Energie- und Klimaprogramm der Grünen: Ist diese Partei wählbar?

27. Juni 2017

Am 17. Juni 2017 haben die Grünen ihr Energie- und Klimaprogramm für die bevorstehende Bundestagswahl beschlossen.

Nachdem die Anti – Atom Partei ihr Ziel des Atomausstiegs erreicht hatte (bereits im Jahr 2000 mit dem Ausstiegsbeschluss der Schröder/Trittin Regierung), befindet sie sich auf der Sinnsuche im Jetzt.
Ihr neuer Lebensinhalt ist der Kampf gegen die Klimakatastrophe und ihr besonderer Fokus liegt auf der Kohle. Der Kampf gegen die Kohlekraftwerke hat den Kampf gegen die Atomkraftwerke abgelöst.

In den letzten Jahren gerieten die Grünen immer mehr unter Druck, weil das Programm der Grünen de facto eins zu eins von den großen Volksparteien CDU und SPD übernommen und inkorporiert wurde (s. z. B. der Klimaschutzplan 2050).

Warum soll man dann noch die Grünen wählen, wenn ihre umweltpolitischen Forderungen von den großen Parteien nicht nur übernommen, sondern auch schon teilweise umgesetzt wurden?

Um ihr Profil zu wahren, müssen sie notgedrungen noch eins draufsetzen. Das haben sie mit ihrem Klima- und Energieprogramm vom Juni 2017 versucht.

Vergleicht man diese Forderungen mit den Forderungen in BMU Barbara Hendricks (SPD) Klimaschutzplan 2050, so fällt es schwer, grundlegende und fundamentale Unterschiede zu erkennen. Der Klimaschutzplan 2050 ist in seinem Extremismus halt kaum zu überbieten.

Konkret stellen die Grünen folgende zentrale Forderungen auf:

- Wir steigen so aus der klimafeindlichen Kohle aus, dass wir die Klimaschutzziele und unser Ziel 100% Erneuerbare Energie im Strombereich bis 2030 einhalten. Die 20 schmutzigsten Kohlekraftwerke schalten wir sofort ab, damit Deutschland das Klimaschutzziel 2020 noch erreichen kann.

- Wir führen einen nationalen Mindestpreis für Klimaverschmutzung ein.

- Wir wollen ab 2030 nur noch abgasfreie Autos neu zulassen und schaffen dafür entsprechend die steuerlichen, fiskalischen und infrastrukturellen Voraussetzungen für die emissionsfreie Mobilität der Zukunft.

Zu diesen Punkten folgende Anmerkungen:

Zu 1: Die Grünen haben offenbar immer noch nicht begriffen,
dass grosse Industrieanlagen, so auch Kohlekraftwerke, dem Europäischen Emissionshandelssystem EU – ETS unterliegen. Im Rahmen dieses Systems werden die CO2 Emissionen europaweit kontinuierlich reduziert. Die Emissionen werden durch die Zuteilung von Emissionsrechten überwacht.
Wenn die Grünen mit sofortiger Wirkung die 20 "schmutzigsten“ Kohlekraftwerke stillegen wollen, würden diese keine Emissionsrechte mehr benötigen und die freigewordenen Zertifikate könnten anderswo in Europa für CO2 Emissionen genutzt werden. Im europäischen Gesamtkontext würden keine CO2 Emissionen reduziert, auch wenn in Deutschland dann CO2 Emissionen eingespart würden.

Gleiches gilt für den geforderten Totalausstieg aus der Kohle bis 2030.

Man kann gegenwärtig davon ausgehen, dass das EU – ETS in der Zeit nach 2022 weitergeführt wird und das dann auch die Emissionen der deutschen Kohlekraftwerke diesem System unterliegen.
Wie die Forderung nach Sofortabschaltung der 20 „schmutzigsten“ Kohlekraftwerke ist auch diese Forderung sinnentleert, da sie nicht realisiert, dass die Emissionen in einem europaweiten Gesamtkontext ohnehin reduziert werden und dass darüberhinausgehende Minderungen Emissionsrechte freisetzen, die anderweitig in Europa für Emissionen genutz werden können.
Eine CO2 Minderung im europäischen Gesamtkontext findet durch einen deutschen Totalausstieg aus der Kohle nicht statt.

Zudem stellt die Forderung auf 100% Erneuerbare Stromerzeugung bis 2030 einen ungedeckten Scheck auf die Zukunft dar:

Im Jahre 2022 werden die letzten Atomkraftwerke abgeschaltet. Atomkraft stellt überwiegend Strom in der Grundlast bereit (Strom, der immer und zu jeder Zeit da ist), den erneuerbare Anlagen nicht liefern können. Diese Anlagen verfügen nur über Kapazitätsfaktoren von 15 – 19% (Windkraftanlagen) oder sogar nur etwa 10% (Photovoltaikanlagen).
D. h. in der weitaus überwiegenden Zeit des Jahres tragen sie sehr wenig oder gar nichts zur Deckung des Strombedarfs bei.
Wie soll nach dem Abschalten der Atomkraftwerke der Strombedarf in Deutschland gedeckt werden, wenn der Wind nicht weht und die Sonnen nicht scheint?
Die Forderung der Grünen ist absurd und zeugt entweder von einer erschreckenden Naivität oder einem unfasslichen Realitätsverlust.

Studien und Gutachten grüner Institute, wie von Agora Energiewende, die das Gegenteil beweisen sollen, sollte man mit großer Vorsicht geniessen; es handelt sich meist um politisch eingefärbte grüne Auftragsstudien, mit denen nachgewiesen werden soll, dass eine 100%ige Umstellung auf Erneuerbare technisch möglich und kostengünstig ist, die aber einer genauen Überprüfung meist nicht standhalten, wie sich erst kürzlich erst wieder herausgestellt hat.
Vor allem die letzten 20 – 30% einer Total - Dekarbonisierung sind extrem teuer.

Im Bereich des Ausbaus der Photovoltaik in sonnenscheinarmen Ländern wie Deutschland kommt erschwerend hinzu, dass der Energieerntefaktor, dass heißt der Energieertrag über die Lebensdauer der Anlage im Verhältnis zum Energieeinsatz zur Herstellung der Photovoltaikanlage, so ungünstig ist, dass sich der Bau von derartigen Anlagen bei uns energetisch nicht lohnt und deswegen auch keinen Beitrag zum „Klimaschutz“ leisten kann.

Zu 2: Die Forderung nach einem „nationalen Mindestpreis für Klimaverschmutzung“ ist wohl so zu interpretieren, dass die Zuteilung der CO2 Emissionszertifikate im Rahmen des Europäischen Emissionshandelssystems, die für die Energiewirtschaft nach einem Auktionsverfahren erfolgt, wobei der Auktionsertrag dem jeweiligen Mitgliedsstaat zusteht, national zu höheren Preisen als nach der freien Marktlage erfolgen soll.

Dies leistete aber keinen Beitrag zum „Klimaschutz“, denn die Menge der versteigerten Zertifikate (und dadurch die CO2 Emissionen) werden nicht dadurch verringert, dass der Ausgabepreis für die Zertifikate erhöht wird. Der Emissionshandel ist ein Mengensteuerungssystem, bei dem der Zertifikatepreis die abhängige Variable ist.

Ein nationaler Mindestpreis würde wie eine auf nationaler Ebene erhobene Steuer wirken, die auf den Strompreis aufgeschlagen und von den Stromverbrauchern bezahlt werden würde – zusätzlich zur EEG Umlage und den übrigen Kosten der „Energiewende“. Zusätzliche CO2 Minderungen und zusätzlicher „Klimaschutz“ stellen sich dadurch nicht ein.

Auch wenn man argumentieren würde, ein höherer Zertifikatepreis in Deutschland würde zu einer sinkenden Nachfrage nach Zertifikaten in Deutschland führen, dann würden dadurch gesamteuropäisch wieder Zertifikate frei, der Zertifikatepreis im Rest Europas würde sinken, an der gesamten im Voraus (ex – ante) festgelegten Zertifikatemenge und an den europäischen Gesamtemissionen würde sich wiederum nichts ändern.

Die Grünen haben offensichtlich immer noch nicht den europäischen Kontext der Klimapolitik begriffen.

Zu 3: Die Forderung, ab einem bestimmten Stichtag, in diesem Fall ab 2030, keine KFz mit Verbrennungsmotor, sondern nur noch mit Elektroantrieb zulassen, haben wir hier auf diesen Seiten schon mehrfach kommentiert.

Besonders sehenswert ist in diesem Zusammenhang der Mitschnitt eines Kommentars des grünen Ministerpräsidenten von Baden – Württemberg , Winfried Kretschmann, dem dieser Unfug doch entschieden zu weit geht

. An sich bräuchte man da nichts weiter mehr zu sagen; aber der Elektro – Hype und die Vorstellung, man würde dadurch das Weltklima retten, ist soweit verbreitet und wird von der öko – sozialistischen Kampfpresse unverdrossen und euphorisch weiter verbreitet (wie einstmals beim Biosprit, der Windkraft, der Photovoltaik usw. usf), dass erneut einige Anmerkungen hierzu angebracht erscheinen.

Bei der Klimaauswirkung der Elektromobilität müssen zunächst einmal nicht nur die CO2 Emissionen durch den Betrieb des Fahrzeugs betrachtet werden, sondern die gesamten Emissionen im Lebenszyklus des Fahrzeuges von der Herstellung bis zur Verschrottung.

Hier zeigt sich, dass zur Herstellung eines Elektrofahrzeugs, insbesondere zu Herstellung des Batteriepacks, erheblich mehr Energie benötigt (und CO2 emittiert wird), als bei der Herstellung eines Fahrzeuges mit herkömmlichen Antrieb.

Abschätzungen zufolge wird allein durch die Batterieherstellung für einen Tesla etwa soviel CO2 emittiert, wie durch den acht Jahre langen Betrieb eines herkömmlichen Fahrzeugs mit Otto- oder Dieselmotor.

Berücksichtigt man, dass der Batteriepack eine endliche Lebenserwartung hat (genauso wie eine Handy oder Notebook Batterie auch nur eine begrenzte Lebensdauer oder begrenzte Zahl von Ladezyklen hat), und irgendwann mal ausgewechselt werden muss, fallen die CO2 Emissionen zur Herstellung des Batteriepacks sogar zweimal an.

Ferner muss man bei der Klimaauswirkung von E – Mobilen berücksichtigen, wie der zum Aufladen benötigte Strom erzeugt wird. Wie wir bereits hier gezeigt haben, werden bei Zugrundelegung des deutschen Stromerzeugungsmixes zwar ca. 25% weniger CO2 Emissionen erzeugt, als von einem modernen Dieselfahrzeug (ca. 5 l Diesel/100 km), aber der Betrieb eines E – Mobils ist halt nicht CO2 frei.

In China, das oft als großes Vorbild für die Einführung der Elektromobilität angepriesen wird, ist die Situation noch ungünstiger, weil dort die Stromerzeugung wesentlich kohlelastiger ist als in Deutschland.
Gegenüber einem modernen Dieselfahrzeug gibt es keine CO2 Vorteile – wohl aber bei den örtlichen Luftverunreinigungen, was wohl der Hauptgrund für die forcierte Einführung der Elektromobilität in China ist.

Die Klimavorteile der Elektromobilität sind also sehr gering – sie werden in Deutschland nach dem Abschalten der Atomkraftwerke im Jahre 2022 auch nicht größer werden, da dann die Kohlekraftwerke in der Grundlast die Rolle der Kernkraftwerke übernehmen müssen und deswegen die CO2 Emissionen eher steigen, aber nicht sinken werden. Trotz des weiteren Ausbaus der Erneuerbaren.

Erst jetzt kommen wir zu den praktischen Nachteilen der Elekromobilität, die auch Winfried Kretschmann in seinem Kommentar beklagt hat:

Zu teuer, zu geringe Reichweite, zu lange Aufladezeiten, unzureichende Ladeinfrastruktur.


Kretschmanns Klage, das Aufladen würde mit 20 Minuten ja sehr lange dauern, zeigt zusätzlich noch, dass er etwas neben der Realität liegt. Realistisch waren in einem auf Spiegel Online berichteten Beispiel wohl eher Ladezeiten von 2 – 3 Stunden (halb entladene Batterie), für ca. 21 kWh Strom mit denen 109 km zurückgelegt wurden. Ähnliche Ladezeiten werden für einem Opel Ampera (Chevy Bolt) berichtet.

Deutschlands liebste Freizeitbeschäftigung künftig: Stundenlang an der Ladesäule warten, bis das Elektroauto aufgeladen ist?

Mit Teslas Level 3 Chargern soll die Ladezeit deutlich reduziert werden (auf ca. zwei Stunden in obigem Beispiel); der Nachteil ist dann wohl, dass die Batterien deutlich schneller ausgelutscht werden.

An sich ist eigentlich kein weiterer Kommentar mehr erforderlich. Dass die Elektromobilität Lichtjahre von der Praxis- und Massentauglichkeit entfernt ist, wird jedem sofort klar.

Wenn die Grünen trotzdem die Elektromobilität zwangsweise einführen wollen, schiessen sie sich dadurch, wie Kretschmann zu Recht befürchtet, ins politische Abseits.

Insgesamt zeugt das Klima- und Energieprogramm der Grünen von einem erschreckenden Realitätsverlust. Die Forderungen sind einseitig an extremen klima - ideologischen Zielvorgaben orientiert.

Diese Partei ist ihrer ideologischen Verblendung absolut unwählbar geworden.