player am Markt handen, da die etablierten EVUs kaum ihren eigenen Kohlekraftwerken Konkurrenz machen würden. Erst wenn sich abzeichnen würde, dass Gaskraftwerke dauerhaft Strom günstiger anbieten können als Kohlekraftwerke, und Kohlekraftwerke Verluste machen, würde es zu einem größerem Shift von Kohle zu Gas kommen.

Das erscheint in näherer Zukunft als wenig wahrscheinlich. Hier wird beispielsweise geschätzt, dass sich der Betrieb eines Erdgasmotors erst bei Strompreisen von 90 – 100 EUR/MWh rechnen würde, etwa dem Doppelte der heutigen Preise.

Treibt der Emissionshandel die Energiewende an? Die Frage ist falsch gestellt. Denn der Emissionshandel macht die “Energiewende”, so, wie wir sie in Deutschland betreiben, überflüssig.

Eine Energiewende (eine Dekarbonisierung) ist im EU – ETS bereits angelegt, denn es strebt eine ca. 70%ige Dekarbonisierung bis 2050 an.

Wir erlauben uns den Luxus, die CO2 Emissionen aus Kraftwerken mit dem EU - ETS zu reduzieren und satteln dann noch einmal ein nationales weiteres System drauf (die “Energiewende”), die keine zusätzlichen CO2 Emissionen reduziert, aber immense Kosten für die Stromverbraucher verursacht, knapp. 30 Mrd. EUR pro Jahr.

Was wir hier machen ist ökonomischer Irrsinn. Jeder, der sich in der Materie auskennt, weiß das.

Weswegen machen wir es trotzdem? Weil die Grüne Ideologie es uns diktiert. Weil die Grüne Ideologie die öffentliche, vor allem die veröffentlichte Meinung und Wahrnehmung beherrscht.

Wir leben in einem Zeitalter der Anti – Aufklärung, der Irrationalität, wo nur das real ist, was wir glauben oder glauben zu wissen. Abweichende Fakten sind irrelevant.

Nichts scheint in der Politik und in der öffentlichen Meinung und Wahrnehmung schlimmer zu sein als Fakten, die die öffentliche Wahrnehmung infrage stellen. Vereinfacht gesagt: Die Leute glauben, was sie glauben wollen und lassen sich durch Fakten nicht irritieren.

Die Politik jedoch macht Politik auf der Grundlage der öffentlichen Wahrnehmung, auf der Grundlage dessen, was die Öffentlichkeit glaubt.

Wenn die Öffentlichkeit glaubt, zwei und zwei ist drei oder fünf, wird Politik auf dieser Grundlage gemacht. Eigentlich sehr demokratisch.

Aber man kann mit Parteitagsbeschlüssen oder Gesetzesvorlagen im Bundestag weder den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik abändern, noch die Gesetze der Ökonomie.

Irgendwann geht das schief.