EU Öl - Embargo gegen Russland: Gut für Putin, schlecht für die EU (und Deutschland), irrelevant für die Ukraine

21. Juni 2022

Anfang Juni 2022 hat die EU beschlossen, bis Ende 2022 vollständig auf Erdölimporte aus Russland zu verzichten, die auf dem Seeweg in der EU anlanden.

Ausgenommen davon sind Lieferungen die per Pipeline in die mittel – osteuropäischen Staaten Ungarn, Slowakei und Tschechische Republik gelangen.

Die Entscheidung wurde von der EU mit stolzgeschwellter Brust und im Bewußtsein der moralischen Notwendigkeit und Überlegenheit verkündet, denn: “Jetzt werden wir es Putin mal so richtig zeigen. Wir werden die Finanzierung seiner Kriegsmaschine gegen die Ukraine damit unterbinden”.

Die EU hat damit wohl mit einiger Sicherheit die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Denn wem dieses Embargo erheblichen Schaden zufügen wird, ist nicht Putin (oder Russland), sondern die EU und allen voran Deutschland. Der Ukraine ist damit überhaupt nicht geholfen – es geht allenfalls um einen psychologischen “Erfolg” den der ukrainische Präsident Selensky dadurch errungen hat, dass er die EU zu einem derartigen Embargo gedrängt hat und die EU ihm gefolgt ist.

Wieso ist dieses Embargo gut für Putin?

Putin ist es trotz aller bisherigen Sanktionsmassnahmen der EU gelungen, weiterhin Öl, Gas und Kohle zu verkaufen – zwar weniger an die EU, aber an andere Abnehmer , wie z. B. China und Indien. Obwohl die verkaufte Menge im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen ist, sind die Erlöse deutlich gestiegen, weil die Preise wesentlich stärker gestiegen sind, als die verkaufte Menge zurückgegangen ist. Netto hat Putin seine Erlöse im Januar - April 2022 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um etwa 50% gesteigert, obwohl er sein Erdöl aktuell gegenüber dem Weltmarktpreis Brent mit einem Abschlag von $20 – 30 pro bbl verkauft.

Dies ist allgemein bekannt, so z. B. durch Wirtschaftsinformationsdienste wie Bloomberg, aber auch durch die Internationale Energieagentur IEA.
Es ist nicht vorstellbar, dass die EU Kommission oder die EU Ratspräsidentschaft das nicht wissen.
Deswegen überrascht es, wenn die Kommission und der EU Rat jetzt davon ausgehen, dass die erneuten, verschärften Sanktionen gegen Russland in der Sache mehr bewirken.

Denn die EU müsste sich eigentlich über das grundlegende Wirtschafts Einmaleins im Klaren sein: Wenn ich ein Produkt (in diesem Fall russisches Erdöl) durch politische Maßnahmen künstlich dadurch verknappe, dass ich einen großen Produzenten vom Markt ausschließe (Russland), muss die am Markt (in Europa) fehlende Menge anderweitig beschafft werden - zu erheblich höheren Preisen.

Und die Preise sind seit Jahresanfang deutlich gestiegen, nicht nur die von Erdöl, sondern auch der Produkte Diesel und Benzin, dies insbesondere seit Ende April.

Sowohl Diesel als auch Benzin sind seither deutlich stärker im Preis gestiegen, als Erdöl: In den USA sind Diesel und Benzin an den Rohstoffmärkten um etwa 1$ pro Gallone gestiegen, wogegen WTI Rohöl etwa 20$ pro bbl gestiegen ist, auf die Gallone umgerechnet (ein bbl (Fass) sind 42 Gallonen) nur etwa 50 Cents. Die Raffineriemarge hat sich also deutlich erhöht.

(Am Freitag, den 17. Juni 2022 sind die Preise für Öl und Ölprodukte allerdings heftig gecrashed: Öl ist um fast 10$ gefallen, Benzin und Heizöl um ca. 20 Cents pro Gallone. Schaun mir mal, wie´s weitergeht)

In Europa kommt hinzu, dass Russland nicht nur Lieferant von Rohöl ist, sondern auch von Erdölprodukten, insbesondere Diesel.
Wenn diese Mengen jetzt am Markt fehlen, ist es kein Wunder, dass der Dieselpreis besonders stark steigt.

Das heißt also, der Ausschluss von russischem Öl und Ölprodukten aus den europäischen Märkten wird absehbar zu drastischen Preisanstiegen für Öl und Ölprodukte führen. Das ist gut für Putin, weil er sein Öl – wenn auch nicht in voller Menge – anderweitig und zu höheren Preisen als vor einem Jahr verkaufen kann.
Die geringere Menge wird durch höhere Preise als im Vorjahr mehr als ausgeglichen. Auf jeden Fall wird weiterhin Geld in seine Kriegskasse fließen. Die EU wird ihr Ziel, Putin zu schaden und dadurch der Ukraine zu helfen, absehbar so nicht erreichen.

Wieso ist das Ölembargo gegen Putin schlecht für die EU und Deutschland?

Wir – in der EU und in Deutschland – haben schon jetzt drastische Preisanstiege für Öl und Gas (und auch für Kraftwerks- und metallurgische Kohle) zu verkraften. Diese Preisanstiege haben schon vor Putins Einmarsch in die Ukraine eingesetzt. Bereits Ende 2021 waren Öl, Ölprodukte und Erdgas erheblich teurer als ein Jahr zuvor.

Dieser Preisanstieg hat sich seit Jahresbeginn 2022 fortgesetzt und sich nach dem Einmarsch Putins in die Ukraine weiter verschärft.

Wie oben bereits ausgeführt, sind seit Ende April besonders die Benzin und Dieselpreise an den internationalen Rohstoffmärkten deutlich stärker gestiegen, als der reine Rohölpreis.

Wenn mehr Produkt – egal ob Rohöl, Benzin oder Diesel – durch Sanktionen gegen Russland aus dem europäischen Markt genommen wird, werden die Preise absehbar weiter steigen.
Offen ist lediglich, um wie viel sie steigen werden.

Viel wird davon abhängen, ob andere Produzenten willens oder in der Lage sind, die durch das Russland Embargo fehlende Menge zu ersetzen.

Problematisch sind dabei nicht nur die Beschaffung der Rohölmengen, sondern die fehlenden Raffineriekapazitäten, die nach Auffassung einiger Marktanalysten das eigentliche Problem darstellen.

In den USA beispielsweise wurde seit den 1970er Jahren keine neue Raffinerie in Betrieb genommen. Der Neubau einer Raffinerie würde mehrere Jahre dauern und würde nur in Erwartung einer mindestens 10jährigen Betriebsdauer erfolgen, um das eingesetzte Kapital zu amortisieren.

Da aus klimapolitischen Gründen jedoch erheblicher Druck auf die fossile Energiewirtschaft ausgeübt wird, ihre Produktion zurückzufahren und nicht mehr in neue fossile Energiestrukturen zu investieren, ist die Bereitschaft der Energiewirtschaft, in neue Projekte zu investieren, nicht besonders groß. Das bedeutet, auch die Klimapolitik trägt dazu bei, dass Ölprodukte knapper und somit teurer werden, ein Effekt, der unter dem Namen “Greenflation” bekannt ist.

Die Europäische Kommission und der Europäische Rat haben uns mit dem Russischen Ölboykott ein “Riesengeschenk” gemacht, für das wir, die Bürger und die Wirtschaft Europas, einen extrem hohen Preis bezahlen werden, ohne der Ukraine dadurch zu helfen. Die Preissprünge der letzten Monate waren erst der Anfang.

Ernsthaft zu behaupten, wir würden der Ukraine dadurch helfen, dass wir die Thermostaten unserer Zentralheizungen ein paar Grad herunter drehen, oder seltener duschen, ist absurd. Wir helfen uns selbst dadurch, indem wir unser Portemonnaie schonen, aber nicht der Ukraine.

Die EU Öl - Boykott Entscheidung wird uns, den Bürgern und auch der Wirtschaft, immensen Schaden zufügen, dessen Ausmaße überhaupt nicht absehbar sind.

Uns – aber nicht Putin. Man hat das Gefühl von Wirtschaftsilliteraten regiert zu werden, denen noch nicht einmal elementare markt- und energiewirtschaftliche Zusammenhänge klar sind.

Der nächste Winter und die nächste Heizkostenabrechnung werden für die Bürger sehr bitter – der EU sei Dank.
Dabei sind die Auswirkungen einer Erdgasverknappung, um die es in diesem Beitrag nicht geht, noch gar nicht berücksichtigt.

Wieso ist das EU – Ölembargo irrelevant für die Ukraine?

Wenn es gut ist für Putin, aber schlecht für die Bürger und die Wirtschaft der EU, ist es wenigstens gut für die Ukraine?

Natürlich nicht.
Die grundlegende Prämisse, die hinter den EU Sanktionen steht, nämlich Putin dadurch zu schaden und ihn davon abzubringen, weiter Krieg gegen die Ukraine zu führen, ist eine Schimäre, obwohl es aus Sicht Vieler moralisch geboten zu sein scheint.
Nur es wird de facto nichts bewirken und ist deswegen auch nicht gut für die Ukraine, abgesehen von dem psychologischen Effekt, dass die EU “etwas für die Ukraine getan hat” – obwohl sie in Realitas damit nichts für die Ukraine getan hat.

Nichts wird Putin davon abbringen, weiter Krieg gegen die Ukraine zu führen – und schon gar nicht ein EU – Ölembargo, das ihm ohnehin nicht oder allenfalls nur sehr wenig schadet. Er wird den Krieg solange weiterführen, bis er seine Kriegsziele erreicht hat, welche das auch immer sein mögen.

Die einzige Möglichkeit der Ukraine zu helfen ist, ihr Waffen zu liefern, mit denen sie Putins Vormarsch in der Ukraine militärisch aufhalten kann oder Putin einen so hohen militärischen Preis abverlangt, dass er von der Erreichung seiner Kriegsziele absieht oder sie für das russische Volk glaubhaft umdefiniert um sein Gesicht zu wahren.

Dieser Krieg wird militärisch entschieden und nicht durch schärfere oder weniger scharfe Sanktionen.

Putin kann es sich nicht leisten, diesen Krieg zu verlieren; er muss glaubhaft seine Kriegsziele erreichen, sonst ist er im Kreml “weg vom Fenster”.

Das gleiche gilt für Selensky. Wenn er auch nur einen Quadratmeter ukrainischen Bodens preisgibt, ist er weg vom Fenster, denn in der ukrainischen Öffentlichkeit besteht der eiserne Wille, die russischen Invasoren zurück zu schlagen, die die Ukrainer russifizieren wollen oder sogar nur als Untermenschen sehen, die “Bastarde und Abschaum“ seien, der verschwinden müsse. Ein Präsident, der nicht dagegen angeht, hat in der Ukraine keine Chance.

Wie das letztendlich ausgehen wird, weiß keiner.

Klar ist nur eines: Die neuen verschärften Sanktionen fügen uns, den Bürgern und der Wirtschaft in der EU und Deutschland erheblich größeren Schaden zu, als Putin, der davon schlußendlich sogar noch profitieren könnte – wegen steigender Preise für Öl und Gas.

Für die Lage in der Ukraine sind die verschärften EU Sanktionen irrelevant. Der Konflikt mit Russland wird militärisch entschieden – und dabei helfen der Ukraine nur Waffenlieferungen, mit denen sie die russische Invasion aufhalten kann.