Herbststürme



2. November 2013


Am 28. Oktober 2013 zog ein schwerer Herbststurm über Nordwestdeutschland hinweg und verursachte teils schwere Schäden. Mehrere Menschen starben, der Bahnverkehr war im Raum Hamburg – Kiel über mehrere Tage hinweg stark eingeschränkt. Stimmen wurden laut, dass es einen so starken Sturm noch nie gegeben hätte, zumindest nicht im Herbst.

Obwohl man fast darauf gewartet hat, jemand würde behaupten, der Sturm sei eine Auswirkung der globalen Erwärmung und künftig würde es viel mehr Stürme geben, hielten sich „die üblichen Verdächtigen“ mit derartigen Statements doch vornehm zurück.

Zu Recht, wie die nachfolgenden Betrachtungen zeigen.

Zum einen hat der jüngst der Öffentlichkeit vorgestellte 5. IPCC Bericht gegenüber dem vorangegangenem 4. Bericht aus dem Jahre 2007 in Punkto Stürme einen Rückzieher gemacht, dies auch eine Folge des 2012 veröffentlichten IPCC Sonderberichtes SREX zu Klimaextremen.

Tenor: Stürme haben in den letzten Jahrzehnten generell nicht zugenommen und wir wissen auch nicht, ob sie künftig in einem wärmeren Klima zunehmen werden.
Am Rande dazu vielleicht noch der Hinweis, dass in diesem Jahr die Hurricane – Aktivität im Atlantik so gering war, wie seit einigen Jahrzehnten nicht mehr, was die Experten völlig verblüfft hat, da sie mit einer recht aktiven Saison gerechnet hatten.

Der schwere Herbststurm vom 28. Oktober soll nachfolgend im Lichte der Beobachtungen der vergangenen Jahrzehnte eingeordnet werden.

Die maximalen Windgeschwindigkeiten eines jeweiligen Tages sind ab Januar 1971 für eine Auswahl an deutschen Stationen auf der Webseite www.wetterzentrale.de unter „Wetterbeobachtungen“ verfügbar.

Folgende Stationen werden hier betrachtet: List/Sylt, Schleswig, Helgoland, Cuxhaven, Norderney, Hamburg, Bremen, Hannover und Düsseldorf.

Als bekanntere norddeutsche Sturmepisoden der vergangenen Jahrzehnte wurden identifiziert (Rückwärtschronologisch): 28. Oktober 2013, 18. Januar 2007, 13. Januar 1993, 24. Januar 1993, 25. Januar 1990, 26. Januar 1990, 26. Februar 1990, 24. November 1981, 3. Januar 1976, 13. November 1973, 19. November 1973 und 13. November 1972.

Diese Auflistung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, es kann durchaus Sturmepisoden gegeben haben, in denen noch höhere Spitzengeschwindigkeiten gemessen wurden, als hier aufgelistet.
Die Auflistung umfasst nur Stationen an der Nordseeküste und im norddeutschen Flachland, die am ehesten von Sturmtiefs beeinflusst werden.

Es hat in den letzten Jahrzehnten allerdings Sturmepisoden gegeben, die sich mehr im Mittelgebirgsraum und in Süddeutschland ausgewirkt haben, wie z. B. das Sturmtief „Lothar“ am 26. Dezember 1999, oder auch einige der Stürme, die in der Zeit von Januar bis März 1990 über Deutschland hinweg gezogen sind, und die den Klimaforscher Hermann Flohn seinerzeit dazu veranlassten, in der „Bild – Zeitung“ zu vermelden: „Deutschland wird Orkanland“. Daraus wurde nichts, wie wir inzwischen wissen.

Sturmepisoden in Deutschland sind im Winterhalbjahr relativ eng an positive Phasen der sog. „Nordatlantische Oszillation“ (NAO) gebunden, die in den frühen 1990er Jahren ein starkes zyklisches Maximum aufwies, aber seither, besonders nach dem Jahr 2000, stark abgenommen hat und sogar negativ wurde, weswegen es hier in den vergangenen Jahren einige relativ kalte Winter gegeben hat.

Eine positive NAO, die sowohl durch ein starkes Azorenhoch als auch durch ein starkes Islandtief charakterisiert ist geht mit einer verstärkten Westströmung zwischen diesen Druckgebilden einher und erstreckt sich häufig von der Nordamerikanischen Ostküste bis nach Russland. Sie führt vom Atlantik her feucht milde Luftmassen bis weit nach Osteuropa.

Die Betrachtung dieser Stationen zeigt, dass am 28. Oktober 2013 an keiner der neun aufgeführten Stationen ein neuer Windrekord gemessen wurde. Am ehesten an den bestehenden Rekord kam Helgoland mit 147.2 km/h heran, blieb aber marginal unter dem Wert von 147.6 km/h vom 24. November 1981.

Der schwerste Sturm der vergangenen Jahrzehnte war der vom 3. Januar 1976, der an vier von den neun Stationen zu den höchsten in den vergangenen Jahrzehnten gemessenen Spitzengeschwindigkeiten führte: in List auf Sylt, in Cuxhaven, Norderney und in Hannover, gefolgt vom 25. Januar 1990, an dem in Schleswig und in Hamburg die höchsten Werte gemessen wurden, vom 13. November 1972, als in Bremen der höchste Wert gemessen wurde und vom 18. Januar 2007, als Kyrill in Düsseldorf mit 145.1 die extremste Spitzenböe verursachte.

Der Sturm 13. November 1972 ist noch deswegen bemerkenswert, da er auch in küstenferneren Regionen, wie in Hannover, zu Werten von über 140 km/h geführt hat, was dort danach nur noch 1976 vorgekommen ist. Der Wert von 244.8 km/h auf dem Brocken wurde seither nie mehr erreicht, obwohl die Spitzengeschwindigkeiten dort bei Sturmepisoden über Norddeutschland sehr häufig bei über 200 km/h liegen.

Allerdings wurden im Mittelgebirgsraum während der Sturmserie Januar bis März 1990 und in Süddeutschland während des Sturms "Lothar" am 26. Dezemmber 1999 großflächig extreme Werte von über 130 km/h und auf den Mittelgebirgsgipfeln sogar Werte von über 170 km/h erreicht. In Düsseldorf wurden am 18. Januar 2007 145.1 km/h gemessen, ebenfalls ein extremer Wert für eine küstenferne Station.

Sortiert man die hier aufgeführten Sturmepisoden nach der Häufigkeit, mit der an den einzelnen Stationen Windgeschwindigkeiten von mehr als 120 km/h aufgetreten sind, was ein Maß für die flächenmäßige Erstreckung des Sturmfeldes ist, auf die sich die Sturmepisoden ausgewirkt haben, dann ergibt sich folgendes Bild:

An acht Stationen am 13. Januar 1993, am 25. Januar 1990 und am 26. Februar 1990.
An sieben Stationen am 3. Januar 1976.
An sechs Stationen am 26. Januar 1990.
An fünf Stationen am 28. Oktober 2013 und am 24. November 1981.
An vier Stationen am 24. Januar 1993, am 19. November 1973 und am 13. November 1972.
An zwei Stationen am 18. Januar 2007 (Kyrill).
An einer Station am 13. November 1973.

Sortiert man die hier aufgeführten Sturmepisoden zudem nach der Häufigkeit, mit der an den einzelnen Stationen Windgeschwindigkeiten von mehr als 140 km/h aufgetreten sind (Die im Wind enthaltene Energie steigt nicht linear mit der Windgeschwindigkeit an, sondern mit deren dritter Potenz !) was ein Maß für die Extremität und die flächenmäßige Erstreckung des Sturmfeldes ist, auf die sich die Sturmepisoden ausgewirkt haben, ergibt sich folgendes Bild:

An fünf Stationen am 3. Januar 1976.
An vier Stationen am 25. Januar und am 26. Februar 1990.
An drei Stationen am 26. Januar 1990 und am 13. November 1972.
An zwei Stationen am 28. Oktober 2013, am 13. Januar 1993 und am 24. November 1981.
An einer Station am 18. Januar 2007 und am 19. November 1973.

Insgesamt wird daraus wird ersichtlich, dass der Sturm vom 28. Oktober 2013 an der Nordseeküste zwar sehr stark war, aber – wenn man sowohl die Spitzengeschwindigkeiten als auch die Ausdehnung des Sturmfeldes mit berücksichtigt - mit Abstand nicht zu den stärksten der vergangenen Jahrzehnte gehörte. An keiner der hier betrachteten Station wurde zudem ein neuer Rekordwert der Spitzenwindgeschwindigkeit gemessen.

Wie geht es in der nächsten Zeit weiter?
Alle weiterführenden Vorhersagekarten errechnen ein Andauern der milden, regnerischen und windigen Witterung bis mindestens zum 10. November. Der Grundtypus der Wetterlage ist die bereits erwähnte stark positive NAO, die sowohl durch ein starkes Azorenhoch als auch durch ein starkes Islandtief charakterisiert ist. Die verstärkte Westströmung zwischen diesen Druckgebilden erstreckt sich von der Nordamerikanischen Ostküste bis nach Russland. In diese milde Westströmung könnten auch einige Sturmtiefs eingebettet sein. Eine solche Konstellation ist im Winterhalbjahr im Allgemeinen recht stabil. Sollte sie bis über das Monatsende hinweg in den Dezember hinein andauern, würde das die Weichen für einen milden und regnerischen Winter stellen.

Andrerseits hat eine derartige Wetterlage, wenn sie nur im November auftritt, keine weiteren Auswirkungen auf die Folgewitterung, da es viele Beispiele dafür gibt, dass ein milder und regnerischer November von einem kalten Winter gefolgt wurde.

Erwähnen sollte man allerdings, dass die Winter - NAO zyklisch ist und u. a. mit einer Periode von etwa 7.8 Jahren schwankt. Da wir zuletzt eine Reihe von Jahren mit niedriger oder sogar negativer NAO hatten, würde es kaum überraschen, wenn die kommenden Jahre eher wieder von einer positiven NAO (starkes Islandtief, kräftiges Azorenhoch, mild, regnerisch und windig in Deutschland) geprägt würden.

Schaun´ mir mal!