Kriegen wir doch einen kalten Winter?

4. Dezember 2022

Vor einigen Wochen haben wir hier auf diesen Seiten eine Vorhersage für den bevorstehenden Winter gewagt. Dieser Einschätzung zufolge sollte der kommende Winter insgesamt milder als normal ausfallen, besonders, wenn man berücksichtigt, dass in diesen Winter das dritte Jahr in Folge ein La Nina Ereignis auftritt, also ein Kaltwasserereignis im östlichen tropischen Pazifik.

Aus dem Witterungsverlauf der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass in all diesen Fällen der Winter in Mitteleuropa insgesamt zu mild war.

Das bedeutet nicht, dass es auch zwischenzeitlich kalte oder sehr kalte Abschnitte geben kann, wie zB im Februar 2012 oder im Februar 2021 - trotzdem war der meteorologische Winter, der von Dezember - Februar dauert, insgesamt zu mild.

In diesem Jahr baut sich gegenwärtig über dem Atlantik und Europa eine Wetterlage auf, von der viele Meteorologen alten Schrot und Korns wahrscheinlich sagen werden: So etwas haben wir ja lange nicht mehr gesehen.

Was sich nämlich gegenwärtig - und fast allen numerischen (Computer-) Vorhersagen zufolge - auch in den nächsten 7 – 10 Tagen abspielt, ist eine völlige Umkehr der für den Winter “normalen” Zirkulationsmuster über dem Nordatlantik und über Europa.

Das normale Zirkulationsmuster ist ein starkes Islandtief zusammen mit einem starken Azorenhoch, dazwischen eine kräftige Westströmung, mit der milde und feuchte Luft vom Atlantik über Mitteleuropa bis weit nach Osteuropa geführt wird und somit das typische deutsche Winterwetter – windig, mild und regnerisch - verursacht. (Im Fachjargon auch als positive Phase der NAO, der NAM, der AO oder als Hi - Index Zirkulationsphase bezeichnet).

In manchen Jahren stellt sich dieses normale Zirkulationsmuster quasi auf den Kopf, und es baut sich ein kräftiges Hochdruckgebiet, ein sogenanntes blockierendes Hochdruckgebiet, genau dort auf, wo normalerweise das quasipermanente Wintertief liegt, nämlich über Island und Grönland und erstreckt sich dann oft auch noch über das Nordmeer und Skandinavien bis nach Nordrussland. (Im Fachjargon auch als negative Phase der NAO, der NAM, der NA oder als Low – Index Zirkulationsphase bezeichnet).

Häufig wird das blockierende Hoch über Grönland aber auch von einem Tief über Nordskandinavien, der Barentssee und Nordrussland begleitet. Zwischen diesen Druckgebilden entsteht dann eine Nordströmung, mit der maritime Kaltluft aus der Arktis in Richtung Skandinavien und Mitteleuropa transportiert wird.

Im Gegenzug verschwindet das Azorenhoch komplett aus seiner normalen Position und ist weit nach Süden verschoben; stattdessen ziehen Tiefdruckgebiete vom subtropischen Atlantik auf einer weit nach Süden verschobenen Zugbahn genau dort entlang, wo normalerweise das Azorenhoch liegt, in Richtung Iberische Halbinsel und in das Mittelmeer und führen dort zu teils sehr ergiebigen Niederschlägen, manchmal sogar zu Überschwemmungen.

Bei uns führt diese Konstellation dazu, dass die Luftströmungen nicht mehr vom warmen Atlantik her kommen, sondern, an der Ostseite des Hochs über Grönland und Island, vom Nordpolarmeer, oder auch aus Skandinavien oder Nordrussland.

Wenn die Luft vom Nordpolarmeer kommt und den langen Weg über die Nordsee hinter sich hat, hat sie sehr viel Feuchtigkeit und auch Wärme aufgenommen und führt bei uns zu dem nass – kalten Schmadderwetter, was wir gegenwärtig erleben – und was wir den Vorhersagen zufolge auch in den kommenden 5 – 10 Tagen erleben dürfen.

Dabei ist es zwar für die Jahreszeit zu kalt, aber nicht sehr kalt, eben weil die Luft bei ihrem Weg über die Nordsee Wärme und Feuchtigkeit aufgenommen hat; in den unteren Luftschichten ist sie dann im Frühwinter, wie jetzt, zu warm, um im Flachland eine geschlossene Schneedecke zuzulassen. Typischerweise sind die Temperaturen im Flachland bei um oder etwas über Null tagsüber und bei Null oder etwas unter Null Nachts. Es ist meist stärker wolkig oder trübe.

In den Mittelgebirgen und in den Alpen hingegen kann es bei diesen Wetterlagen sehr viel Schnee geben.

Richtige winterliche Kälte mit Nachttemperaturen unter – 10° und Tagestemperaturen deutlich unter 0° wird es erst geben, wenn die Luftzufuhr aus Skandinavien oder Nordrussland erfolgt, dh also aus Nordosten oder Osten und nicht mehr über die Nordsee.

Inwieweit ist diese Entwicklung längerfristig von Bedeutung?



Die Erfahrung zeigt, dass derartige Blockierungswetterlagen mit einer Zirkulationsumkehr über dem Nordatlantik und Europa im Dezember eine hohe Stabilität aufweisen. Vergleichbare Wetterlagen hat es zB im Dezember 1969, 1970, 1981, 1995, 1996, 2009 und letztmalig im Dezember 2010 in dieser Deutlichkeit gegeben.

In einigen Fällen hat diese Blockierungslage bis kurz vor Weihnachten angedauert, um dann über Weihnachten vom sog. Weihnachtstauwetter (nämlich einem Warmluftvorstoß aus Südwesten), einer Wettersingularität mit einer hohen Eintrittswahrscheinlichkeit, abgelöst zu werden.

Wie es nach Weihnachten weitergeht, ist dann eher offen. Die Kälteperiode kann zurückkehren, wie 1969/1970, oder 2009/2010, oder sie kann beendet werden, wie 2010/2011, oder das Weihnachtstauwetter kann auch ganz ausfallen, wie 1970/1971 und 1996/1997, und die Kälteperiode kann sich in den Januar hineinziehen, um dann gegen Mitte Januar beendet zu werden.

Aus gegenwärtiger Perspektive ist das alles Spekulation, abgesehen davon, dass auf Grundlage der numerischen (Computer-) Vorhersagen einiges dafür spricht, dass die Blockierungswetterlage in den kommenden 5 – 10 Tagen aufrecht erhalten bleibt und dass die Temperaturen in Deutschland unter den Normalwerten verharren und dass möglicherweise der Dezember insgesamt zu kalt ausfallen wird.

Wie kalt es schlussendlich werden wird, hängt von der weiteren Entwicklung ab. Wenn sich gegen Ende des Vorhersagezeitraums der numerischen Wettervorhersagen Tiefdruckgebiete aus Südwesten nach Mitteleuropa voranarbeiten, kann es sehr schnell wieder mild werden, falls die Strömung auf Nordost bis Ost dreht, kann es sehr schnell sehr kalt werden.

Vorhersagen sind halt schwierig, besonders, wenn sie die Zukunft betreffen.

Was man wohl mit einiger Sicherheit sagen kann ist, dass es überwiegend wolkig und trübe bleiben wird; noch dazu relativ windschwach – mit anderen Worten, die erneuerbaren Energien Wind und Sonne haben einen schweren Stand.

Zudem wird man allzuviel an Heizkosten angesichts der erwarteten niedrigen Temperaturen in der nächsten Zeit auch nicht einsparen können, es sei denn, man will frieren.

Vielleicht hilft es, sich im Wohnzimmer in Pelze zu hüllen – aber man sollte sich dabei nicht vom Nachbarn erwischen lassen: Wie man einige Leute so kennt, würden die einen glatt bei den Grünen verpetzen.

Das Leben wird halt immer schwerer durchschaubar.