Liebesaffäre der besonderen Art: Wirtschaftswissenschaftler und die Klimakatastrophe



9. März 2013


Spätestens seit dem sog. Stern Review, der Ende 2006 von Nicholas Stern veröffentlichten Analyse der Auswirkungen des Klimawandels auf die Weltwirtschaft (Handelsblatt vom 31. Oktober 2006), weiß man um die besondere Anziehungskraft, die die Klimakatastrophe auf Wirtschaftswissenschaftler auszuüben scheint.

In der Regel läuft das so ab, dass Wirtschaftswissenschaftler, die auf ihrem Gebiet teilweise Großartiges geleistet haben, die alarmistischsten und teilweise absurdesten Klimamodellprojektionen unkritisch, ohne zu hinterfragen, akzeptieren und zum Ausgangspunkt nicht nur ihrer Analysen, sondern der anschließend daraus abgeleiteten politischen Forderungen machen.

Aber es sind nicht nur einzelne Wirtschaftsforscher, sondern mittlerweile fast alle größeren und bekannteren Wirtschaftsforschungsinstitute und auch internationale Organisationen, die in diesen Chor mit einstimmen. Fast muss man schon sagen, es gibt einen monolithischen Meinungsblock, quasi eine Einheitsfront der Wirtschaftsforscher, die fest an die Klimakatastrophe glaubt.

Neben dem Stern Review, dessen absurde Schlussfolgerungen z. B. hier eingehend analysiert, kritisiert und als unglaubwürdig zurückgewiesen wurden, tritt in Deutschland vor allem das DIW, aber auch das HWWA und, durch seinen Vorsitzenden Hans-Werner Sinn, das Münchener IfO Institut in Erscheinung.

International ist der IEA, der Internationalen Energie Agentur, und besonders ihrem Vorsitzenden Fatih Birol, aber auch der Weltbank, dem Weltwirtschaftsforum (WEF) und dem „Club of Rome“ , kein Klimaszenario als Grundlage für immer extremere Forderungen nach einer Dekarbonisierung der Weltwirtschaft zu absurd.

Dass die Weltbank ihre Analyse ausgerechnet auf eine Studie des als alarmistisch bekannten Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung aufbaut, zeigt nur, wie eng klima-alarmistische Positionen mit den Positionen großer Wirtschaftsforschungsinstitute und –organisationen verwoben sind.

Das Klima- und Wirtschafts-Establishment marschiert im Schulterschluss.

Daran sollte man sich auch erinnern, wenn behauptet wird, die Energiewirtschaft oder die Industrie allgemein würde den Klimaschutz oder die „Energiewende“ torpedieren, und die Skeptikerbewegung sei eine von der Industrie finanzierte Konspiration .

In den USA scheint der Wortführer unter den Wirtschaftswissenschaftlern der Nobelpreisträger Paul Krugmann zu sein, der in seinen Kolumnen in der „New York Times“ immer wieder absurde Behauptungen über den Klimawandel aufstellt, verbunden mit daraus hergeleiteten politischen Forderungen. Er stellt damit unter Beweis, dass ein Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften nicht davor schützt, auf fachfremdem Gebiet, in diesem Fall der Klimatologie, Unfug zu reden.

Er ist allerdings nicht der Einzige und befindet sich z. B. mit Jeffrey Sachs in „guter Gesellschaft“.
In Deutschland kämpfen Claudia Kemfert und das DIW an vorderster Front gegen die Klimakatastrophe und für die „Energiewende“ und in Paris der bereits erwähnte Fatih Birol und die IEA.

Fast drängt sich einem der Eindruck auf, dass im akademischen Bereich die These von der Klimakatastrophe umso vehementer verfochten (oder zumindest geglaubt) wird, je weiter sich die Auguren vom eigentlichen Fachgebiet, nämlich der Klimaforschung, entfernen.

Während in den technisch-naturwissenschaftlichen Disziplinen eine gewisse Distanz und gesunde Skepis gegenüber den Katastrophenszenarien zu herrschen scheint, ist das in den geisteswissenschaftlichen Disziplinen anscheinend immer weniger der Fall.

Da glaubt man einfach alles, was bekannte alarmistische Institutionen, wie z. B. das PIK darbieten, oder setzt in vielen Fällen noch einen oben drauf, und kommt gar nicht auf den Gedanken, die alarmistischen Szenarien auch einmal zu hinterfragen, was eigentlich in der Wissenschaft üblich ist.

Eher neigt man dann dazu, diejenigen, die eine gesunde, in der Wissenschaft völlig normale Skepsis walten lassen, als „Klimaleugner“ oder von der Industrie bezahlte Lobbyisten zu verleumden.

Ohne diese Debatte hier weiter zu vertiefen, wollen wir an dieser Stelle einige der von den oben genannten Institutionen und Wissenschaftlern für bare Münze genommene Klimakatastrophen-Szenarien etwas genauer unter die Lupe nehmen und herausfinden, ob sie realistisch sind und vor allen Dingen, ob die dann daraus abgeleiteten politischen Schlussfolgerungen sinnvoll sind.

Beispielhaft betrachten wir hierzu einige der von Hans-Werner Sinn in seinem Buch „Das grüne Paradoxon“ gemachten Annahmen über die künftige Entwicklung des Klimas. Sinn´s Buch ist an dieser Stelle nicht ausgewählt worden, weil hier fragwürdigere Annahmen gemacht wurden, als in den Studien der anderen genannten Institutionen, sondern weil sie typisch und beispielhaft auch für die anderen sind. Andere Wirtschaftsforscher, aber auch die Weltbank und die IEA, sind von sehr ähnlichen Annahmen ausgegangen.

Sinn´s Buch ist im Hinblick auf die wirtschaftlichen und klimapolitischen Auswirkungen der gegenwärtigen Klimapolitik in Deutschland, besonders zu seinen Ausführungen über das Zusammenspiel zwischen dem europäischen Emissionshandel und den übrigen klimapolitischen Instrumenten sehr treffsicher und lesenswert.

Es überrascht deswegen umso mehr, dass ein intelligenter Mann wie Sinn alarmistische Positionen zum Klimawandel, die keiner genaueren Analyse standhalten, unkritisch und ungeprüft übernimmt und zur Grundlage seiner klimapolitischen Schlußfolgerungen macht.

Sinn bezieht sich in seinem Buch überwiegend auf den Stern Review und übernimmt Stern´s Positionen unkritisch und ohne sie zu hinterfragen (s. S. 47ff).

Er weist u. a. auf die besondere Schädlichkeit von CO2 wg. der hohen Lebenszeit „des heute zusätzlich emittierten CO2s“ (auch als durchschnittliche Verweildauer bezeichnet S. 27) von 30-35 Tsd Jahren (S.24 ff, Tab. S. 30) hin.

Dort ist auch ein Hinweis auf den abtauenden Permafrost und die zusätzlichen Methanemissionen (S.26) zu finden. Das führt zu einer Beschleunigung des Temperaturanstieges (S. 48 – 49).

Der CO2 Gehalt der Atmosphäre soll bis auf 900 ppm bis 2100 ansteigen und die Temperatur um 5,1 °C gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter.
Savannen und Wüsten werden dann sich ausbreiten, Taifune und Hurrikane werden zunehmen.

Der Meeresspiegelanstieg beträgt ca. 1 m gegenüber der vorindustriellen Zeit, wg. des Abschmelzens der Eis Landmasse, aber auch wg. der Volumenausdehnung des Ozeanwassers.

Die bewohnbaren Zonen der Erde verschieben sich. Es wird eine Migration von Süd nach Nord (S. 53 – 54) geben.


Die Kosten der Emissionsminderung betragen ca. 1% des Welt BSP p. a., die Schäden mindestens 5% des Welt BSP p.a., die Schäden etwa 0,5 – 1% des Welt BSP pro Temperaturanstieg von 1°C (S. 55).

Die Gefährlichkeit des CO2 wird implizit mit der des Plutoniums gleichgesetzt, weil beide eine Verweildauer (Lebenszeit) von 30000 Jahren haben (S. 297).

Diese Auflistung liest sich wie ein Auszug aus Dr. Frankenstein´s Gruselkabinett und geht sogar erheblich über die „Mainstream“ Projektionen aller bislang veröffentlichten IPCC Berichte hinaus, die an sich schon über das hinausgehen, was wissenschaftlich belastbar ist. Sie ist eine völlig einseitige Übertreibung, die in keiner Weise für sich in Anspruch nehmen kann, wissenschaftlich fundiert zu sein. Wenn man so etwas in der „Bild“ Zeitung oder leider auch in der „Zeit“ liest, kann man das noch als journalistische Entgleisung entschuldigen, aber nicht mehr bei einem Wissenschaftler, der für sich eine gewisse Seriosität in Anspruch nimmt.

Greifen wir uns einige dieser Annahmen heraus:


1. CO2 ist besonders gefährlich wegen der langen Lebensdauer von 30000 Jahren.

Sinn zitiert hierzu eine Quelle, unterlässt es aber, andere Quellen zu zitieren, die zu völlig anderen Schlussfolgerungen führen würden.

Zunächst einmal ist es völlig absurd, eine extrem giftige radioaktive Substanz wie Plutonium mit CO2 zu vergleichen. CO2 ist einer der Grundbausteine des Lebens auf der Erde, ohne CO2 in der Luft gäbe es kein pflanzliches Leben auf der Erde, überhaupt kein Leben, wie wir es kennen. Der Mensch atmet CO2 aus, die Pflanzen nehmen es auf und bauen auf dem Wege der Photosynthese Biomasse auf. Je mehr CO2 sich in der Luft befindet, desto besser wachsen die Pflanzen. Hunderte Experimente beweisen dies, nicht umsonst werden Gewächshäuser mit CO2 begast, um das Pflanzenwachstum zu stimulieren.

In der Literatur geht man generell von einer Verweilzeit des CO2s von ca. 100 Jahren aus (s. z. B. die diversen IPCC Berichte).
Diese Abschätzung ist das Ergebnis komplexer CO2-Kreislaufmodelle, mit denen man die unterschiedlichen Reaktionszeiten der verschieden Teile des Kohlenstoffkreislaufs zu berücksichtigen versucht. Diesen Modellen zufolge verbleibt ein geringer Teil (ca. 10 – 15 %) des heute emittierten CO2s in der Tat mehrere Tausend Jahre in der Atmosphäre, aber sicherlich nicht die Hälfte oder auch nur ein großer Teil.
Niemand kann jedoch diese Modelle überprüfen. Alle Versuche, sie zu überprüfen, d. h. die beobachtete atmosphärische und ozeanische Konzentration mit Modellen in Einklang zu bringen, haben eigentlich nur ergeben, dass die atmosphärische Verweilzeit irgendwo zwischen 50 und 200 Jahren liegen könnte, und dass es keine überzeugenden Argumente für eine extrem hohe oder eine extrem geringe Lebensdauer oder Verweilzeit gibt.

Man weiß zudem, dass weniger als die Hälfte der in einem Jahr emittierten CO2 Menge am Ende des Jahres in der Atmosphäre erscheint. Die sog. „air-borne fraction“, d. h. der Quotient aus gemessenem CO2 Anstieg und dem emittiertem CO2 liegt bei unter 0,5.

Hierbei muss man nicht nur die Emissionen aus der fossilen Energienutzung berücksichtigen, sondern auch die aus der Brandrodung, die mit etwa einer Mrd. t (1 Gt C) abgeschätzt werden.
Vergleicht man die gesamten CO2 Emissionen seit Beginn der industriellen Revolution mit dem heutigen atmosphärischen CO2 Gehalt, gelangt man ebenfalls zu dem Ergebnis, dass nur etwa die Hälfte des emittierten CO2 heute noch in der Atmosphäre wieder zu finden ist.

Dies alles ist allgemein bekannt; auch vor diesem Hintergrund erscheint die Auffassung Sinn´s, CO2 hätte eine Lebensdauer von 30000 Jahren, als absurd. Sinn hätte das leicht überprüfen können.

2. Auftauender Permafrost setzt Methan frei und verleiht dem Treibhauseffekt einen Turboschub

Ein Argument aus der Mottenkiste der Klimadebatte, geistert seit mehr als 20 Jahren durch die Welt. Grundsätzlich ist es richtig, dass auftauender Permafrostboden zusätzlich Methan und CO2 freisetzten kann.
Aber erstens hat man desgleichen noch nicht beobachtet, obwohl die Temperaturen auch im Sommer in den vergangenen Jahrzehnten in den Randgebieten der Arktis angestiegen sind, jedoch der Methangehalt der Atmosphäre hat zwischen Ende der 1990er und der 2000er Jahre Halt gemacht. Erst in den letzten Jahren ist er wieder etwas gestiegen, allerdings erheblich langsamer als in den Jahrzehnten vor dem Ende der 1990er Jahre.

Zweitens haben Untersuchungen gezeigt, dass die Modellannahmen, die auf eine starke Freisetzung von Methan aus Permafrostböden hindeuteten, wohl sehr wahrscheinlich fehlerhaft waren ( Delisle, 2007 ).
Auch das hätte Sinn wissen können.

3. Der CO2 Gehalt der Atmosphäre soll bis 2100 auf 900 ppm steigen und die Temperaturen um 5,1°C

Sollte der atmosphärische CO2 Gehalt bis 2100 auf 900 ppm steigen, d. h. gegenüber heute um ca. 510 ppm, müssten dafür etwa 1000 Gt Kohlenstoff verbrannt werden.
Dies ist in etwa die doppelte Menge der nachgewiesenen, sicher gewinnbaren Ressourcen.
Nur wenn man nicht nachgewiesene, geologisch vermutete Reserven mit einbezieht, kann man diesen Wert überhaupt erreichen.

Ein Anstieg auf 900 ppm bis 2100 würde einen jährlichen CO2 Anstieg von etwa 0,9% pro Jahr bedeuten, etwa doppelt so hoch wie der in den vergangenen Jahrzehnten beobachtete Anstieg, der auch bereits den steilen Anstieg der Emissionen seit dem Jahr 2000 widerspiegelt.
Lässt man den CO2 Gehalt weiter mit der beobachteten jährlichen Anstiegsrate von ca. 0,45 % pro Jahr bis 2100 ansteigen, gelangt man zu einer CO2 Konzentration von ca. 580 ppm, was relativ genau einer Verdoppelung gegenüber der vorindustriellen Zeit entspricht.

So etwas hätte Sinn auffallen müssen.

Wie man auf einen Temperaturanstieg von 5,1°C kommt (und kein Zehntel Grad mehr oder weniger!), bleibt wohl das Geheimnis der Autoren, auf die Sinn sich bezieht. Sinn hätte aber auffallen müssen, dass der IPCC selbst in seinen letzten Berichten von einer Spannbreite von ca. 1,2 - 6,0° ausgeht, abhängig von verschiedenen Emissions- und Klimamodellszenarien, von denen heute keiner weiß, welche realistisch sind.
Ein Temperaturanstieg von 5,1°C in den nächsten knapp 100 Jahren würde einem Anstieg von ca. 0,5°C pro Jahrzehnt entsprechen; gemessen wurden in den vergangenen Jahrzehnten etwa 0,15°C pro Jahrzehnt. Anders ausgedrückt: Wären 5,1°C in 2100 realistisch, hätte sich das Klima bis heute nicht nur um 0,7 sondern eher um vielleicht 1, 5 – 2,0°C erwärmen müssen. Auch hier ist eine kritische Würdigung der unterstellten Klimaszenarien unterblieben.

4. Der Meeresspiegel soll um etwa einen Meter ansteigen

Wo kommt diese Zahl her? Selbst der IPCC geht in seinem letzten Bericht nur von einem Anstieg von ca. 18 – 59 cm bis 2100 aus.
In den vergangenen Jahren hat es aber in Teilen der Wissenschaft Bestrebungen gegeben, und hieran hat Stefan Rahmstorf maßgeblich mitgewirkt, einen größeren Meeresspiegelanstieg vorherzusagen, als im letzten IPCC Bericht. Dies scheint auf fruchtbaren Boden gefallen zu sein, aber von einem Meter ist man trotz allem noch weit entfernt.
Relevanter ist hier jedenfalls, dass die Zahlen, die Sinn in seinem Buch hätte zugrunde legen können, die Zahlen des IPCC 2007 waren. Ein Meter Meeresspiegelanstieg stellt eine Dramatisierung ohne wissenschaftliche Grundlage dar, darum geht es hier.

Zudem ist eine Wertung dieser Vorhersagen im Lichte des beobachteten Meeresspiegelanstiegs ebenfalls unterblieben; denn beobachtet hat man auf Grundlage der Wasserstandspegel einen Anstieg von ca. 2 mm pro Jahr und auf Grundlage von Satellitenmessungen, die aber erst seit 1993 verfügbar sind, von ca. 3 mm pro Jahr. Eine Beschleunigung innerhalb der jeweiligen Datensätze ist nicht erkennbar. Eine Extrapolation des Wertes von 3 mm pro Jahr würde zu einem Anstieg von 30 cm in 100 Jahren führen, was etwa in die Mitte der vom IPCC 2007 genannten Bandbreite fällt.

5. Savannen und Wüsten werden sich ausbreiten, Taifune und Hurrikane werden zunehmen

Wohin sollen Savannen sich denn ausbreiten? Nach Norden, weg vom Äquator? Dann würden sie sich in die Wüsten ausdehnen, und die Wüsten würden kleiner. Nach Süden, wo die tropischen Regenzonen beginnen, eher nicht, denn die Niederschläge sollen in den Tropen generell zunehmen, weil die Konvektion zunehmen soll, wie praktisch alle Modelle annehmen.

Die Wüsten sind in den vergangenen 30 Jahren eher geschrumpft , in der Sahelzone ist es feuchter geworden.

Zu behaupten, Taifune und Hurrikane würden zunehmen, steht im Widerspruch zu den Modellerkenntnissen, die auch 2006 bekannt waren; Modellrechnungen gehen von einer Abnahme der Häufigkeit, aber eventuell einer leichten Zunahme der Stärke aus.

Gegenwärtig verzeichnen wir ein 30-Jahrestief im ACE Index, der die Gesamtstärke der Intensität tropischer Wirbelstürme (d. h. also Taifune und Hurrikane) beschreibt.
Sinn´s Behauptungen sind einseitig und ohne belastbare wissenschaftliche Grundlage.

6. Die bewohnbaren Zonen der Erde verschieben sich; es wird eine Migration von Süd nach Nord geben

Klassischer Alarmismus; Argumente aus der Mottenkiste der Klimadiskussion. Man hat zahlreiche Klimasimulationen durchgeführt, in denen man herauszufinden versucht hat, wie sich die Klimazonen der sog. Köppen´schen Klimaklassifikation verschieben. Ergebnis: Etwas, aber nicht dramatisch. Davon, dass sich die bewohnbaren Zonen so dramatisch verschieben, dass ein Flüchtlingsstrom von Süd nach Nord einsetzt, kann keine Rede sein. Das Argument ist überzogen, siehe auch hier . Menschen leben in allen Klimazonen auf dieser Erde, keine Klimazone wird sich so verschieben, dass sie unbewohnbar wird, auch wenn sich das Klima in den nächsten 100 jahren um 3°C erwärmen würde, wasaber eher unwahrscheinlich ist. Klimazonen, die heute kaum bewohnbar sind, weil sie zu kalt sind, könnten sich künftig eines angenehmeren, sprich: wärmeren Klimas erfreuen.

Auch hier sind Sinn´s Annahmen realitätsfern.

7. Die Kosten der Emissionsminderung betragen ca. 1% des Welt BSP p. a., die Schäden mindestens 5% des Welt BSP p.a., die Schäden etwa 0,5 – 1% des Welt BSP pro Temperaturanstieg von 1°C

Schließlich kommen wir hier zu einem Abschnitt, wo Sinn´s Expertise als Wirtschaftswissenschaftler gefragt wäre, aber nirgends in Erscheinung tritt.
Es geht um die Bewertung der Schäden (Kosten) durch den Klimawandel und die Kosten, die dadurch entstehen, diese Schäden durch Emissionsminderung zu vermeiden. Sinn übernimmt anscheinend unkritisch und ungeprüft die Auffassungen des Stern Reviews.

Dies überrascht sehr, denn sowohl die klimawissenschaftlichen als auch die wirtschaftswissenschaftlichen Annahmen des Stern Reviews sind in der Literatur sehr kritisch bewertet worden, und es erscheint eher unwahrscheinlich, dass ein intelligenter und belesener Wissenschaftler wie Sinn davon nichts weiß - oder, wenn er es gewußt hat, dass er es in seinem Buch nicht berücksichtigt hat (hier hier und hier).

Im Kern dieser Kritik geht es um die Annahme Stern`s, dass der Gegenwartswert der Kosten der künftigen Klimaschäden nicht – oder nur sehr gering - abdiskontiert wurde, Stern also vereinfacht ausgedrückt annahm, dass ein Schaden von 100 Euro in 100 Jahren den gleichen Wert hat, wie 100 Euro heutzutage.

Jedermann weiß aber, dass das so nicht sein kann, denn in 100 Jahren sind 100 Euro nicht mehr 100 Euro wert, sondern nur einen Teil davon, weil die Inflation einen großen Teil des Wertes aufgefressen hat.

Ferner weiß man, dass die meisten Menschen einem Wert hier und heute gegenüber einem spekulativ vermuteten Wert irgendwann in der Zukunft den Vorzug geben würden („was man hat, das hat man“), und nur bereit sind, Geld in die Zukunft zu investieren, wenn der Gegenwert des heute investierten Geldes in der Zukunft deutlich höher ist, als heute. Nur aus diesem Grunde investiert man und ist man bereit, auf das Geld heute zu verzichten, weil man durch den heutigen Verzicht auf einen Zugewinn in der Zukunft rechnen kann.

Die Frage, um die es geht, ist, wie man die Zukunft „abdiskoniert“, oder vereinfacht ausgedrückt, mit welchem Zinssatz man „die Zukunft berechnet“.

Wissenschaftler streiten darüber, welches die korrekte Höhe eines Diskontsatzes in diesem Zusammenhang wäre: Die Ansichten variieren in etwa zwischen 1 – 3 % , Stern´s Diskontsatz lag bei deutlich unter einem Prozent. Hätte Stern nur einen geringfügig höheren Diskontsatz gewählt, dann ließe sich bereits die Kernaussage seiner Studie nicht mehr aufrecht erhalten, nämlich dass relative „geringe“ Investitionen in Emissionsminderungsmaßnahmen von ca. 0,5 – 1% des BIP Klimaschäden in Höhe von 5% oder mehr des weltweiten BIP vermeiden würden.

Die Ergebnisse seiner Studie sind also hochgradig abhängig von den Eingangsprämissen. Eine „Sensitivity“ Analyse, bei der man die kritischen Parameter über einen gewissen Bereich hinweg variieren lässt, hätte das sehr schnell zutage gefördert.

Damit nicht genug: „Klimawandel ruiniert die Weltwirtschaft“ titelte das Handelsblatt am 31. Oktober 2006 und merkte dabei gar nicht, was für einer „Ente“ es da auf den Leim gegangen war.

Wieso das so ist, wird u. a. in einem Kapitel des bereits weiter oben zitierten Buchs „The Climate Coup“ genauer dargelegt.

Stern betrachtet verschiedene Wirtschafts-, Wachstums- und Emissionsszenarien, die zu verschiedenen Klimaszenarien führen. Er beschreibt Welt-BIP Szenarien, die nicht nur bis zum Jahr 2100, sondern sogar bis 2200 reichen (als ob jemand wirklich wüsste, wie die Welt in 100, geschweige denn in 200 Jahren aussieht).
Das Szenario mit dem stärksten Wirtschaftswachstum führt im Jahre 2200 zu der stärksten Klimaerwärmung, die mit den höchsten Klimaschäden einhergeht. Verglichen mit diesem Szenario sollen der Weltwirtschaft im Jahre 2200 durch die Klimaerwärmung Schäden in Höhe von ca. 20 – 25% entstehen.
Dies meinte das Handelsblatt mit: „Klimawandel ruiniert die Weltwirtschaft“.

Dazu sagen muss man allerdings, dass in diesem Szenario die Menschheit neun mal wohlhabender wäre, als heute, und dass die Schäden des Klimawandels lediglich zur Folge hätten, dass die Menschheit im Jahre 2200 dann nur noch 7,2 mal statt neun mal wohlhabender wäre als heute.
Diesen Sachverhalt mit der Schlagzeile „Klimawandel ruiniert Weltwirtschaft“ zu versehen, erfordert schon ein gehöriges Maß an Chuzpe, oder an unzureichender Analyse des Stern Reviews durch das HB. Geschwindigkeit ging da wohl vor Sorgfalt, man wollte eine zugkräftige Schlagzeile haben.

Aber es kommt noch besser. Wählt man ein alternatives Szenario des Stern Reviews, welches niedrigeres Wachstum, mehr Klimaschutz und geringere CO2 Emissionen verursacht als ersteres Szenario, dann sind im Jahre 2200 die Klimaschäden deutlich geringer, aber auch das Welt BIP. Das Welt BIP ist dann nicht mehr 7,2 mal so groß, wie im ersten Szenario nach Berücksichtigung der Klimaschäden, sondern deutlich kleiner.

Die Schlussfolgerung daraus kann eigentlich nur sein, dass „Klimaschutz“ die Menschheit im Jahre 2200 erheblich ärmer macht, als wenn man ungehindert emittiert, weil dann die Menschheit um so viel wohlhabender wäre, dass trotz der größeren Klimaschäden das Welt-BIP immer noch größer wäre, als in dem „Klimaschutzszenario“ (s. dazu auch hier ).

Also eine völlig auf den Kopf gestellte Schlussfolgerung aus dem Stern Review. Dies hätte bei sorgfältiger Analyse nicht nur das HB, sondern auch Sinn erkennen müssen.

Die Detailkritik an den wirtschaftswissenschaftlichen Annahmen Stern´s geht aber noch weiter: Die Klimaschäden, die Stern pro t emittiertem CO2 zugrunde legt, sind um ein Vielfaches höher, nämlich um mehr als drei Standardabweichungen, als praktisch alle anderen Studien, die Umwelt- und Klimaökonomen hierzu durchgeführt haben.

Stern´s Zahlen sind ein klassischer statistischer „Outlier“. Sie sind allein deswegen schon wenig glaubwürdig.

Einen großen Teil der Klimaschäden führt Stern auf zunehmende Extremereignisse zurück, insbesondere tropische Wirbelstürme, die seiner Auffassung nach in einem wärmeren Klima an Häufigkeit und Stärke zunehmen sollen, was nicht so sein muss, wie wir wissen. Dieser Punkt des Stern Reviews wurde hier genauer analysiert.

Eine größere Diskussion gab es in diesem Zusammenhang darüber, ob in einer Tabelle des Stern Reviews aus Versehen ein Schadensfaktor um eine Zehnerpotenz zu hoch angesetzt wurde.


Zusammenfassend kann man mit Fug und Recht sagen, dass der Stern Review mit Sicherheit keine belastbare Grundlage für klimapolitische Entscheidungen sein kann. Dass er es trotzdem wurde, ist dadurch zu erklären, dass Stern der Politik genau das geliefert hat, was sie hören wollte, um klimapolitische Massnahmen zu rechtfertigen .
Es kann keine Koinzidenz sein, dass Stern´s Schlussfolgerungen, die er im Oktober 2006 präsentierte, relativ genau in die klimapolitischen Forderungen und Programme der EU passten, die sie bereits vorher verkündet hat, aber unmittelbar nach der Veröffentlichung des Stern Reviews im November 2006 und im Januar 2007 konkretisierte und verschärfte.

Der Stern Review ist kein wissenschaftliches, sondern ein politisches Dokument.

In diesem Sinne hat Sinn demnach keine wissenschaftliche Studie sondern eine politische zum Ausgangspunkt seiner Überlegungen gemacht, in der in nicht nachvollziehbarer Weise überdramatisiert wurde.

Dies gilt allerdings nicht nur für Hans-Werner Sinn, wie oben bereits erwähnt, sondern ebenfalls für andere Wirtschaftsforschungsinstitute, wie z. B. das DIW, oder auch die IEA, die Weltbank und jüngst auch das WEF (Weltwirtschaftsforum in Davos), die alle von vergleichbaren Annahmen ausgehen.

Nicht nur die politischen Entscheidungsträger, sondern auch das Wirtschafts- und Finanzestablishment scheint geschlossen von absurden, nicht belastbaren Annahmen über die künftige Klimaentwicklung auszugehen, und diese zur Grundlage seiner Überlegungen und Forderungen zu machen.

Hier zeigt sich in schöner Ausformung das, was wir als den AMAP Komplex bezeichnet haben, nämlich das Zusammenspiel zwischen dem akademischen, dem medialen, administrativen und politischen Bereich in der Klimafrage.