Klimapolitik: Altmaier vs. Rösler



12. Dezember 2012


Einer Meldung im „Spiegel“ zufolge gibt es – wieder einmal – Zoff zwischen dem Umweltminister und dem Wirtschaftsminister wegen des Klimaschutzes.
Diesmal geht es um den Emissionshandel in der EU (EU-ETS). BMU Altmaier fordert BMWi Rösler auf, der Verknappung von Emissionsrechten im EU-ETS für die Jahre 2013 – 2015 zuzustimmen.
„Würde der Emissionshandel nicht durch politische Maßnahmen gestärkt, verliere dieser seinen für den europäischen Klimaschutz zentralen Anreiz zu Investitionen in CO2-arme und nachhaltige Technologien“, so Altmaier dem „Spiegel“ zufolge. Beim derzeitigen Preisniveau gegenüber der ursprünglichen Planung würden sich die Einnahmen des Klima und Energiefonds um 65% verringern, 2,3 Mrd. Euro weniger im Jahr.

Man ahnt schon, worauf das Ganze hinausläuft: Es geht nicht um mehr Klimaschutz, sondern um mehr Geld für den Staatshaushalt.

Was ist der Hintergrund?

Nach dem Beschluss des EU Parlaments vom 17. Dezember 2008 werden ab dem 1. Januar 2013 Emissionsrechte im EU-ETS nicht mehr kostenfrei zugeteilt, sondern – mit einigen Ausnahmen für Industrien, die im internationalen Wettbewerb stehen – auktioniert. Das Aufkommen aus diesem Auktionsverfahren geht an die Staatskasse, soll aber zweckgebunden werden für die Förderung kohlenstoffarmer Technologien und für den internationalen Klimaschutz in den Entwicklungsländern. Die Höhe der zu auktionierenden Zertifikate wird gesamt-europäisch festgelegt mit der Zielvorgabe, die Emissionen aus den Anlagen, die dem Emissionshandel unterliegen, bis 2020 gegenüber 2005 um 21% zu senken. Beschlossen wurde ein Minderungspfad von -1,74% pro Jahr ausgehend vom Jahr 2010. Das bedeutet, die Menge der zugeteilten Zertifikate sinkt um diesen Betrag pro Jahr.

Jetzt ist etwas eingetreten, womit man in 2008 nicht gerechnet hat, nämlich die Wirtschaftsschwäche in der EU wegen der Eurokrise.
Schwächelt die Wirtschaft, wird weniger produziert, d. h. weniger Energie verbraucht und weniger CO2 emittiert, als man 2008 geglaubt und festgelegt hat.
Als Ergebnis sinkt die Nachfrage nach CO2 Zertifikaten, der Preis der Zertifikate sinkt. Der Zertifikatepreis hat zwar nie bei 30 Euro (mit Ausnahme Anfang 2006, als er kurzfristig auf fast 30 Euro stieg) gelegen, aber bewegte sich häufig um die 20 Euro Marke herum, ist allerdings in letzter Zeit deutlich unter 10 Euro gefallen.

Des bedeutet jedoch nicht, wie der Spiegel insinuiert, dass der Emissionshandel nicht funktioniert. Denn das festgelegte klimapolitische Reduzierungsziel bis 2020 wird auf jeden Fall erreicht, weil es rechtsverbindlich ist und die Emissionen aus den einzelnen Anlagen einem stringenten, sanktionsbewehrten Monitoringsystem unterliegen, egal, ob der Preis für Emissionsrechte bei 5 oder bei 50 Euro liegt. Offenbar gibt es größere Missverständnisse darüber, wie der Emissionshandel funktioniert.

Die Politik kann also kein Problem mit den klimapolitischen Zielen haben, sondern mit den Einnahmen aus dem Auktionsverfahren, die jetzt anscheinend erheblich geringer ausfallen, als geplant.

Als Lösung dieses Finanzproblems will man nun pro Jahr drei Jahre lang (2013 – 2015) 300 Mio. Emissionsrechte aus dem Markt nehmen, d. h. gar nicht erst versteigern, in der Erwartung dass durch diese künstliche Verknappung der Preis der Zertifikate steigt und mehr Geld in die Kassen fließt.
Ab 2019 sollen diese Zertifikate dann in den Markt zurückfließen, also in der Gesamtsumme 2013 – 2020 ändert sich nichts, weswegen dann auch die Klimaschutzziele unangetastet bleiben. Der Klimaschutz wird also dadurch nicht „gestärkt“.

Dahinter steht die Hoffnung, dass sich die Wirtschaftslage bis 2019 bessert und somit auch mehr produziert wird, mehr Zertifikate benötigt werden und ihr Preis dann auch wieder steigt, ohne eine künstliche Verknappung durch den Staat.

In Deutschland werden ca. 80% der Zertifikate an Anlagen der Stromerzeugung zugeteilt. Die Kosten für den Erwerb der Zertifikate werden allerdings nicht von den Stromerzeugern getragen, sondern sie werden auf den Strompreis übergewälzt (weil die Stromerzeuger dies auf Grund ihrer Marktposition können), weswegen nicht die Strom erzeugenden Unternehmen, sondern die Stromkunden die höheren Stromerzeugungskosten durch die Zertifikate tragen, d. h. also, verehrte Leserinnen und Leser, Sie und ich.

Ein Anreiz, in erneuerbare und kohlenstoffarme Technologien wird dadurch nicht gegeben, denn solange die Kosten übergewälzt werden können, und die Stromerzeuger schlussendlich durch den Emissionshandel sogar Extraprofit machen, gibt es für sie keinen Anreiz, in Erneuerbare zu investieren. Sie können also auf Norddeutsch sagen: Wat schert meck dat?
Der Anreiz für EVUs in Erneuerbare zu investieren besteht allein schon darin, selbst EEG Anlagen zu bauen und die Einspeisevergütung zu kassieren.

Nun wissen wir aber auch, dass die Erneuerbaren ohnehin durch die EEG Umlage von den Stromkunden mit 13,5 Mrd. Euro in 2012 gefördert werden, in 2013 soll dieser Betrag um etwa 50% steigen.

Altmaiers Forderung, die Emissionszertifikate zu verknappen, läuft also darauf hinaus, dass die Strompreise ab 2013 nicht nur durch die höhere EEG Umlage steigen, sondern zusätzlich noch durch höhere Kosten bei der fossilen Erzeugung.

Der Klimaschutz in Deutschland leidet unter einem unübersichtlichen Instrumente-Wirrwarr. Wenn das zentrale Instrument des Klimaschutzes der Emissionshandel ist, sollte man den Emissionshandel ausweiten und alle anderen Instrumente, besonders die Förderung Erneuerbarer nach dem EEG, abschaffen.
Denn der Emissionshandel, obwohl nicht vollkommen, hat immerhin den Charme, dass er die Kosten einer politisch festgelegten Emissionsminderung minimiert.

Das EEG tut das nicht. Die parallele Förderung erneuerbar erzeugten Stroms, der in ein System eingespeist wird, dessen Emissionen dem Emissionshandel unterliegen, und damit einer strikten Obergrenze (Cap), reduziert keine einzige Tonne CO2 im europaweiten System des Emissionshandels, sondern erhöht lediglich den Emissionsspielraum in andern europäischen Ländern.
Mit dem EEG wird damit lediglich eine Kostenreduzierung von Emissionszertifikaten finanziert, die überwiegend anderen europäischen Ländern zugute kommt, aber keine europaweite CO2 Emissionsminderung.

Falls Rösler das so erkannt hat, dann soll er Altmaier ruhig auflaufen lassen.

Denn er hat die besseren Argumente.