Liebesgrüße aus Moskau: Ein kalter Spätwinter nach einem sehr milden Hochwinter22. Februar 2018Das milde Wetter vom Dezember und Januar ist schon lange passe und der Februar hat sich bislang eher von seiner kühleren Seite gezeigt.Das ist allerdings noch nichts im Vergleich zu dem, was uns ab dem nächsten Wochenende bevorsteht: Nach langer Zeit baut sich wieder einmal eine klassische kalte Winterwetterlage auf. Diese Wetterlagen sind durch ein kräftiges Hochdruckgebiet über Skandinavien gekennzeichnet, an dessen Südseite von Nordrussland und Siberien her kontinentale Polar und Arktikluft zunächst ins östliche Mitteleuropa und anschliessend bis nach Westeuropa geführt wird. Diese Entwicklung wird von den mit Computer errechneten Wettervorhersagen bereits seit voriger Woche gezeigt, allerdings zwischen den einzelnen Modellen und von Vorhersagezeitraum zu Vorhersagezeitraum zunächst nicht sehr konsistent. Seit einigen Tagen scheint allerdings ein weitestgehender Konsens zwischen den Vorhersagemodellen zu bestehen; Unterschiede gibt es allenfalls in den Details und vor allem darüber, wie lange diese Kälteperiode andauern soll. Gegenwärtig geht man wohl davon aus, dass die Kälteperiode bis in die erste Märzwoche hinein andauern soll; aber wie lange genau, ist gegenwärtig eher ungewiss. Die spätwinterliche Kältewelle scheint im Zusammenhang mit einer grundsätzlichen Zirkulationsumstellung in der nördlichen Hemisphäre zu stehen: Vor einigen Tagen hat sich die Stratosphäre im Polarbereich (in Höhen über 20 km) drastisch erwärmt, ein sog. Sudden Stratospheric Warming (SSW) Ereignis, auch unter dem Namen „Berliner Phänomen“ bekannt (heißt so, weil es erstmals im Jahre 1952 in Berlin von dem Meteorologen Richard Scherhag entdeckt wurde), wodurch der ansonsten sehr kalte Polarwirbel in zwei Teile zerbrochen ist, die sich nach Süden verlagert haben und durch ein kräftiges Hochdruckgebiet getrennt werden. Der eine Teil des Polarwirbels hat sich nach Osteuropa verlagert, der andere nach Westkanada und in den Nordwesten der USA. Das Hochdruckgebiet dazwischen liegt mit seinem Zentrum etwa über Grönland. Diese Zirkulation hat sich jetzt bis in die Troposphäre durchgesetzt, das heißt in die Regionen unterhalb von 10 km Höhe, dort, wo unser Wetter gemacht wird. Das führt dazu, dass sich ein kräftiges Hoch von Grönland bis nach Skandinavien aufbaut und die Luftzirkulation in Mitteleuropa auf Nordost dreht und aus Nordrussland sehr kalte kontinentale Luftmassen heranführt („Liebesgrüße aus Moskau“). Nicht nur über Europa hat sich die Wetterlage damit grundsätzlich geändert, sondern auch über Nordamerika. Die stabile Hochdrucklage über dem Westen der USA ist einem ortsfesten Tief gewichen, das dort statt Wärme und Trockenheit sehr kühle und niederschlagsreiche Witterung bringt. Im Gegenzug hat sich auf der Vorderseite dieses Tiefs über dem Osten und Südosten der USA eine Südwestströmung eingestellt, die dort ungewöhnlich milde Witterung verursacht. Zwischen diesen beiden Drucksystemen kommt es zu sehr starken Regenfällen. In Deutschland sollen ab dem Wochenende dann die Tiefsttemperaturen von Osten her auf Werte unter -10° sinken und auch tagsüber unter dem Gefrierpunkt bleiben. Der Höhepunkt der Kältewelle soll etwa Mitte nächster Woche, am 28. Februar, eintreten. Das ganze ist dann teilweise auch noch mit einem frischen bis mäßigen Ostwind garniert, der durch Mark und Knochen gehen wird. Das Kälteempfinden wird durch diese Windabkühlung deutlich größer und unangenehmer sein, als wenn kein Wind wehen würde. Was hat diese kalte Witterung mit dem Treibhauseffekt und dem Klimawandel zu tun? Zunächst einmal gar nichts. Eine Kältewelle ist kein Argument gegen die Klimawandeltheorie, genausowenig wie eine Hitzewelle ein Argument dafür ist. Was zählt, sind allein die langfristigen Trends von Temperatur und anderen Klimaparametern. Die Wintertemperaturtrends in Deutschland haben sich in den letzten 20 Jahren abgeschwächt; es gibt keine Hinweise auf eine beschleunigte Erwärmung. Einige Klimaforscher glauben nun, dass Kältewellen in den mitlleren Breiten häufiger werden könnten, weil sich der Luftdruckgradient zwischen den mittleren Breiten und den Polen abschwächt, weil sich die Pole stärker erwärmen sollen, als die mittleren Breiten (manchmal auch als Arctic Amplification bezeichnet). Die sog. Arktische Oszillation (AO, ein Maß für die Stärke der westlichen Luftströmung in den mittleren Breiten, könnte deswegen schwächer werden und es könnte häufiger zu solchen Wetterlagen wie jetzt kommen. Allerdings gibt es weder auf der Grundlage von Beobachtungen noch von Modellrechnungen belastbare Hinweise darauf, dass dies wirklich so ist. Richtig ist jedoch, dass bei starker westlicher Strömung die Winter in Deutschland generell mild sind und wenn sich diese Strömung abschwächt, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit von kalten nördlichen oder nordöstlichen Luftströmungen Die letzte vergleichbare winterliche oder spätwinterliche Kältewelle bei ähnlichen Zirkulationsanomalien wie jetzt hat es im Februar 2012 und im März 2013 gegeben. 2013 hielt diese Kältewelle sogar knapp vier Wochen bis Anfang April an, sodass in einigen Gegenden Südostniedersachsens sogar die Teiche bis zum 8. April zugefroren waren. In den vorangegangenen Jahrzehnten ist ein derartiger Wetterlagentypus mit vergleichbaren Witterungsanomalien in Deutschland wesentlich öfter aufgetreten, so z. B. im November 1993, März 1987, Januar 1987, Februar 1986, Januar 1985; besonders aber in den 1960er Jahren, wie z. B. Februar/März 1969 oder Februar/März 1962. Kältewellen Ende Februar/Anfang März sogar nach davor mildem Winterwetter sind keineswegs ungewöhnlich, wie z. B. im eben erwähnten Februar/März 1962, aber auch im Februar/März 1971. Auch wenn sich viele durch die bevorstehenden Temperaturen von unter -10°C geschockt fühlen, zu einer Zeit, wo man eigentlich schon sehnsüchtig auf den Frühling wartet, ist es vielleicht nicht verkehrt, diese Kälteperiode in eine angemessene historische Perspektive zu rücken. Nachfolgend sind in die Tiefsttemperaturen Ende Februar/Anfang März 1986 und 1987 für das mittlere Norddeutschland am Beispiel Braunschweig gezeigt. Februar/März 1986 Februar: 20. - 9,5; 21. - 12,8; 22 - 14,9; 23. - 20,6; 24. - 18,8; 25. - 12,5; 26. - 18,6; 27. - 20,3; 28. - 17,7; März: 1. - 7,8; 2. - 8,4; 3. - 14,4; 4. - 11,7; März 1987: 1. - 3,4; 2. - 7,5; 3. - 11,9; 4. - 14,4; 5. - 14,5; 6. - 11,2; 7. - 14,1; 8. - 8,5; 9. - 5,4; 10. - 9,1; Hieran erkennt man, wie kalt es Ende Februar und Anfang März wirklich werden kann, und dass daran gemessen die gegenwärtige Kältewelle eher Kinderkram ist Nachtrag 6. März 2018 Die Kältewelle ist sehr rasch zu Ende gegangen. Eine Wiederholung vom März 2013, als die Kältewelle vier Wochen lang bis in den April andauerte, wird es nicht geben. Im Gegenteil: In den nächsten 8 - 10 Tagen (oder noch länger) wird sich den numerischen Wettervorhersagen zufolge über dem Ostatlantik und Westeuropa (wie so oft in den letzten Jahren) die "Standard" Frühjahrs- und Sommerwetterlage einstellen. Nämlich ein kräftiges Tief über dem Ostatlantik (auf diesen Seiten oftmals als TR20W Wetterlage bezeichnet; Erläuterung s. hier), auf dessen Vorderseite aus Südwest sehr milde (und auch feuchte) Luft herantransportiert wird, in der die Temperauren weit über den Normalwerten liegen werden. Statt Spätwinter kommt der Frühling satt. Wir wagen deswegen an dieser Stelle die Vorhersage, dass der März 2018 gegenüber dem Mittel 1961 - 1990 deutschlandweit um mindestens 2,0°C zu warm werden wird. |
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