Wie realistisch ist die deutsche “Energiewende”?
Sind 100% erneuerbare Energien in Deutschland physikalisch möglich?

27. November 2019

Wir haben in der Vergangenheit auf diesen Seiten bereits häufiger die Frage diskutiert, wie realistisch die deutsche “Energiewende” ist. Schlussendliches Ziel der “Energiewende” ist nicht nur die Umstellung der jetzigen Stromerzeugung auf Erneuerbare, sondern die Umstellung des gesamten Energiebedarfs auf Erneuerbare.

Strom trägt heute nur etwa 21% zum Endenergieverbrauch bei. Vergegenwärtigt man sich die Schwierigkeiten bei der Umstellung der Stromerzeugung auf Erneuerbare, kann man sich in etwa vorstellen, wie viel größer die Probleme sein werden, den restlichen Energiebedarf Deutschlands auf Erneuerbare umzustellen.

Diese “Energiewende” soll dem Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung zufolge in wesentlichen Teilen auf einer Elektrifizierung der gesamten Wirtschaft und Gesellschaft beruhen. Dies wird zu einem deutlich höherem Strombedarf als heute führen.

Der Strom soll bis 2050 zu Hundert Prozent aus erneuerbaren Quellen erzeugt werden. Die Hauptlast dieser gegenüber heute erheblich ausgeweiteten Stromerzeugung soll auf der Basis der Onshore Windkraft erfolgen. Die Onshore Windkraft soll damit quasi zum Lastesel der deutschen Energiewende werden.

Hierzu muss die Windenergie sehr stark ausgebaut werden, was auf massiven Widerstand der betroffenen Anwohner stößt (s. z. B. hier).

Somit baut sich ein gesellschaftspolitisches Konfliktfeld zwischen den klimaideologischen und klimapolitischen Forderung einerseits und den betroffenen Bürgern, sowie dem Landschafts und Naturschutz andrerseits auf.

Für die Grünen haben die klimaideologischen Forderungen Priorität gegenüber dem Landschafts- und Naturschutz, quasi in Umkehrung früherer grüner Politik.

Obwohl auch ihnen klar sein sollte, dass durch den Ausbau der Windenergie a) kein CO2 eingespart wird und b) auch wenn CO2 eingespart würde, dadurch kein in irgendeiner Weise messbarer Beitrag zur Abwehr des Klimawandels geleistet wird.

Abgesehen von den übrigen Problemen der Erneuerbaren, wie geringe zeitliche Verfügbarkeit, hohe Kosten etc., auf die wir bereits wiederholt eingegangen sind.

Allerdings sollen diese Überlegungen nicht im Fokus dieses Beitrages stehen, sondern die Frage nach der grundsätzlichen physikalischen Möglichkeit, nicht nur die gesamte Stromerzeugung, sondern den gesamten Energiebedarf Deutschlands durch Erneuerbare, besonders durch Wind und Sonne zu decken.

Wasserkraft ist in Deutschland im Wesentlichen ausgreizt und Biomasse ist nur sehr begrenzt steigerbar, es sei denn, man wollte die Wälder abholzen, was möglicherweise auch für die Grünen zu weit gehen könnte.

In der Fachliteratur (z. B. in der Zeitschrift Energy Policy) wird seit Jahren eine intensive Diskussion darüber geführt, ob ein 100%iger Übergang zu erneuerbaren Energien physikalisch und technisch überhaupt möglich ist. Die Kosten sind noch ein anderes Kapitel, s. oben.

Die meisten dieser Studien, Analysen und Arbeiten beziehen sich auf die USA, aber auch auf Australien. Für diese beiden Länder gibt es sowohl Studien, in denen die Auffassung vertreten wird, dies sei problemlos möglich, als auch Studien, die das vehement zurückweisen, und ersteren Studien eine Reihe von unzutreffenden und unrealistischen Annahmen unterstellen – nicht nur bezogen auf die vollständige Umstellung der Primärenergieversorgung, sondern allein schon auf die Umstellung der Stromerzeugung auf Erneuerbare.

Bei der Beurteilung, ob in Deutschland ein 100%iger Übergang zu Erneuerbaren in der Stromerzeugung und im Primärenergieverbrauch möglich ist, muss man zunächst berücksichtigen, dass Deutschland im Vergleich zu den USA und Australien ein flächenmäßig kleines Land ist.
Da ein großer Nachteil der Erneuerbaren darin besteht, dass sie einen sehr hohen Flächenbedarf haben, ihre Energiedichte pro Fläche (im Vergleich zu konventionellen Kraftwerken) also sehr gering ist, bedeutet dies, dass Erneuerbare Energiequellen, in großen Flächenstaaten, wie in den USA oder Australien durchaus einen höheren Beitrag zur Energieversorgung leisten könnten, sie dazu in Deutschland aber nicht notwendigerweise in der Lage wären, weil die Fläche fehlt, oder sogar weil, im Falle der Photovoltaik, die Energieausbeute geringer ist, als die zur Herstellung einer Photovoltaikanlage benötigte Energie.

Eine Studie, die in dieser Hinsicht einen Einblick auch auf die Situation in Deutschland geben könnte, findet man hier (die aktualisierte und korrigierte Fassung der Arbeit, die wir hier bereits zitiert haben).

In dieser Arbeit werden die sog. Kapazitätsfaktoren und die Leistungsdichten in W pro m2 Flächeninanspruchnahme für mehrere Hundert Wind- und Photovoltaikanlagen in verschiedenen Regionen der USA für das Jahr 2016 ausgewertet (s. Abb. 6).

Es handelt sich also um tatsächlich existierende Anlagen und tatsächliche Stromproduktionszahlen und nicht um theoretische Abschätzungen, wie in vielen anderen Studien, auf die in dieser Arbeit auch hingewiesen wird.

Aus dieser Abb. erkennt man zunächst, dass die Kapazitätsfatoren von Windkraftanlagen in den Great Plains (von der kanadischen Grenze bis nach Texas) meist über 30, teilweise sogar bei 40 – 50% liegen. Im landesweiten Mittel liegen sie bei 37%, etwa doppelt so hoch wie in Deutschland.

Vor allem in Texas ist es sehr windig. Wer einmal entlang der Route 66 von Oklahoma City bis nach Albuquerque in Neu - Mexiko gefahren ist, eine etwa 800 km lange Strecke, weiß, dass sich die Bäume, die man entlang der Strasse sehen kann, alle stark nach Norden neigen, weil sie von dem unablässigen Südwind umgebogen werden.

Texas ist zudem sehr dünn besiedelt. Man kann teilweise stundenlang fahren, ohne an einer Ortschaft vorbei zu kommen. Und wenn man auf eine Ortschaft trifft, ist es meist nur eine kleine Stadt, und dann ist man die nächsten Stunden wieder in menschenleerer Landschaft. Es wird einem sofort klar, dass man hier keine Probleme mit Windparks hat, die zu dicht in die Wohnbebauung hinein gebaut werden sollen.

Und natürlich: Von Kapazitätsfaktoren von über 40% kann man in Deutschland nur träumen. Bei uns liegen die Kapazitätsfaktoren im Jahresmittel bei etwa 15 – 19%, wie bereits erwähnt.

Die nächsten Zahlen, die auch für Deutschland wichtig sind, sind die der Leistungsdichte in W/m2 Flächeninanspruchnahme.

Hierbei geht es nicht um die Leistungsdichte der Umwandlung der kinetischen Energie das Windes durch den Rotor der Windkraftanlage (die Umwandlung ist theoretisch durch das sog. Betzsche Gesetz auf 59% begrenzt, wobei heutzutage etwa 50% erreicht werden), sondern um die Leistungsdichte bezogen auf die horizontale Bodenfläche, die eine Windkraftanlage einnimmt. Die Flächeninanspruchnahme wurde hierbei mit sog. Voroni Poligonen (s. die Berechnungsmethode hier) modelliert.

Die jeweilige Fläche wurde je nach Typ der Windkraftanlage, Höhe, Rotordurchmesser etc. berechnet.
Anschliessend kann man für jede Anlage unter Zugrundelegung des tatsächlich erzeugten Stroms die Leistungsdichte pro m2 Flächeninanspruchnahme berechnen. Die Ergebnisse sind ebenfalls in Abb. 6 hier gezeigt.

Die Werte bewegen sich zwischen etwa 0,3 und 1,5 W/m2 elektrischer Leistung und liegen im landesweiten Mittel bei 0,9 W/m2. Diese Werte sind niedriger als die in vielen anderen Studien angenommenen.

Die möglichen Gründe hierfür werden diskutiert.

Als einer der Gründe wird die theoretische Grenze des kinetischen Energieflusses aus der freien Troposphäre zum Erdboden genannt, der im globalen Mittel bei 1 W/m2 liegt (nach Lorenz, 1955). Der Wert kann natürlich in windreichen Regionen deutlich höher liegen.
Als ein weiterer Grund wird die Annahme einer zu hohen Kapazitätsdichte der installierten Leistung genannt. Beobachtet wurden in der vorliegenden Studie ca. 2,7 MW/km2, in anderen Studien werden doppelt oder fünfmal so hohe Werte abgenommen. In den Worten der Autoren:

By assuming 2–5 times the observed capacity density but ignoring the atmospheric limits, these estimates resulted in power densities that are 2–5 times higher than observations

Interessant ist, dass die Leistungsdichte mit zunehmender Größe der Anlage und der installierten Leistung der Windturbinen abnimmt (Abb. 5 und 7 hier).

Dies dürfte den Autoren zufolge dazu führen, dass Windkraftanlagen, die in windschwache Regionen hineingebaut werden, eine geringere Leistungsdichte aufweisen und das deswegen die Leistungsdichte pro Flächeninanspruchnahme tendenziell abnehmen dürfte.

Für Deutschland und damit für uns interessant sind die Ausführungen der Autoren zur deutschen Situation.

Die Autoren gehen auf der Grundlage der BP Zahlen zum Primärenergeverbrauch und der Fläche Deutschlands davon aus. dass Deutschland 1,28 W/m2 an Energie verbraucht.

Unter der Annahme, dass auch in Deutschland ein Leistungsdichtewert für Windkraft, wie in den USA gilt, nämlich 0,90 W/m2, dann könnte man 70% des deutschen Primärenergiebedarfs durch Windenergie decken, wenn man die gesamte Landfläche Deutschlands mit Windkraftanlagen zustellt – natürlich eine absurde Modellannahme.

Aber kann man davon ausgehen, dass in Deutschland ein Leistungsdichtewert von 0,90 W/m2 realistisch ist?

Wir erinnern uns, dass der mittlere Kapazitätsfaktor für Windkraftanlagen in den USA bei etwa 37% liegt, bei uns aber nur bei etwa der Hälfte.

Unter der Annahme, dass die Kapazitätsdichte der installierten Leistung pro km2 in Deutschland vergleichbar ist mit der in den USA, nämlich ca. 2,7 MW, dann würde bei Zugrundelegung des deutschen Kapazitätsfakors von etwa 50% des US Wertes auch nur 50% der Strommenge wie in den USA erzeugt, mithin wäre die Leistungsdichte pro Flächeneinheit auch nur halb so hoch und läge bei 0,45 W/m2 statt bei 0,9.

Das hiesse, wenn man in einem Denkmodell die gesamte Fläche Deutschlands mit Windkraftanlagen zubauen würde, könnte man dadurch nur etwas mehr als ein Drittel des deutschen Primärnenergiebedarfs decken. In der Realität beträgt die für Windkraft geeignete Fläche nur einen Bruchteil der Gesamtfläche Deutschlands, weswegen die gesamte Energieerzeugung auch nur einen Bruchteil von diesem Drittel betragen würde.

Bezogen auf die Photovoltaik würden die Ergebnisse auf Deutschland übertragen bedeuten (unter Zugrundelegung des amerikanischen Mittelwertes für Solarstromerzeugung von 5,7 W/m2), dass 22% der Fläche Deutschlands reichen, um rein rechnerisch den Primärenergiebedarf zu decken.

Allerdings ist der Kapazitätsfaktor von Solaranlagen in den USA mehr als doppelt so hoch, wie in Deutschland und da aufgrund der größeren Nähe zum Äquator auch der Sonnenstand in den USA wesentlich höher ist, vor allem in den Wintermonaten, ist auch die Einstrahlungsintensität höher als in Deutschland. In den Wintermonaten leistet die Photovoltaik bei uns nur einen sehr geringen, vernachlässigbaren Beitrag zur Stromerzeugung. Nachts natürlich überhaupt keinen.

Die benötigte Fläche würde sich mindestens auf 44% verdoppeln.

Diese Zahlen, sowohl für Wind als auch für Sonne, sind natürlich rein rechnerische Mittelwerte, die die Frage nach Speicherungsfähigeit, bedarfsgerechter Erzeugung, Netzstabilität etc. völlig aussen vor lassen.

Das möglicherweise grundsätzliche, größere Problen der Photovoltaik in Deutschland wird hier eingehend analysiert und beschrieben.

Es besteht darin, dass die Sonneneinstrahlung in Deutschland – und generell im Europa nördlich der Alpen – relativ gering ist, was dazu führen könnte, dass die gesamte Energieerzeugung aus Photovoltaikanlagen im Laufe ihres Lebenszylus geringer ist, als die zur Herstellung und Installation der Solaranlage benötigte Energie. Diese Anlagen würden dann eine Energiesenke darstellen, aber keinen Beitrag zur Energieerzeugung leisten. Sie wären also wertlos für den Übergang auf eine erneuerbare Energieerzeugung im Rahmen der deutschen “Energiewende”.

Die Studie ist sehr detailliert und in vielen Einzelaspekten nachvollziehbar, was nicht unbedingt heißt, dass ihre Schlussfolgerungen zutreffen müssen.

Denn: Jede Studie steht und fällt mit ihren Annahmen. Oft reichen ein oder zwei fehlerhafte Annahmen aus, um die grundsätzliche Schlussfolgerung einer Studie infrage zu stellen.

Andere Studien zeigen, dass Photovoltaikanlagen einen positiven Beitrag zur Energieversorgung leisten können – allerdings vorwiegend in sonnenscheinreicheren Gegenden.

Auf jeden Fall verdienen es die Bedenken, die in dieser Studie vorgebracht wurden, genauer analysiert zu werden, denn auch bei Berücksichtigung einer relativ hohen Fehlerbandbreite bleiben die grundsätzlichen Schlussfolgerungen bestehen.

Völlig unberücksichtigt bleibt natürlich die unstete, kaum vorhersagbare Erzeugung durch Wind und Sonne, mangelnde Speicherfähigkeit von Strom, und die Notwendigkeit von Back – up Erzeugung, um die Netzstabilität zu gewährleisten.
Und zwar in voller Leistung, um den Strombedarf auch in den Zeiten zu decken, in denen weder Sonne noch Wind einen Beitrag zur Stromerzeugung leisten können, wie in den sog. Dunkelflauten.

Berücksichtigt man jetzt den Kampf um die Fläche für Windkraft, wird klar, dass es in Deutschland niemals auch nur annähernd genügend Fläche, Wind und Sonne geben wird, um den gesamten Primärenergiebedarf Deutschlands zu decken.

Der Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung und mehr noch die Behauptung der Grünen Bewegung, man könne bereits in wenigen Jahren die gesamte Energieversorgung Deutschlands auf Erneuerbare umstellen, ist eine reine Illusion, die nicht nur an der mangelnden Wirtschaftlichkeit (extrem hohe Kosten) scheitern wird, sondern schlussendlich an den physikalischen Grenzen.

Man kann dem Wind nicht per Parteitagsbeschluss befehlen, mehr zu wehen, ebenso wenig wie der Sonne, mehr zu scheinen.
Auch die Fläche Deutschlands ist begrenzt.

Diese Erkenntnis wird sich irgendwann mal durchsetzen.

Fragt sich nur, wann.

Wieviel Hunderte von Milliarden EUR müssen noch in dem schwarzen Loch Energiewende versenkt werden, bevor man den wirtschaftlichen Irrsinn und die physikalische Unmöglichkeit dieser Energiewende begreift?