Präsident Trump: Ein bemerkenswertes politisches und kulturhistorisches Phänomen14. November 2016Climatetruth.com hält sich normalerweise aus der Diskussion allgemeiner tagespolitischer Fragen heraus. Die Wahl von Donald Trump zum neuen Präsidenten der USA stellt aber ein so bemerkenswertes Ereignis dar, dass man sich doch bemüssigt fühlt, an dieser Stelle einige Beobachtungen und Anmerkungen zu machen.Die Wahl von Donald Trump zum neuen amerikanischen Präsidenten wird wohl in die Politgeschichte als ein ungewöhnliches, historisches Ereignis eingehen, da sie alle gängigen und akzeptierten Vorstellungen im Politgeschäft sprengt. Bis zum Schluss, das heißt bis zum Schliessen der Wahllokale, waren fast alle Beobachter davon überzeugt, dass Hillary Clinton die Wahl gewinnen würde. Umfrageinstitute, die verschiedene statistisch – mathematische Algorithmen für die Vorhersage von Wahlergebnissen verwenden, gaben ihr noch beim Schliessen der Wahllokale eine 80%ige Wahrscheinlichkeit für den Wahlsieg. Daraus wurde nichts, wie wir jetzt wissen. Was sich alle jetzt fragen ist: Wie kann das sein, wie konnte es dazu kommen? Als Donald Trump im Sommer 2015 seine Kandidatur für das höchste Amt der Vereinigten Staaten verkündete, glaubten nicht viele an einen schlechten Scherz. Die meisten Beobachter waren davon überzeugt, dass seine Anwartschaft auf die Kanditatur der Republikaner nicht den Beginn des offiziellen Vorwahlkampfes im Februar 2016 überleben würde. Sie irrten sich. Zum ersten Mal. Im Laufe des Vorwahlkampfes war für die meisten Beobachter klar, dass Trump sich niemals gegen die Phalanx der Mitbewerber aus dem republikanischen Parteiestablishment würden durchsetzen können. Sie irrten sich. Zum zweiten Mal. Nach dem Beginn der heißen Wahlkampfphase, nämlich nach der Nominierung der jeweiligen Spitzenkandidaten der Demokratischen und der Republikanischen Partei im August 2016, war für die meisten Beobachter wiederum klar, dass Trump sich niemals würde gegen Hillary Clinton durchsetzen können. Fast alle Meinungsumfragen gaben ihnen Recht. Sie irrten sich. Zum dritten Mal. Was ist da also passiert? Es gibt verschiedene Erklärungsansätze. Der erste ist der ökonomische Erklärungsansatz, der u. a. auch auf der Webseite Contracorner.com von David Stockman sehr detailliert vertreten wird, die allerdings vor einigen Wochen zahlungspflichtig wurde. Stockman vertritt die zutreffende Auffassung, dass der Wirtschaftsaufschwung in den USA nach der globalen Finanzkrise 2008 – 2009 weitestgehend an der breiten Masse der amerikanischen Bevölkerung vorbeiging. Stockmann zeigt u. a. dass fast alle Einkommens- und Vermögenszuwächse an die obersten 10 und insbesondere an die oberen 1 Prozent der Einkommens- und Vermögensverteilung gegangen sind. Als eine der Hauptursachen sieht Stockman die Niedrig- bzw. Nullzinspolitik der Notenbanken an, durch die hohe Liquidität in den Wirtschaftskreislauf gepumpt wurde, aber nicht zu mehr Investitionen in Fabriken und Anlagen geführt hat, sondern an den Kapital- und Immobilienmärkten investiert wurde, und dort die Preise von Anleihen, Aktien und Immobilien in die Höhe trieben. Dies ging an der Masse der Bevölkerung aber im Wesentlichen vorbei. So zeigen Veröffentlichungen verschiedener Institute, dass ca. 61% der Amerikaner noch nicht einmal über Ersparnisse in Höhe von $1000 verfügen, um im Notfall eine Autoreperatur oder eine Arztrechnung zu bezahlen. Die Einkommens- und Vermögenszuwächse gingen indes überwiegend an die Bewohner der Ost- und Westküste. Es gibt in den USA zwei Schwerpunkte der wirtschaftlichen und schlußendlich der politischen Macht: Die Finanzwirtschft an der Wallstreet und die Digitalwirtschaft in Silicon Valley bis hoch in den Staat Washington (Microsoft, Amazon etc.). Zudem sind die Medienkonzerne an Ost- und Westküste konzentriert. Die tonangebenden – linksliberalen – Meinungsmacher sitzen in New York (z. B. New York Times), Washington (z. B. Washington Post) und Los Angeles (z. B. Los Angeles Times und das Film- und Fernsehgeschäft in Hollywood). Will heißen: Sowohl die wirtschaftliche als auch die links-liberale mediale Meinungsmacht ist an den Küsten konzentriert. Dazwischen liegt, was Stockman als „Flyover America“ bezeichnet, also der Teil der USA, über den die Eliten auf ihrem Weg von Ost- zu Westküste hinwegfliegen und der weder von der wirtschaftlichen noch von der politischen noch von der links – liberalen Meinungselite wahrgenommen wird. Diese Eliten leben in ihrer eigenen Welt, in ihrem eigenen Universum, das mit dem Leben in Flyover America wenig oder nichts zu tun hat. Es ist aber die Welt von Hillary Clinton, die diese politische, wirtschaftliche und mediale Welt der Küsteneliten in sich verkörpert und nach aussen vertritt. Flyover America hingegen kann sich nicht wie die Küsteneliten an Vermögens- und Einkommenszuwächsen erfreuen, sondern wird von mehreren Seiten in die Zange genommen: Nicht nur, dass die Reallöhne (der Medianlohn der unteren 90% der Einkommensverteilung in Flyover America) seit mehreren Jahrzehnten stagnieren, seit dem Ende der Wirtschaftsskrise steigen die Kosten für Miete, Gesundheitsvorsorge, universitäre Bildung aber auch teilweise für Lebensmittel in diesem Einkommensbereich besonders stark an. Die offiziellen Inflationsraten von 1 – 2% oder weniger muten hier wie ein schlechter Scherz an. Amerika ist also zweigeteilt: In das politisch links – liberale, wirtschaftlich (u. a. unterstützt durch die lockere Zinspolitik der Notenbank) starke Küstenamerika und das wirtschaftlich vergleichsweise schwächere und eher konservative Flyover America. Diesen Gegensatz hat Trump erkannt und versuchte, ihn für sich und seine Kandidatur zu nutzen. Ob er allerdings über wirksame Rezepte verfügt, diese ökonomische Spaltung zwischen den Küsteneliten und Flyover America zu überwinden, sei dahingestellt. Die Unterschiede in der wirtschaftlichen Entwicklung zwischen den Küsten- und den Inlandsregionen reichen allerdings nicht, um seinen Erfolg zu erklären. Der zweite Faktor neben der wirtschaftlichen Unzufriedenheit ist die politisch – kulturelle Unzufriedenheit weiter Bevölkerungsteile besonders – aber nicht nur – in Flyover America. Besonders die sog. „political correctness“, das links – liberale quasi Meinungsdiktat in allen Bereichen des öffentlichen und täglichen Lebens hat in den letzten Jahren in weiten Teilen der Öffentlichkeit immer weniger Resonanz, sondern eher Verärgerung oder Hohn und Spott gefunden. Es ist zu einem „Disconnect“ zwischen den Welten der links – liberalen Medien an den Küsten gekommen, die sich in ihrem Weltbild und in ihren Redaktionsstuben in New York und Washington bequem eingerichtet, auf Andersdenkende verächtlich herabgeschaut und nicht gemerkt haben, dass sie große Teile der Bevölkerung nicht mehr erreichen. Breite Teile der Öffentlichkeit finden sich und ihre Meinung in der Welt der Massenmedien nicht mehr wieder aber stattdessen in der weiten Welt des Internets. Das Internet ist der große „Revolutionator“ in der öffentlichen Meinungsbildung. Die Ablehnung des politisch korrekten links – liberalen Glaubenskatechismus ist nicht nur in den vermeintlich ungebildeten und einkommensschwachen Bevölkerungsteilen Flyover Americas weit verbreitet, sondern auch in den gebildeteren und einkommensstärkeren Schichten anderswo. Verstärkt wird dies aber noch durch eine andere mediale Landschaft als wir sie von Deutschland her kennen. Während es in Deutschland zu allen Themen im Wesentlichen nur eine links – liberale Einheitmeinung gibt (es gibt halt nur links – liberale Medien verschieden starker Ausprägung), gibt es in den Massenmedien der USA, zwar weniger stark ausgeprägt, dennoch recht prominent, konservative Medien, wie z. B. Fox News, im Internet Drudgereport oder im Rundfunk Rush Limbaugh. Das heißt, die mediale und politische Landschaft ist von vorneherein facettenreicher als bei uns. Der nächste Faktor ist Trumps Positionierung und Rolle als „Anti – Establishment“ Kandidat. Anders als in Deutschland, wo ein hohes Maß an Medien-, Politik- und Obrigkeitsgläubigkeit vorherrscht, und wo auch im allgemeinen eine relativ hohe Kongruenz zwischen Medienmeinung und öffentlicher Meinung besteht, hat man in Amerika eher eine sehr schlechte Meinung vom Politikgeschäft generell, aber insbesondere von Politikern und vom Politikbetrieb in der amerikanischen Hauptstadt Washington. Allgemein herrscht die Auffassung vor, dass die herrschende Klasse (egal welcher Partei) nicht am Wohl des Bürgers, sondern an der Sicherung ihrer eigenen Interessen und ihres Machterhalts und –ausbaus interessiert ist. Hillary Clinton wird als der archetypische Vertreter dieser herrschenden Polit - Klasse angesehen, und zudem noch als der Vertreter der wirtschaftlichen Machteliten an Ost- und Westküste, nämlich der Finanz- und der Digitalwirtschaft. Trump hingegen ist der totale Outsider im Politgeschäft. Nicht nur das, er hat es sogar geschafft, sich mit seiner eigenen Partei, den Republikanern, zu überwerfen, deren Führungseliten, wie z. B. ex – Präsident George Bush, vor der Wahl Trumps gewarnt, oder sich von ihm distanziert haben. Dass sich die Führungsebene einer Partei von ihrem Spitzenkandidaten distanziert, wäre wohl in Deutschland ein unvorstellbarer Vorgang. Schließlich ist es die Person oder Persönlichkeit Trumps selbst. Die allerdings einesteils eher hinderlich für seinen Erfolg war, weswegen man wohl einräumen muss, dass er nicht gänzlich wegen, sondern trotz seiner Person gewählt worden ist. Es war die rotzige, freche und agressive aber unkonventionelle Art, die einerseits abstieß, aber andrerseits auf ein gesundes Selbstvertrauen und eine eher narzistische Persönlichkeit schliessen liess, die erfolgsgewohnte Menschen häufig haben. Es waren seine Sprüche, die krasse Ablehnung des politischen Establishments, die bei den politischen Gegnern, teilweise auch bei den politischen Freunden, aber insbesondere in den links – liberalen Medien auf die größte Ablehnung stießen, weswegen sie nichts, aber auch gar nichts unversucht liessen, um die Wahl Trumps zu verhindern. Trotz alledem kam Trump bei vielen als offen, ehrlich, unkompliziert und authentisch rüber, was wohl einen Teil der negativen Aspekte seiner Persönlichkeit ausglich oder sogar mehr als ausglich. Last but not least ist es das negative Image von Hillary Clinton, das viele Wähler dazu bewog, Trump statt Clinton zu wählen. Clinton kam als eiskalte Machtpolitikerin rüber, ihre Statements schienen einstudiert und aufgesagt, um nur einen Zweck zu erfüllen: Das politisch korrekte zu sagen, um gewählt zu werden. Trump hatte ein negatives Image, aber Hillary Clintons Image war noch negativer. Das ist möglicherweise der wichtigste Grund, weswegen Trump die Wahl gewonnen hat. Dass die politische Linke über die Wahl Trumps entsetzt ist, verwundert wenig, denn Trump hat sich über alle Spielregeln des Politik- und Mediengeschäfts hinweggesetzt und ist trotzdem gewählt worden. Der Linken und den links – liberalen Medien ist schmerzhaft vor Augen geführt worden, dass ihr Welterklärungsmodell, so sehr sie auch dafür gekämpft haben, bei den Wählern nicht angekommen ist, sondern abgelehnt wurde. So ähnlich wie nach dem „Brexit“ im Juni, ging sofort die Schuldigensuche los. Und es sind natürlich nicht Schwächen im Welterklärungsmodell der Linken, sondern ungebildete weiße Unterschichtler, die dafür verantwortlich sind, dass Hillary Clinton und die durch sie repräsentierte herrschende Klasse der Finanz- und Wirtschaftseliten bei der Wahl gescheitert sind. Zum Schluß noch einige Worte zur Rolle der Meinungsforschungsinstitute, die in schon fast epischem Ausmaß gescheitert sind. Hillary Clinton lag in fast allen Meinungsumfragen zu fast allen Zeiten vor Donald Trump. In nur wenigen Umfragen, z. B. Rasmussen, LA Times und Investors Business Daily lag Trump gelegentlich 1 – 2 Prozentpunkte vorne. Es hat zudem den Anschein, als seien viele Meinungsumfragen so strukturiert worden, um Hillary Clinton in den Umfragen fast durchweg vorne liegen zu lassen. In diesem Zusammenhang ist dieser Austausch hier interessant zwischen Nate Silver, Betreiber der Webseite FiveThirtyEight, einem der renommiertesten Meinungsforscher der USA und Ryan Grim, einem Author der Huffington Post. Silver entwickelt seine Prognosen, wie andere Institute auch, mit komplexen mathematisch – statistischen Modellen, Algorithmen, in die eine Reihe verschiedener Parameter einfließen. Silver berechnete die Wahrscheinlichkeit eines Sieges von Trump noch wenige Wochen vor der Wahl mit weniger als 10%, korrigierte diese Vorhersage am 24. Oktober auf etwa 15% und gelangte damit zu einer deutlich höheren Wahrscheinlichkeit als die meisten anderen statistischen Modelle. Das kam in der Welt der Meinungsforscher nicht gut an, da andere Umfragen (z. B. Washington Post) Hillary Clinton zu der Zeit um bis zu 12 Prozentpunkte vorne sahen. Noch schlimmer wurde es, als Nate Silver am 5. November, drei Tage vor der Wahl, die Wahrscheinlichkeit eines Trump Sieges auf 29% erhöhte. Daraufhin ergab sich der Austausch auf Twitter, in dem Silver vorgeworfen wurde, er würde seine Daten zugunsten Trumps manipulieren, denn er, Ryan Grim, würde nur eine Wahrscheinlichkeit von zwei Prozent errechnen. Der sehr emotionale Austausch endete mit dem Tweet von Silver an Ryan Grim: You don´t know what the fuck you´re talking about. Womit Silver wohl Recht gehabt hatte, obwohl auch seine Modelle den Sieg Trumps nicht vorhersahen. Offensichtlich taugen statistisch – mathematische Modelle nur begrenzt zur Abbildung der realen Welt, etwas, was man schon bei der globalen Finanzkrise schmerzhaft erleben musste, denn die dort bei der Bepreisung von Wertpapieren verwendeten mathematischen Modelle versagten 2008 ebenfalls im epischen Ausmass . Zum Schluss noch einige Worte zur Reaktion der Finanzmärkte auf den Sieg Trumps. Vor der Wahl waren sich wieder einmal fast alle sicher – so wie vor dem Brexit auch – dass die Wahl Trumps zu einem Zusammenbruch der Finanzmärkte führen würde. Und wieder einmal haben sich die „Experten“ geirrt, denn nach Trumps Wahl kollabierte der Aktienmarkt nicht, sondern schoß steil nach oben, die New Yorker Börse hatte ihre beste Woche seit 2011. Womit ebenfalls niemand gerechnet hatte, waren die drastisch steigenden Zinsen lang laufender Anleihen, was anders ausgedrückt zu drastisch fallenden Kursen dieser Papiere führte. Die Kurse dieser Papiere sind allerdings bereits seit dem Spätsommer gefallen. Gleichzeitig ist der Goldpreis drastisch gefallen und der Dollar gestiegen. Steigende Zinsen sind allerdings Gift für die Wirtschaft und auch für Aktien; steigende Zinsen und gleichzeitig steigende Aktienkurse wird es nicht lange geben; eins von beiden wird früher oder später fallen. |
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