Atom-Desaster in Japan – Hysterie in Deutschland15. März 2011 Was hat das Atom Desaster in Japan mit der Klimapolitik in Deutschland und anderswo zu tun? Mehr als es auf den ersten Blick den Anschein hat. Die Art und Weise wie Medien, Öffentlichkeit und Politik auf die Ereignisse in Japan reagieren, ist ein interessantes Lehrstück dafür, wie Politik in unserem Lande gemacht wird. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Teile der Medien fast schon danach hecheln, endlich noch katastrophalere Nachrichten aus Japan berichten zu können, damit sie endlich sagen können: Siehste! Wir haben es euch schon immer gesagt, und nun müssen wir auch wirklich sofort alle AKWs abschalten. In einen Klima der Hysterie und aufgepeitschten Emotionen ist es zwecklos mit Sachargumenten anzutreten: wie z. B. dass es in Deutschland niemals zu Erdbeben der Stärke wie in Japan und zu einem Tsunami schon gar nicht kommen kann und niemals kommen wird. Teilweise wird schon „Das Ende des Atomzeitalters“ verkündet - vielleicht doch etwas voreilig. Angela Merkel hat mit ihrem feinem politischen Gespür die Hysterie in Deutschland sofort verstanden und darauf, wie bereits aus der Klimapolitik bekannt, mit Symbolismen reagiert und den „Ausstieg aus dem Ausstieg“ auf den Prüfstand gestellt. Sieben AKWs sollen bis auf Weiteres abgeschaltet werden, obwohl es dafür überhaupt keine Rechtsgrundlage gibt. Die öffentliche Hysterie reicht offenbar aus. Anderswo sieht man die ganze Angelegenheit doch erheblich gelassener. Die Kernenergie wird nicht grundsätzlich auf den Prüfstand gestellt, aber man wird sicherlich genauer darüber nachdenken, ob man AKWs künftig in Erdbeben- oder Tsunamigebieten bauen wird. Der in vielen Ländern geplante Ausbau der Kerrenergie wird nicht grundsätzlich gestoppt, aber mit zusätzlichen Sicherheitsauflagen bedacht werden. Was bedeutet das aber für die Klimapolitik, abgesehen davon, dass man in der politischen Reaktion auf öffentliche Hysterie die gleichen Mechanismen wie in der Klimapolitik zum Höhepunkt des Klimahypes 2007 erkennen kann? Deutschland und die EU haben sich für ihre Volkswirtschaften ambitionierte Dekarbonisierungsziele von 40 bzw. 20 % gegenüber 1990 bis 2020 gesetzt. Die EU Kommission denkt sogar darüber nach, diese Ziele noch deutlich auf 30% zu verschärfen und argumentiert, das Anziehen der Schrauben würde sogar noch zusätzliches Wirtschaftswachstum schaffen – man fühlt sich an den Begriff der „Voodoo – Economics“ erinnert, mit der die Wirtschaftspolitik des US Präsidenten Ronald Reagan in den 1980er Jahren ins Lächerliche gezogen wurde. Die verschärfte Dekarbonisierung der europäischen Wirtschaft bis 2020 ist nur realistisch, wenn man in Europa an der Kernenergie festhält, bzw. sie moderat ausbaut, wie in einigen EU Mitgliedsstaaten geplant. Diese Pläne werden aber mit Sicherheit auf den Prüfstand kommen. Es ist absehbar, dass sie möglicherweise nicht, nur mit großer Verzögerung oder unter erheblich strengeren Sicherheitsauflagen umgesetzt werden, die sehr kostentreibend sein könnten und schon allein deswegen den weiteren Ausbau gefährden. In den USA, die keine rechtlich verbindlichen CO2 Minderungsziele haben, ist bereits jetzt absehbar, dass der weitere Ausbau der Kernenergie wahrscheinlich an den exorbitanten Kosten scheitern wird, da Atomstrom im Vergleich zu Strom aus Kohle- und Erdgaskraftwerken kaum wettbewerbsfähig ist. Zudem gestaltet sich die Finanzierung des Neubaus von Kernkraftwerken schwierig, da Geldgeber die Risiken scheuen und wohl auch noch die Situation in den 1980er Jahren vor Augen haben, als mehrere im Bau befindliche Kernkraftwerke wegen immenser Kostensteigerungen (teilweise verursacht durch Verschärfung der Sicherheitsauflagen nach dem Reaktorunglück von Three Mile Island) nicht mehr vollendet wurden und die bereits getätigten Investitionen als Milliardenverluste abgebucht werden mussten. Einige EVUs sind daran sogar Pleite gegangen. Seit Three Mile Island ist in den USA kein neues AKW mehr ans Netz gegangen. Gelegentlich – aber nicht immer - sind die Finanzmärkte ein guter Indikator dafür, was die Zukunft bringen mag. Im Gefolge des Aktiencrashs nach der Erdbeben- und Atomkatastrophe in Japan sind – wenig überraschend - die Anteilsscheine von Unternehmen der Nuklearindustrie besonders stark gefallen, weil sich die Aussichten für diesen Wirtschaftszweig weltweit verdüstert haben. Demgegenüber sind Aktien erneuerbarer Energieträger stark gestiegen, weil man mit einem verstärkten Push in Erneuerbare rechnet: So wird in Deutschland ein verstärkter Ausbau der Windenergie erwartet – sprich eine verstärkte Förderung auf Kosten der Stromverbraucher. Das klassische Modell des öko-industriellen Komplexes der Umverteilung von den Taschen vieler in die Taschen weniger ist weiter erfolgreich bei der Arbeit. Das ist jedoch nicht alles: Investoren rechnen auch damit, dass die EU wegen des Drucks auf die Kernenergie Schwierigkeiten haben wird, ihre ambitionierten CO2 Minderungsziele umzusetzen, weswegen der Preis für CO2 Emissionsrechte, der in den letzten 2 Jahren um die 14 EUR/t CO2 dümpelte, schlagartig auf über 17 EUR gestiegen ist. Weniger Kernenergie – mehr fossile, mehr Nachfrage nach Emissionsrechten, einfache Rechnung. Für die Bürger und die Wirtschaft in der EU bereits jetzt absehbar: Ab 2013 weiter steigende Energiepreise, besonders für Strom, und zwar unabhängig davon, ob Strom durch Emissionsrechte oder durch verstärkten Zubau Erneuerbarer teurer wird. Sollte Deutschland am beschleunigten AKW Ausstieg festhalten, wird’s für die Verbraucher noch erheblich teurer: Schätzungen zufolge würde ein Komplettausstieg bis 2020 um die 230 Mrd EUR kosten – nicht die AKW Betreiber, wie man zunächst vermuten möchte, sondern die Stromverbraucher, denn die Ausstiegskosten werden mit Sicherheit nicht von den AKW Betreibern getragen, sondern den Stromkunden auferlegt. Die entstehende Stromlücke wäre kaum durch teure subventionierte erneuerbare Energien zu schließen, sondern man müsste sich dann auf Stromversorgungslücken einstellen, wie bereits heute in einigen Entwicklungs- und Schwellenländern üblich. Wahrscheinlicher ist ein Ausbau der fossil gefeuerten Kraftwerkskapazität, obwohl die Medien und Umweltgruppen hiergegen besonders stark Stimmung machen. Dies wird jedoch zu steigender Nachfrage nach CO2 Zertifikaten führen, worauf die Märkte bereits reagiert haben. Die Lösung, CO2 aus dem Rauchgas von Kraftwerken abzuscheiden und in geologische Formationen Hunderte von Metern unter der Erde dauerhaft abzulagern (die sog. CCS Technologie, Carbon Capture and Storage) ist- wie kann es anders sein in Deutschland – ebenfalls eine Totgeburt. Obwohl gerade diese Variante der CO2 Emissionsvermeidung von der EU Kommission und auch von der Bundesregierung positiv begleitet wurde, ist der Widerstand von Bürgerinitiativen vor Ort so stark, und zwar vom linken bis zum rechten Ende des politischen Spektrums, dass CCS in Deutschland nahezu aussichtslos erscheint. Die EVUs haben das bereits begriffen und verfolgen Ausbaupläne von fossil befeuerten Kraftwerken mit angegliederter CCS nicht weiter – jedenfalls nicht in Deutschland. In die Ferne gerückt ist ebenfalls das Ziel der Bundesregierung, die CO2 Emissionen bis 2020 gegenüber 1990 um 40 % zu senken, dies wird ohne die Kernenergie kaum machbar sein. Denkbar ist allenfalls die östereichische Lösung nach Tschernobyl: Aus der Kernenergie aussteigen und Atomstrom aus Osteuropa importieren. Oder auf heutige Verhältnisse übertragen: Atomstrom aus Frankreich. Deutschland wird jedenfalls in den kommenden 10 Jahren massive Probleme bekommen, eine bedarfsgerechte Stromversorgung zu bezahlbaren Preisen auf die Beine zu stellen - der Klimapolitik und der Atomangst sei Dank. |
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